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NBA: Eins-gegen-Eins gegen Diktator Kim Jong-un? Warum Bulls-Legende Steve Kerr nach Nordkorea reisen sollte

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Dennis Rodman wurde als Freund von Kim Jong-un bekannt, doch ginge es nach einem Berater von US-Präsident Barack Obama, dann wäre eine ganz andere Bulls-Legende zum nordkoreanischen Diktator gereist. Und das sogar in offizieller Mission.

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Barack Obama verzieht keine Miene, als er im Mai 2012 im Oval Office des Weißen Hauses den Worten von Marcus Noland lauscht. Hier mal ein Nicken, dort mal ein "Mm-hmm". Doch ob er Noland für komplett verrückt hält oder aber von dessen Idee gar nicht mal so abgeneigt ist, das verrät das Gesicht des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht.

Die Gesichter seiner Berater sprechen dagegen eine eindeutige Sprache. "Sie haben mich angeschaut und sind ganz bleich geworden", erinnert sich Noland bei The Athletic. Denn sein Vorschlag ist unorthodox, in dieser Form nirgends in Diplomaten-Handbüchern zu finden.

Sein Vorschlag sieht vor, die Beziehungen zwischen zwei verfeindeten Ländern zu verbessern. Die USA soll den neuen Diktator eines abgeschotteten Landes mit mehr als 25 Millionen Einwohnern umgarnen, der gerne mal mit Atomraketen droht.

Sein Vorschlag: Schickt Steve Kerr nach Nordkorea. Und lasst ihn mit Kim Jong-un Basketball spielen.

Kim der Bulls-Fan - aber sonst? US-Regierung tappt im Dunkeln

Natürlich dürfe Kim Jong-un entscheiden, ob er gegen Kerr lieber Eins-gegen-Eins oder lieber HORSE spielen würde, erklärt Noland dem US-Präsidenten, wie die ehemalige Washington Post-Journalistin Anna Fifield in ihrem Buch "The Great Successor" berichtet. Das verstehe sich von selbst.

Der fünffache Champion solle in Begleitung von zwei erfahrenen Beratern aus der Außenpolitik des Weißen Hauses nach Pjöngjang reisen. Sie könnten die echte Diplomatie übernehmen, wenn Kim übers Geschäftliche reden möchte. Wenn ihm aber mehr nach zocken ist, stünde Kerr bereit. Quasi für die Basketball-Diplomatie.

Die Theorie hinter dieser Idee leuchtet ein. Kim Jong-un ist damals frisch an der Macht, erst wenige Monate vor dem Treffen zwischen Obama und Noland, ein auf Nordkorea spezialisierter Volkswirt, der nun den Präsidenten mit Rat zur Seite stehen soll, stieg der damals 27 Jahre alte Kim nach dem Tod seines Vaters zum Staatsoberhaupt Nordkoreas auf.

Selbst in Geheimdienstkreisen sind Informationen über den neuen Diktator allerdings Mangelware. Bis dato hat noch kein US-Amerikaner nach dem Wissen der Regierung den Machthaber getroffen. Wie tickt der neue Mann, der womöglich Zugang zu Atombomben hat? Wie könnte die USA eine Beziehung zu ihm aufbauen? Bekannt ist eigentlich nur: Kim Jong-un mag Basketball. Und er verehrt die legendären Chicago Bulls der 1990er-Jahre.

Steve Kerr gewann drei seiner fünf Championships mit den Chicago Bulls.
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Steve Kerr gewann drei seiner fünf Championships mit den Chicago Bulls.

Besuch beim Diktator: Warum ausgerechnet Steve Kerr?

Obama könnte also zum Einstand direkt mal Eindruck schinden, so Nolands Idee, indem er einen von Kims Basketball-Helden zum Besuch vorbeischickt. "Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben", rechtfertigt Noland seinen Vorschlag im Treffen mit Obama. "Wenn der Typ wirklich so ein großer Bulls-Fan ist, wie wir gehört haben, dann lasst uns das nutzen. Viel mehr Alternativen haben wir eh nicht."

