NBA

Doch nur ein gewöhnliches Playoff-Team?

Von Philipp Dornhegge
Zwei Stars im direkten Duell: Dirk Nowitzki und Kobe Bryant
© Getty

Die Mavericks stehen auf Platz zwei im Westen, bei vielen Fans werden Erinnerungen an 2006 wach, als Dirk Nowitzkis Team in den Finals stand. SPOX analysiert, ob die Begeisterung berechtigt ist.

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Es ist beinahe Halbzeit in der NBA, und die Dallas Mavericks stehen in der Western Conference auf Platz zwei vor den Denver Nuggets, Phoenix Suns und San Antonio Spurs. Wer hätte das gedacht?

Nicht einmal die Experten in den USA waren vor Saisonstart davon ausgegangen, dass die Mavs über Platz fünf oder sechs hinauskommen würden. Aber schon im ersten Auswärtsspiel bei den Lakers musste "ESPN"-Kommentator und Ex-Coach Jeff van Gundy einsehen: "Wow, diese Truppe hat jede Menge Firepower. Ich glaube, ich habe sie total unterschätzt!"

Die Truppe um Superstar Dirk Nowitzki gewann die Partie im Staples Center mit 94:80 und legte so den Grundstein für einen bärenstarken Start ins Jahr.

Böse Klatsche gegen die Lakers

Fast Forward zum 3. Januar 2010. Wieder ist Dallas in L.A. zu Gast, wieder geht's gegen die Lakers. Der Champion will offensichtlich eine Rechnung begleichen und die schmerzhafte Niederlage vom 30. Oktober ausmerzen.

Dallas war von Beginn an dermaßen chancenlos, dass Lakers-Star Kobe Bryant nur 32 Minuten spielen musste. Mit einer herben 96:131-Klatsche wurden die Texaner nach Hause geschickt, und viele fragten sich: Sind das nun die echten Mavs, oder doch die, die man über große Teile der bisherigen Spielzeit sehen durfte? Die, mit der stark verbesserten Defense und einer unwahrscheinlichen Tiefe im Kader?

Zu viel Verantwortung für Nowitzki

Schwer zu sagen, denn in den folgenden Tagen holten sie einen knappen Sieg gegen die Pistons und einen Statement-Sieg in San Antonio, nur um am nächsten Tag daheim gegen die Utah Jazz wieder total unterzugehen. Es sieht so aus, als hätte Dallas das gleiche Problem wie schon in den letzten Jahren: Das Team ist konstant unkonstant und lässt sich von jeder Verletzung gleich aus der Bahn werfen.

Gegen Utah etwa fehlten Josh Howard (Hüftprellung) und Drew Gooden (ausgerenkter Finger), und man sah den Mavs an, dass sie nicht so recht wussten, wer nun dafür in die Bresche springen soll. Jason Terry, der ohnehin schon viel Scoring-Last trägt, Jason Kidd, der nun wahrlich kein Topscorer ist, oder die übrigen Bankspieler, denen Rick Carlisle dann aber kaum eine Chance gab?

Wie in den vergangenen Jahren neigen sie alle dazu, sich in solchen Situationen zu sehr auf Nowitzki zu verlassen, ihren MVP, den Mann, der ein Spiel schon mal allein entscheiden kann. Aber über 48 Minuten tragen? Da müssen andere mitmachen, und gegen die Jazz war davon nur wenig zu sehen.

Der Westen so stark wie selten

Trotzdem steht man auf Platz zwei. Warum also meckern, mag man sich fragen. Weil die Liga so schlecht ist wie schon lange nicht mehr, meint zum Beispiel Charles Barkley. Der "TNT"-Experte hat hinter Ligaprimus L.A. ein Schneckenrennen ausgemacht, bei dem es keiner Mannschaft so recht gelingt, Fahrt aufzunehmen.

Über die Eastern Conference soll an dieser Stelle der Mantel des Schweigens gelegt werden. Aber im Westen? Da sind die Bilanzen besser als zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr, zudem gibt es noch mehr Teams, die an der .500er-Marke kratzen und vehement in die Playoffs drängen, darunter die talentierten Clippers, Thunder und Grizzlies. Dallas behauptet sich also bislang gegen größere und zahlreichere Konkurrenz.

