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NBA Above the Break: Muss bei den Boston Celtics der Panikknopf gedrückt werden?

Für Kemba Walker und Jayson Tatum läuft die Saison derzeit nicht wie gewünscht.
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4. Kemba Walker ist derzeit nicht Kemba Walker

In Walker gibt es normalerweise ein natürliches Gleichgewicht neben den beiden jungen Wings - einen erfahrenen Point Guard, der noch in der vergangenen Saison zu den besseren Clutch-Playern der Liga gehörte und eine quirlige Dynamik ins Spiel brachte, die sonst kein Celtic hatte oder hat (sorry, Payton Pritchard). Verletzungen haben Kemba schon in der vergangenen Saison zurückgeworfen und in den Playoffs arg eingeschränkt; derzeit stellt sich Besserung nur langsam ein.

Der 1,83 m große Walker lebte abgesehen von der Kreativität und dem Wurf in seinen besten Jahren vor allem davon, dass er unheimlich schnell war, mit seinem Ballhandling überall hinkam und rapide abstoppen konnte - diese Facette, diese Spritzigkeit fehlt seinem Spiel derzeit. Die nackten Zahlen sind schon mies, aber sie werden noch übler, je tiefer man blickt.

Noch nie verzeichnete Walker in seine Karriere weniger Abschlüsse in Korbnähe, derzeit sind es nur 18 Prozent seiner Würfe, dazu wird er öfter denn je geblockt. Im gesamten Zweierbereich ist Walker höchst ineffizient (37 Prozent!). Zu oft bekommt er nicht die gewünschte Separation und nimmt dann einen schweren Wurf, der kaum eine Chance hat.

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© nba.com/stats

Es ist in Boston durchaus erwünscht, dass Brown und Tatum die Topscorer sind - langfristig war das immer der Plan und selbst bei seiner Ankunft im Sommer 2019 hatte Walker gesagt, dass er nur da sei, um ihnen zu helfen. Dafür muss der 30-Jährige aber selbst mindestens eine verlässliche dritte Option sein, die er aktuell noch nicht ist, auch wenn sein Auftritt gegen Washington mit Season-High 25 Punkten in einer ansonsten erschreckenden Celtics-Mannschaft immerhin als Lichtblick diente.

Die Celtics predigen derzeit Geduld mit Kemba, was verständlich ist, schließlich wurde er während der kurzen Offseason noch operiert und debütierte erst am 17. Januar. Oft brauchen Spieler nach Verletzungen etwas Zeit, gerade solche, die körperlich für NBA-Verhältnisse nicht gerade dominant daherkommen.

Die Realität ist auch: Es gibt nicht wirklich eine Alternative für die Celtics. Walker verdient in dieser Spielzeit 34,4 Millionen Dollar, in den kommenden beiden Jahren sind es 36 respektive 37,7 Mio. Das Investment in Walker ist also enorm und ein Trade ist momentan auch keine Option - so niedrig wie jetzt dürfte sein Trade-Wert schließlich noch nie gewesen sein.

Was sind die Optionen der Celtics?

Die Hoffnung muss also lauten, dass Walker in Kürze wieder wie sein altes, Crossover-Stepback-Dreier-treffendes Ich aussieht und aus der Big Two in Boston eine Big Three macht. Kommende Saison beginnt der neue Vertrag von Tatum, dann verdienen Brown, Walker und er alle zwischen knapp 26 und 36 Mio. - das ist gemeinsam mit Smart also prinzipiell der Kern, über den die Celtics verfügen. Und, um das klarzustellen: Das ist ein guter Kern. Wenn Walker wieder All-Star-Form erreicht, ist es ein sehr guter.

Trotzdem gibt es aktuell einen Handlungsbedarf, der darüber hinausgeht, dass GM Danny Ainge den kolportierten Sign-and-Trade-Deal von Gordon Hayward für Myles Turner und Doug McDermott aus heutiger Sicht vermutlich gerne doch annehmen würde. Dass de facto Hayward und Terry Rozier für Walker nach Charlotte gegangen sind, müssen wir hier nicht breittreten.

