NBA

Beobachtungen zum NBA-Restart: Aufbruch in die neue Realität

Die Los Angeles Lakers knien vor ihrem Duell gegen die L.A. Clippers.
© getty

Die NBA hat einen bemerkenswerten Restart in die Saison 19/20 erlebt. Dass beide Spiele dabei absolute Krimis waren, ist allerdings nur ein Aspekt der Opening Night gewesen - und wohl nicht der wichtigste.

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Dass die erste Nacht des Restarts keine gewöhnliche Opening Night sein würde, war auf den ersten Blick und eigentlich natürlich auch schon im Vorfeld deutlich. Die Optik der Spiele war nicht nur aufgrund der fehlenden Fans eine andere, sondern auch aufgrund des immer präsenten Wissens, dass es dabei nicht ausschließlich um Sport ging.

Die politische, die soziale Botschaft war allgegenwärtig, schon vor den Spielen: Sowohl bei Pelicans vs. Jazz als auch bei Lakers vs. Clippers knieten während der Nationalhymne alle Spieler und Coaches, sogar die Schiedsrichter schlossen sich dem Protest an. Ein klares Zeichen: Die gesamte Liga steht zu Black Lives Matter, dieser Schriftzug prangt nicht einfach so auf den Courts in Disney World.

Das Knien während der Hymne ist dabei eigentlich laut NBA-Regularien verboten - in früheren Zeiten hat diese Art von stillem Protest auch bereits für Probleme gesorgt, das berühmteste Beispiel dafür ist Mahmoud Abdul-Rauf. Commissioner Adam Silver machte allerdings bereits Minuten nach dem ersten Protest deutlich, dass es in dieser Situation keine Sanktionen geben werde.

Adam Silver will Proteste nicht sanktionieren

"Ich respektiere den gemeinsamen Akt unserer Teams, um friedlich für soziale Gerechtigkeit zu protestieren", sagte Silver zu anwesenden Reportern. "Unter diesen einzigartigen Umständen werde ich davon absehen, unsere alte Regel, die es erfordert, während unserer Nationalhymne zu stehen, durchzusetzen." Natürlich wäre ihm auch nichts anderes übrig geblieben.

Viele Spieler begreifen sich als politische Akteure, die zwar da sind, um Sport auf hohem Niveau zu betreiben, die aber eben auch noch wichtigere Themen beschäftigen.

Donovan Mitchell fasste dies in einem Tweet simpel zusammen: "Großartiger Team-Sieg, fühlte sich gut an, zurück zu sein! Aber es wäre großartig, wenn @kyoag [Attorney General Daniel Cameron] die Mörder von Breonna Taylor verhaften würde!!!!" Mitchell hatte eine kugelsichere Weste mit in die Halle gebracht, auf der die Namen etlicher Menschen verewigt waren, die von der Polizei getötet wurden. "Als Afro-Amerikaner sind wir es leid, Angst zu haben", erklärte der 23-Jährige.

LeBron James will Colin Kaepernick stolz machen

LeBron James schlug nach dem Sieg seiner Lakers ebenfalls ernste Töne an und äußerte die Hoffnung, mit diesem geschlossenen Protest den früheren NFL-Quarterback Colin Kaepernick "stolz zu machen". Man wolle die große Plattform unbedingt nutzen, die sich beim Restart bietet.

Angesichts dieses ernsten Kontextes schien es beinahe schwer, sich auf das Sportliche selbst zu konzentrieren. Aber nur beinahe. Objektiv betrachtet hätten die Spiele zum Restart kaum besser sein können. Das Niveau war zwar ausbaufähig, doch beide Partien wurden erst in den Schlusssekunden entschieden, vor allem das L.A.-Duell trieb NBA-Twitter um wie zu besten (oder: normalen?) Zeiten.

Das Produkt wirkte auf den ersten Blick sehr anders. Tatsächlich konnte man recht viel Interaktion auf dem Court mitbekommen, auch die Spieler schienen sich daran erst gewöhnen zu müssen. Regelrecht befremdlich wirkten die virtuellen Fans, die via Zoom auf die Tribünen projiziert wurden - wer weiß, ob es dabei bleiben wird. Auch mit den musikalischen Einspielungen wird die NBA wohl noch herumexperimentieren, es gibt schließlich kein Handbuch für einen solchen Restart.

Die Los Angeles Lakers knien vor ihrem Duell gegen die L.A. Clippers.
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Die Los Angeles Lakers knien vor ihrem Duell gegen die L.A. Clippers.

LeBron vs. Kawhi: Immer noch fesselnd

Im Kern ist das Produkt jedoch weiterhin recht ähnlich zu dem, das Fans kennen und lieben. Wenn LeBron und Kawhi Leonard wie in der Schlussminute der ersten (und dann auch der zweiten) Halbzeit das Eins-gegen-Eins suchten, sich alles abverlangten und zwischenzeitlich noch den einen oder anderen Spruch mitgaben (Kawhis Version: "All ball"), dann ging es auf einmal nur noch darum. Dieses Duell im Vakuum ist packend genug, um fast alles andere für den Moment auszublenden. Es würde auch auf einer einsamen Insel funktionieren, warum also nicht auch in Disney World?

Die sportliche Aussagekraft des L.A.-Duells war ansonsten recht schwer zu bestimmen. Die Lakers konnten den Saisonvergleich mit dem Stadtrivalen ausgleichen, diesem fehlten allerdings auch die beiden besten Bankspieler. LeBron agierte nicht in Normalform, dafür wirkte Dion Waiters wie ein wertvoller Neuzugang und Kyle Kuzma verteidigte besser denn je (?). Anthony Davis ist ein Matchup-Albtraum für die Clippers, so viel ist immerhin sicher.

Sport und Politik koexistieren

Rein tabellarisch war das erste Spiel wichtiger, schließlich ist die Chance der Pelicans auf einen Playoff-Platz nun noch geringer geworden. Zion Williamson hatte zwar nicht offiziell, wohl aber inoffiziell ein Minutenlimit. Bei den Jazz entschieden die vermeintlichen Streithähne Mitchell und Rudy Gobert die Partie Spiel gemeinsam. Ist jetzt jeder Zwist vergessen?

NBA Western Conference: Das Rennen um Platz 8

RangTeamBilanz
8Memphis Grizzlies32-33
9Portland Trail Blazers29-37
10Sacramento Kings28-36
11New Orleans Pelicans28-37
12San Antonio Spurs27-36
13Phoenix Suns26-39

Echte Erkenntnisse sind zu diesem Zeitpunkt rar, aber zumindest Folgendes ist sicher: Die Liga ist offiziell zurück, und sie hat sich in vielerlei Hinsicht verändert. "Die 'Bleibt beim Sport'-Gruppe, die meint, dass man Politik von Sport trennen muss - all das ist jetzt bedeutungslos", sagte J.J. Redick. "Das geht nicht. Politik und Sport koexistieren jetzt. Und die Liga hat das erkannt."

Es ist eine unheimlich komplexe Situation, aus etlichen Gründen. Den ersten Schritt - den ersten Spieltag in der neuen Realität - haben die Liga und vor allem die Spieler jedoch gemeistert.

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