Mavericks sind nicht dominant genug

Schaut man sich dagegen das sogenannte Point Differential von "ESPN"-Statistik-Guru John Hollinger an, dann ergibt sich schon ein anderes Bild. Hollinger geht davon aus, dass die Bilanz eines Teams nur ungenügend Aufschluss darüber gibt, wie stark es ist, und berechnet deshalb das Plus-Minus-Rating, das zeigt, mit wie vielen Punkten jedes Team im Schnitt gewinnt oder verliert.

Es belegt, dass die Lakers (+7,0) zu Recht an der Ligaspitze stehen. Sie werden verfolgt von den Celtics (+6,9) und den Cavaliers (+6,7). Die schlechtesten Teams sind demnach die Nets (-11,4) und die Timberwolves (-9,6), auch das passt also. Schaut man sich jedoch das Rennen um die Playoff-Plätze im Westen an, ergibt sich folgendes Bild: Da stehen die Mavs (+3,0) plötzlich nur noch auf Rang sechs, hinter San Antonio (+6,3), Denver (+4,9), Utah (+3,4), das aktuell gar nicht in den Playoffs stünde, und Phoenix (+3,3).

Klar, an diesem Bild kann sich schnell etwas ändern. Aber eins machen die Zahlen doch deutlich: Nowitzkis Team fehlt die Dominanz, die man bei den Lakers, Spurs und Nuggets beobachten kann. Gegen starke Teams gibt es immer wieder Klatschen, gegen schwächere zu selten klare Siege. Und genau das ist es, was zur absoluten Elite fehlt: Dallas muss für jeden Erfolg hart arbeiten.

Erneutes Treffen mit den Lakers am Donnerstag

Das wird in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nicht anders sein. Dann kommen die Lakers zum dritten Aufeinandertreffen des Jahres in das American Airlines Center, dann können die Mavericks zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind: Machen sie es wie L.A. vor neun Tagen und revanchieren sich für die Niederlage, oder setzt es die nächste Pleite?

Es gibt sicherlich Argumente, die für Dallas sprechen: Die Lakers spielen am Abend zuvor bei den Spurs auf, wo sie vermutlich an ihre Grenze gehen müssen. Howard und Gooden werden wohl wieder mitwirken können und geben ihrem Team damit dringend benötigte Offensivkraft.

Najera kommt für Humphries und Williams

Und mit Eduardo Najera feiert ein Mexikaner sein Comeback. Der Power Forward wurde per Trade mit den Nets gegen Kris Humphries und Shawne Williams geholt. Die große mexikanische Gemeinde in Texas und Najera selbst sind begeistert: "Ich fühle  mich riesig. Dallas ist meine Heimat. Ich hatte sowieso vor, auch nach meiner Karriere hier zu wohnen", so Najera nach dem Trade.

Okay, er ist sicher keiner, der ein Spiel im Alleingang gewinnt. Aber er ist einer von diesen "Energy Guys", die man immer bringen kann und die sich immer den Allerwertesten aufreißen. Rick Carlisle jedenfalls freut sich über den Neuzugang: "Auf seiner Position gehörte er immer schon zu den kleineren Spielern, aber trotzdem war er stets in der Lage, Rebounds und Lose Balls abzugreifen", so der Coach der Mavs. "Eduardo kann für jedes gute Team ein wichtiges Puzzlestück sein."

Spielt Najera für Thomas?

Das war er auch von 2000-2004, als er seine ersten vier NBA-Jahre in Dallas verbrachte und aufgrund seiner Spielweise zum Publikumsliebling avancierte. Schon am Mittwoch könnte er seine erste Bewährungschance bekommen: Denn mit Tim Thomas knickte ein direkter Konkurrent um Spielzeit im Training um und wird eventuell ausfallen.

Es ist also angerichtet für einen weiteren Thriller im AAC, der weiteren Aufschluss darüber geben könnte, wer die Mavs wirklich sind: Ein Meisterschaftskandidat oder doch nur ein gewöhnliches Playoff-Team?

Jazz spielen die Mavericks an die Wand