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NBA - Spurs-Legende George Gervin im Interview: "Stephen Curry hätte in jeder Ära dominiert"

Legenden unter sich: George Gervin (l.) posiert mit Magic Johnson, David Robinson, Allen Iverson, Bill Russell und Julius Erving.
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Mit Curry hat nun ein sehr einzigartiger Spieler den Scoring-Titel gewonnen. Auch er hat das Spiel auf seine Art und Weise verändert. Was denken Sie, wie er zu Ihrer Zeit zurechtgekommen wäre?

Gervin: So wie Curry werfen kann, wäre er in jeder Ära großartig gewesen. Der Typ kann einfach zaubern mit dem Ball. Man findet normalerweise keine Spieler, die so werfen können wie er, und die sich diese Würfe selbst aus dem Dribbling erarbeiten. Häufig sind die Schützen ja aus dem Stillstand am besten, wenn sie den Ball nur fangen und abdrücken müssen. Aber Steph kann alles: Er trifft natürlich auch aus dem Stillstand, aber er hat auch dieses Pullup-Game. Er kann mit links und rechts am Korb abschließen. Er ist etwas Besonderes - und er hätte in jeder Ära dominiert. Ich sehe ihm unheimlich gerne zu.

Curry nimmt offensichtlich sehr viele Dreier. Das taten Sie nie, obwohl Sie zunächst ja in der ABA aktiv waren, die schon Jahre vor der NBA eine Dreierlinie einführte. Sie nahmen nie mehr als 1,3 Dreier pro Spiel. Denken Sie, das wäre heute anders?

Gervin: Ich glaube nicht, dass es heute der Schwerpunkt meines Spiels wäre. Ich mag es, zu treffen. Von der Dreierlinie trifft man nicht so viele Würfe, ich mag Konstanz und hatte andere Würfe, mit denen ich einfach sicherer war. Es ist natürlich sehr unterhaltsam, wenn man von so weit draußen schießt, aber in meiner Ära wurde einfach anders gespielt: Es war Inside-Out, die besten Abschlüsse waren diejenigen in Korbnähe. Heute wird Outside-In gespielt, es werden viel mehr Dreier genommen. Das ist einfach die Entwicklung, die von Spielern wie Curry vorangetrieben wird. Er ist ja nicht der Einzige: Damian Lillard, Kevin Durant, Klay Thompson, wenn er zurückkehrt, das sind eben einfach exzellente Schützen. Niemand wird ihnen sagen, dass sie zu viele Dreier nehmen.

George Gervin: "Ich habe diesen Wurf berühmt gemacht"

Sie hatten dafür den vielleicht besten - und sicherlich berühmtesten - Finger-Roll der NBA-Historie. Heute sieht man diesen eleganten Wurf nur noch sehr selten. Was denken Sie, woran das liegt?

Gervin: Weil es mein Wurf ist und ich nicht mehr spiele! (lacht) Sind wir ehrlich: Wenn Sie an den Finger-Roll denken, denken Sie zuerst an George Gervin. Das macht mich wirklich stolz und dankbar. Ich bin nicht der Erfinder dieses Wurfs, aber ich bin derjenige, der ihn berühmt gemacht hat.

Hat Sie seither irgendwann mal ein Spieler aufgesucht und gefragt, ob Sie ihm den Wurf beibringen? Hakeem Olajuwon wurde für sein Post-Game beispielsweise ja von vielen späteren Stars aufgesucht.

Gervin: Ich bin froh, dass Sie das fragen. Nein, mich hat nie jemand aufgesucht. In meinem ganzen Leben nicht! Aber das stört mich nicht: Ich habe gern mein eigenes Ding gemacht.

Haben Sie in der heutigen NBA einen Lieblingsspieler?

Gervin: Curry ist definitiv einer davon, Durant ebenfalls. Ich bin auch begeistert davon, wie James Harden sein Spiel über die Jahre transformiert hat. Er war in Houston zuletzt vor allem ein Scorer, in Brooklyn ist er ein überragender Playmaker und ein Scorer. Es gibt einige Jungs, bei denen ich versuche, so viele Spiele wie möglich zu sehen. Und es ist schwer, dabei dann nicht auch LeBron James zu nennen. Was er geleistet hat und wie er diese Ära prägt, ist faszinierend. Auch dieses Jahr darf man den Champ nicht abschreiben.

George Gervin wurde mit seinem Finger-Roll zu einem der besten Scorer der NBA-Geschichte.
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George Gervin wurde mit seinem Finger-Roll zu einem der besten Scorer der NBA-Geschichte.

George Gervin: "Das GOAT-Thema ist Ära-spezifisch"

Da Sie LeBron ansprechen: Sie haben für kurze Zeit mit Michael Jordan zusammengespielt, als dieser seine Karriere gerade startete, in der ABA spielten Sie auch mit Julius Erving zusammen. Sie wissen ja, das vor allem MJ und LeBron in jeder Debatte um den besten Spieler aller Zeiten auftauchen. Haben Sie eine Meinung dazu?

Gervin: Das GOAT-Thema ist Ära-spezifisch, finde ich. Es ist so schwer ... Ich habe immer gesagt, dass Kareem (Abdul-Jabbar, Anm. d. Red.) der Größte aller Zeiten ist, wegen all dem, was er erreicht hat. Aber ich weiß, dass ich da meinen persönlichen Blickwinkel habe. Julius war großartig, LeBron ist großartig, Mike war großartig. Aber dieses GOAT-Thema - es ist einfach schwer zu vergleichen. Es ist in erster Linie ein Thema, über das Leute reden, weil sie sich selbst gern reden hören.

Wie sieht es mit Spitznamen aus? "Iceman" muss ganz oben stehen, oder?

Gervin: Das gefällt mir. Ich kann nicht zustimmen, weil ich nicht so eitel bin, aber das gefällt mir wirklich. (lacht)

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