Es gab in den vergangenen beiden Jahren einige Moves, die Ainge womöglich gern heute anders machen würde: Das Investment in Tristan Thompson etwa, oder Stand jetzt die Langford- und Nesmith-Picks. Fehler werden nach wie vor in jedem Front Office gemacht. Die Frage ist nun eher, wie die Celtics sich wieder hinausmanövrieren können.

Für Hayward, der selbstverständlich sofort nach dem Abschied aus Boston die beste Saison seiner Karriere aufs Parkett zaubert, haben die Celtics eine Trade Exception über 28 Mio. Dollar erhalten, die laut Ainge noch während der Saison eingesetzt werden soll. Fragt sich nur, welcher Spielertyp dafür realistischerweise geholt werden könnte.

TPE: Kein Star, eher Rollenspieler sind realistisch

Es ist eher unwahrscheinlich, dass Boston sich um ein "Star"-Kaliber wie etwa Nikola Vucevic bemühen wird, zumal man in den Luxussteuer-Bereich vorschießen würde, wenn die TPE komplett genutzt wird - mit einem zurückkommenden Gehalt von etwa 15,7 Mio. Dollar wäre man hingegen noch knapp unter dieser Grenze.

Realistischer erscheint es daher, dass Ainge versucht, einen oder vielleicht sogar zwei Veteranen ins Team zu holen, die dem Team in Sachen Tiefe weiterhelfen. Optionen wären Nemanja Bjelica, Thaddeus Young, P.J. Tucker, George Hill, vielleicht Otto Porter Jr. (wohl zu teuer) oder Al Horford (dito) ... allesamt Spieler, die nicht alles fixen würden, aber die Kompetenz im Kader definitiv steigern würden.

Interessant wird dabei auch sein, ob Ainge auf der einzigen Position, auf der derzeit ein Überangebot besteht (Center), etwas verändert - Thompson konnte die Erwartungen bisher nicht erfüllen und nimmt dabei Spielzeit vom potenziell interessantesten Big in Bostons Kader. Sein Gehalt von rund 9 Mio. Dollar ließe sich in Trades gut verwenden.

Robert Williams neigt bisweilen zwar zu haarsträubenden Fehlern, seine Athletik ist jedoch eine Komponente, die den Celtics ansonsten fehlt, und das Potenzial spricht zweifellos für den 23-Jährigen. Momentan ließe sich sogar dafür argumentieren, dass er nach Theis bisher Bostons konstantester Big Man war.

Die On/Off-Werte der Celtics-Bigs

SpielerMinutenNet-Rtg. ON CourtNet-Rtg. OFF Court
Daniel Theis623+3,4-0,6
Tristan Thompson559-1,4+4,3
Robert Williams298+0,7+2,2

So oder so: Panisch muss man in Boston derzeit noch nicht werden. Trotz der aktuell miesen Form ist es mehr oder weniger ausgeschlossen, dass die Playoffs nicht erreicht werden. Die Zukunft ist solange positiv zu bewerten, wie Brown und Tatum in Grün auflaufen. Auch in der jetzigen Zusammensetzung sind die Celtics nicht so schlecht, wie sie zuletzt ausgesehen haben - das war in den ersten Saisonwochen teilweise ja durchaus auch zu sehen.

Das Ungleichgewicht im Kader muss Ainge dennoch angehen und idealerweise zwei Wings dazuholen, die werfen können und dafür sorgen, dass Boston nicht permanent komplett abrauscht, wenn Tatum und Brown nicht gemeinsam auf dem Court stehen. Smart wird helfen, aber wie gesagt: Dünn ist das Team auch mit ihm.

Einen Allesfixer gibt es vermutlich nicht, aber es gibt einige kleinere Lösungen, die Boston zumindest dabei helfen würden, wieder mehr wie ein rundes, komplettes Basketball-Team auszusehen.

Der bestmögliche Spieler, den dieses Team im Lauf dieser Spielzeit dazubekommen könnte, ist wiederum ein gesunder Walker. Ihn wird es brauchen, will man nicht nur die Playoffs erreichen, sondern dort auch noch an die Vorsaison anknüpfen. Ob dieser Spieler zurückkommt, ist derzeit jedoch schlichtweg noch nicht abzusehen.

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