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Früherer Mavs-Head of Player Development im Interview: Carlisle? "Ich habe ihn gehasst und er hasste mich"

Kobe Bryant war nur an Kritik interessiert.
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Ein großer Kontrast zu der Arbeit mit Kobe, offensichtlich. Er nannte Sie mal seinen "Jack Bauer" in Anlehnung an die Serie "24" ...

Procopio: Ja, das war ein sehr spezieller Job. Kobe war einer der besten Spieler, die jemals gelebt haben, auch weil er nach jedem Vorteil gesucht hat. Es ging nur um ihn, und das war das Besondere. Normalerweise müssen sich Coaches um alle möglichen Leute kümmern, sie können nicht nur mit einem Spieler arbeiten. Aber Kobe wollte jemanden, der explizit für ihn scoutete, der Spieler analysierte, die ihn verteidigen oder die er verteidigen musste. Und der ihm dabei die Wahrheit sagte. Spieler wie er haben oft Ja-Sager um sich, auch Coaches, die sie eher mit Samthandschuhen anfassen. Aber er wollte jemanden haben, der nicht sein Freund sein wollte. Es hat ihn nicht groß interessiert, was ich Positives zu sagen hatte - er wollte das Negative hören.

Und alles fing auch hier mit einem Times-Artikel an, richtig?

Procopio: Sozusagen. Tim Grover arbeitete damals mit ihm an seinem Körper und seiner Fitness, wie zuvor mit Jordan. Sie waren auch zusammen, als ein Artikel von Michael Lewis erschien, in dem es unter anderem um die Defense von Shane Battier (damals Rockets, d.Red.) gegen Kobe ging. Ich war gerade in Minnesota und verbrachte eine Woche bei Kevin McHale. Tim rief mich an und fragte, ob ich den Artikel gelesen hätte, und kündigte an, dass Kobe sich melden würde. Etwas später kam die E-Mail, in der Kobe ganz klar formulierte, was er haben wollte. Die Rockets nervten ihn, Los Angeles gewann zwar die meisten Spiele, aber er war nicht so effizient, wie er sein wollte. Also wollte er die Informationen von mir, weil er gehört hatte, dass ich gut darin war.

Und was haben Sie ihm gesagt?

Procopio: Ich habe selbst erst mal rumgefragt, bei Scouts und Coaches, aber es kam nur Bullshit zurück. Wenn ich ihm diese Klischees serviert hätte, hätte ich nie wieder von ihm gehört. Also habe ich mir selbst die letzten fünf, sechs, sieben Spiele der Lakers gegen Houston angesehen und analysiert, was die Rockets machten. Und was er falsch machte. Denn das Hauptproblem war, dass er seine Mitspieler nicht richtig nutzte.

Kobe Bryant war nur an Kritik interessiert.
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Kobe Bryant war nur an Kritik interessiert.

Was machte Houston im Detail?

Procopio: Battier war ein toller Verteidiger. Er war kein Athlet wie der Greek Freak, aber er war unglaublich diszipliniert. Er hatte immer eine Hand in Kobes Gesicht, fiel nicht auf seine Fakes rein, kannte jede Tendenz von Kobe. Aber vor allem hat er es geschafft, Kobe immer in die Richtung zu leiten, in der Yao Ming stand, der körperlich eine unglaubliche Hürde in Korbnähe war. Ich habe Kobe gesagt, dass er Yao vom Korb wegziehen sollte. Zog er Baseline, konnten drei, vier Verteidiger sich auf ihn konzentrieren, damit machte er es Houston zu leicht. Er sollte den Ball mehr abspielen, schneller machen, die Langsamkeit von Yao ausnutzen. Das tat er, er hatte ein unglaubliches Spiel, und zwei Minuten vor dem Ende zog Kobe im Pick'n'Roll locker an Yao vorbei. Er bewegte ihn dabei seitwärts, das hatte ich ihm gesagt, und es funktionierte. Ich dachte trotzdem nicht, dass ich nochmal von ihm hören würde. Stattdessen kam 90 Sekunden nach seinem Interview auf dem Court die Nachricht: 'Morgen haben wir San Antonio. Ich brauche das gleiche nochmal.' Und daraus wurden etwa vier Jahre. Es war fantastisch.

Es gab fortan einen Report für jeden Gegner?