Das Aushängeschild der damaligen Bulls-Dynastie, Michael Jordan, gilt allerdings nicht unbedingt als Person mit großem politischen Interesse. Ganz anders dagegen Kerr, bedeutender Rollenspieler beim zweiten Bulls-Threepeat. Noland kennt dessen älteren Bruder John aus gemeinsamen College-Tagen und daher auch die tragische Familiengeschichte.

Kerrs Vater, jahrelang Leiter der amerikanischen Universität in Beirut, wurde Opfer eines terroristischen Anschlags. Steve verbrachte als Kind und Jugendlicher viel Zeit im Libanon, gilt als weltmännisch und tritt für seine politischen Grundsätze ein. Jahre später gehört er im NBA-Universum zu den größten Kritikern von Donald Trump, es wird über eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatur von Kerr und Gregg Popovich gescherzt.

2012 arbeitet Kerr allerdings noch als TV-Experte für TNT, seinen Job als Head Coach der Golden State Warriors tritt er erst zwei Jahre später an. Aber schon damals ist sich Noland sicher: Niemand ist besser geeignet für den schwierigen Spagat aus Basketball und Nordkorea-Politik als Kerr.

Steve Kerr nach Nordkorea? "Das ist zum Totlachen"

Obama, ebenfalls großer Bulls-Fan und Basketball-Fanatiker, lässt Noland nach dem Treffen zunächst ohne Entscheidung nach Hause gehen. Doch dessen Vorschlag wird niemals Realität. Letztlich hört er nichts mehr von der Regierung bezüglich seiner Idee, sie schafft es jahrelang nicht durch die dicken Wände des Oval Office.

Selbst Kerr bekommt davon knapp zehn Jahre lang keinen Wind. "Ich habe das noch nie gehört", sagt der überraschte Warriors-Coach im Dezember 2021 gegenüber The Athletic, bevor sein Gesicht erstrahlt. "Das ist ja zum Totlachen." Zwar hat er schon mehrfach Präsident Obama bei den traditionellen Besuchen des NBA-Champions im Weißen Haus getroffen, sogar schon mal Golf mit ihm gespielt, doch der habe nichts von den Nordkorea-Überlegungen verraten.

Aber hätte Kerr zugesagt? "Nein, niemals ...", entgegnet der heute 56-Jährige, bevor er ins Grübeln kommt. "Außer Präsident Obama hätte mich höchstpersönlich darum gebeten. Wenn er gefragt hätte, hätte ich es wahrscheinlich getan."

Steve Kerr vs. Kim Jong-un: "Er hätte mich zerstört"

Und wie wäre ein Duell mit Kim Jong-un ausgegangen? Niemals hätte Kerr absichtlich verloren, außer Präsident Obama hätte es ihm aufgetragen, scherzt der Dreierspezialist, dessen Größenvorteil etwa 20 Zentimeter beträgt - vielleicht noch mehr, denn niemand weiß genau, ob Kim nicht heimlich Plateauschuhe trägt, um größer zu wirken.

"Ich gebe auf jeden Fall alles, denn es macht eh keinen Unterschied", ist sich Kerr sicher. "In den Medien würde es so oder so lauten, dass er haushoch gewonnen hätte. Ich habe mal gehört, dass sein Vater auf einer Golf-Runde bei jedem Loch ein Birdie geschlagen hat. Also hätte er mich auch bei HORSE zerstört." Noland hat da allerdings einen Einwand: "Natürlich lässt du ihn gewinnen. Machst du Witze?"

Soweit kommt es aber bekanntermaßen nie, zumindest nicht für Kerr. Dafür reist doch noch ein anderes Mitglied der legendären Bulls-Teams nach Nordkorea, wenn auch nicht in offizieller Mission. Der exzentrische Hall of Famer Dennis Rodman besucht Kim Jong-un erstmals 2013, offiziell als erster US-Amerikaner überhaupt, und kehrt zwei weitere Male zurück zu seinem "Freund fürs Leben", wofür es in den USA deutliche Kritik hagelt.

"Wenn es einen Spieler in dem [Bulls-]Team gibt, der weltoffen ist und eine erfahrene Sicht auf die Welt hat, dann ist das Steve Kerr. Also habe ich es versucht", blickt Noland später auf sein Treffen im Oval Office zurück. "Letztlich hat es nirgendwo hingeführt und wir haben Dennis Rodman bekommen ... Ich denke, die Geschichte hat mich bestätigt."

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