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NBA - Cognac in der Halbzeitpause, Massenschlägerei mit Fans: Wie Ron Artest seine Dämonen besiegte und zum Champion wurde

Ron Artest gewann 2010 mit den Los Angeles Lakers die Championship.
© getty

Ron Artest war einst der Bad Boy der NBA, der Hauptprotagonist in der wohl dunkelsten Stunde der Liga-Geschichte. Zeit seiner Karriere kämpfte er dabei gegen innere Dämonen an, die auch das Malice at the Palace befeuert haben dürften. Doch Metta Sandiford-Artest, wie er heute heißt, hat sich gewandelt - und wurde zum respektierten Champion.

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Diese eine Angst machte Ron Artest Senior schon wenige Jahre nach der Geburt seines ältesten Sohnes Sorgen. Die Angst, Ronald William Artest Jr. hätte das Temperament seines Vaters geerbt. Die Angst, dass dieses Temperament eines Tages dem begnadeten, aber hitzköpfigen Sprössling in die Quere kommen, womöglich sogar dessen komplette Karriere zerstören könnte. An einem Novemberabend 2004 wurde diese Angst fast zur Realität.

Die Abendstunden des 19. November sollten später als die vielleicht dunkelsten der NBA-Historie beschrieben werden, zusammengefasst unter dem geflügelten Begriff: Malice at the Palace. Diese vier Worte sollten auch Artest seine komplette Karriere begleiten, wie lange Zeit auch die Dämonen in seinem Inneren, die dieses Ereignis befeuerten.

Dabei war der 19. November 2004 eigentlich als Basketball-Fest geplant. Die aufstrebenden Indiana Pacers zu Gast bei den Detroit Pistons, der Herausforderer gegen den amtierenden Champion - natürlich live im nationalen Fernsehen übertragen. Bereits in der Vorsaison hatten sich die beiden Ost-Mächte einen harten Kampf in den Conference Finals geliefert, mit dem besseren Ende für die Pistons. Nun war Indy gewillt, dem Rivalen den Rang abzulaufen.

Die Voraussetzungen schienen vielversprechend: der spätere Hall of Famer Reggie Miller in den finalen Zügen seiner aktiven Laufbahn umringt vom jungen, aufstrebenden All-Star Jermaine O'Neal, dem kurz zuvor als letztes Puzzleteil verpflichteten Stephen Jackson und Artest, im Vorjahr Defensive Player of the Year und erstmals All-Star - aber eben auch ein unkontrollierbarer Heißsporn.

Machtdemonstration wird zum Desaster

In den ersten zwei Saisonwochen holte sich Indiana sechs Siege aus acht Spielen und auch die Partie in Detroit verlief wie am Schnürchen. Artest gab mit 17 Zählern im ersten Viertel den Ton an, im zweiten Durchgang setzten sich die Pacers bis auf 20 Punkte ab. Eine Machtdemonstration.

Als die Partie in der finalen Minute vor sich hinplätscherte, passierte es. Artest schubste Pistons-Big Ben Wallace bei dessen Korbleger in den Rücken. Ein hartes Foul, bei einer Pacers-Führung von +15 komplett unnötig. Wallace sah das ähnlich, er attackierte Artest, eine Rudelbildung brach los.

Doch während um ihn herum die Gemüter kochten, legte sich Artest auf den Anschreibetisch. Er folgte damit einer Anweisung seiner Therapeutin: durchatmen, bis zehn Zählen. Nicht die Nerven verlieren, wie es schon so oft zuvor in seinem Leben passiert war.

Malice at the Palace: Der dunkelste Moment der NBA

Doch es sollte wieder passieren. Ein Bierbecher, von einem Fan geworfen, traf Artest. Der Pacers-Forward sprang in die Zuschauerränge und attackierte den Fan, den er für den Übeltäter hielt. Seine Teamkollegen, insbesondere O'Neal und Jackson, folgten.

Die Rangelei auf dem Court kochte nun zu einer Massenschlägerei zwischen Fans und Spielern hoch. Es dauerte Minuten, bis die Pacers-Akteure in die Katakomben gebracht werden konnten, unter einem Regen von Getränkebechern und Popcorntüten von den Rängen.

"Eine Schande" nannte ESPN-Kommentator Mike Breen die Szenerie, wohlgemerkt nicht nur das Verhalten von den Indiana-Spielern, sondern auch das der Pistons-Fans. Doch die Pacers hatten nun den Ruf weg als "Schlägertypen", allen voran Artest. Commissioner David Stern sah sich gezwungen, hart durchzugreifen, er suspendierte den damals 25-Jährigen für die komplette restliche Saison.

Artest verpasste letztlich 86 Spiele inklusive Playoffs. Die Titelhoffnungen im Hoosier State lösten sich in Rauch auf. "Das Team war unglaublich. Jeder sagte damals, dass wir gewonnen hätten. Das hätten wir auch definitiv schaffen können", sagte Artest 2019 in einem Interview mit GQ. Noch Jahre später habe er sich Vorwürfe gemacht, den Pacers diese Chance zunichte gemacht zu haben.

Ron Artest: Die Dämonen einer schwierigen Kindheit

Es sind Szenen, wie sie sein Vater wohl schon Jahre zuvor in seinen schlimmsten Befürchtungen geahnt haben dürfte. Artest Junior wuchs in schwierigen Verhältnissen in der Sozialbausiedlung Queensbridge auf. Schon in jungen Jahren sah er auf den Straßen New Yorks Gewalt, selbst im eigenen Elternhaus. Er habe gelernt, er könne nur überleben, wenn er kämpft, so Artest.

Ähnlich wie später der Junior hatte auch sein Vater seine Nerven nicht im Griff. Ron musste dabei zusehen, wie der ehemalige Navy-Veteran und Amateur-Boxer seine Mutter schlug. Er selbst wurde bereits im Alter von acht Jahren zu einer Aggressionsbewältigungstherapie geschickt. Die Scheidung der Eltern sowie wenige Jahre später der plötzliche Tod seiner jüngeren Schwester waren zusätzliche, für den jungen Mann nur schwer zu verkraftende Schicksalsschläge.

Basketball diente als Ventil für seine Emotionen, doch Artest blieb ein Heißsporn. In der High School leistete er sich Wutausbrüche, schrie Mitspieler und Coaches an. Doch das Talent war zweifelsfrei vorhanden. Mit seiner physischen Spielweise und dem Drang, niemals aufzugeben, entwickelte er sich zu einem Lokalhelden, der sein College St. Johns in seinem Sophomore-Jahr ins Elite Eight führte.

Doch auf dem höchsten Level kam schon nach wenigen Jahren eine beeindruckende Sammlung an wilden Storys zusammen, die Artests Ruf spätestens nach den Geschehnissen im Palace of Auburn Hills negativ prägten.

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