Procopio: Nicht nur das, es gab Diskussionen, über Strategie, Spielpläne, ein ständiges Hin und Her. Ich habe in den Nächten vor Spielen kaum geschlafen, weil er so fordernd war. Aber das war es wert: In den Kopf von jemandem zu blicken, der so elitär war, ist das Beste, was ich je erlebt habe. Ich habe dadurch auch unheimlich viel gelernt: Nicht, wie ich Spielern beibringe, wie Kobe Bryant zu sein, das ist unmöglich. Ich kann ihnen auch nicht beibringen, wie Dirk zu sein, wer ist schon so groß und kann so werfen? Aber ich kann ihnen beibringen, sich vorzubereiten wie Kobe. Die Art und Weise, wie er sich um seinen Körper gekümmert hat, wie er das Spiel studiert hat, wie fokussiert er war, was für Routinen er hatte, das war einmalig. Und ich habe von ihm viel über Kommunikation gelernt. Er hat mich wegen jedem Report attackiert - er hat sich nicht beschwert, aber er wollte es immer genauer wissen, hat alles hinterfragt. Er konnte nichts mit "Spiel härter!" anfangen. Was soll das bedeuten? Er wollte detaillierte Lösungsansätze, und dann wollte er Beweise. Er hat sich nie einfach nur alles angehört, sondern er hat herausgefordert und in Frage gestellt, was ich ihm sagte. Dadurch bin ich ein viel besserer Coach geworden.

Er galt nicht zuletzt ja als sehr selbstbewusst. Sie mussten ihn aber auf Fehler hinweisen. Hatten Sie da am Anfang etwas Angst vor?

Procopio: Nein, weil Grover ihn schon kannte. Er hatte auch viele Jahre mit Jordan gearbeitet und mir von beiden berichtet. Er sagte: 'Kobe ist auf einem anderen Level.' MJ hörte in den meisten Fällen auf seine Coaches. Kobe stellte alles in Frage, er konnte sich wegen allem streiten. Ich wusste das vorher, und ich habe versucht, mich darauf vorzubereiten. Tim hatte mir gesagt, dass ich, wenn ich in diesem Job bleiben will, die Wahrheit sagen können muss. Man darf keine Angst haben und die hatte ich auch nie. Ich bin kein Drill-Sergeant, aber ich erzähle den Leuten auch keinen Mist und kann Klartext reden. Das habe ich auch bei Kobe getan: In meiner ersten E-Mail zu ihm sagte ich, dass wir keine Freunde werden und ich ihn nicht um Tickets oder Schuhe bitten würde. "Ich muss dir vielleicht etwas sagen, das du nicht hören willst. Das geht nicht, wenn wir Freunde sind." Wir wurden über die Jahre trotzdem sehr freundlich miteinander, haben uns respektiert, aber das Geschäftliche war immer die Basis.

Ist es wahr, dass Sie in all den Jahren trotzdem nie Geld von ihm haben wollten?

Procopio: Ich hatte keine Ahnung, nach was ich fragen sollte. Ich wollte nicht 100.000 Dollar sagen, er findet das zu viel und feuert mich - ich wollte auch nicht zu wenig verlangen. Ich wusste es einfach nicht. Dabei hätte ich vermutlich alles bekommen, was ich wollte. 2010 sagte er mir, er müsse mich jetzt endlich bezahlen, da hatten sie gerade Phoenix geschlagen und waren auf dem Weg in die Finals. Ich sagte: "Ich nehme keinen Cent von dir." Es ging mir nicht darum. Diese ganze Beziehung war großartig für mich. Ich wurde von Tim weiter bezahlt, mit Kobe arbeitete ich zusammen, weil ich an das geglaubt habe, was er tat. Ich habe von ihm gelernt, er half mir, ich half ihm, es war ein toller Ritt. Ich wollte es nicht mit Geld besudeln. Zugegeben: Ich bin ein schrecklicher Geschäftsmann. Aber ich weiß auch, dass so gut wie nie jemand so eine Gelegenheit mit so einem Spieler erhält. Es gibt All-Stars, es gibt Leute, die jedes Jahr All-Star werden, Hall-of-Famer, und fast niemand von ihnen ist so gut, wie Kobe es war.

Und die Anerkennung führte gewissermaßen zum nächsten Job in Dallas.

Procopio: Fuck, yeah! Ich habe den Mavs sechs Jahre lang Geld gestohlen. Das war keine Arbeit, es hat mir großen Spaß gemacht. Wenn ich die Sache mit Kobe nicht gemacht hätte, wäre ich früher oder später hingegen nicht mehr im Basketballsport gewesen. Es hat mich zu den Mavs geführt, ich konnte deshalb meine Firma Hoops Consultants gründen. Was ist Geld? Geld ist etwas, das man bekommt und das einem dann wieder weggenommen wird. Dass jemand, der aussieht wie ich, von jemandem wie Kobe aufgesucht und engagiert wird, das ist einmalig, das nimmt mir keiner. Ich würde das für nichts auf der Welt eintauschen.