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WNBA - Deutsche Nationalspielerin Marie Gülich im Interview: "Wäre cool, der weibliche Dirk Nowitzki zu sein"

Marie Gülich wurde 2018 an 12. Position gedraftet.
© getty
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Im Anschluss an die ersten beiden WNBA-Saisons waren Sie 2018 in Italien und 2019 in Polen aktiv. Die WNBA-Saison streckt sich normalerweise von Mai bis Ende August/Anfang September. Während die Männer aus der NBA sich in der Offseason erholen, geht es für die meisten Spielerinnen nach Europa oder Asien, um im Ausland weiterzuspielen. Warum ist das so?

Gülich: Größtenteils liegt das daran, dass das Gehalt einfach nicht hoch genug ist, dass man nur eine Saison spielen kann und den Rest des Jahres frei hat. Das ist auch für mich der ausschlaggebende Grund - um finanziell über die Runden zu kommen. Zusätzlich bringt es mir natürlich sehr viel, in Europa zu spielen, weil ich hier mehr Spielzeit bekomme. Hier habe ich die Rolle als Leader und Scorer, die ich haben möchte. In der WNBA kann ich viel lernen und an meinen Fähigkeiten arbeiten. In Europa versuche ich, das umzusetzen und durchs Spielen besser zu werden.

Das ist sicherlich eine große körperliche und psychische Belastung.

Gülich: Körperlich geht es. Für mich ist es eher mental anstrengend, immer auf diesem competitive level zu sein, wenn ich nie eine richtige Pause bekomme. Ich musste lernen, mental auf mich aufzupassen und abzuschalten, wenn ich Zeit habe. Und dann natürlich wieder anschalten zu können, wenn ich es muss.

Anfang des Jahres wurde zwischen der WNBA und der Spielergewerkschaft ein neues CBA unterschrieben, das das Durchschnittsgehalt auf 130.000 Dollar anhebt. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in der WNBA?

Gülich: Sehr positiv. Es kann immer noch sehr viel getan werden, aber das neue CBA ist ein großer Schritt nach vorne. Zum einen wird das Gehalt von den Spielerinnen angehoben, was schon mal hilft. Zusätzlich gibt es neue Offseason-Möglichkeiten, zum Beispiel Praktika bei großen Unternehmen. So kann man auch andere Sachen machen, als in Europa zu spielen, und trotzdem Geld verdienen.

Sehen Sie diese Praktika auch als Option, sich auf die Karriere nach der Karriere vorzubereiten?

Gülich: Auf jeden Fall. Manchmal weiß ich gar nicht, was meine Interessen außerhalb vom Basketball sind, weil ich so viel Zeit mit dem Sport verbringe. Mit den neuen Angeboten kann ich nun überall reinschnuppern und vielleicht andere Leidenschaften für mich entdecken. Momentan kommt ein Praktikum für mich aber noch nicht in Frage, ich will mich auf Basketball konzentrieren. Aber so in zwei, drei Jahren will ich diese Optionen auf jeden Fall nutzen.

Marie Gülich über die Popularität der WNBA und Kobe Bryant

Wie schätzen Sie derzeit die Popularität der WNBA in den USA ein?

Gülich: In den vergangenen zwei Jahren hat die WNBA einen riesen Push bekommen, auch weil die Medien und die NBA-Spieler viel über die WNBA reden oder in den sozialen Medien über die Spielerinnen posten. Ich würde mir aber wünschen, dass es noch besser wird.

Kobe Bryant war vor seinem tragischen Tod ein starker Botschafter für den Frauen-Basketball. Wie wichtig sind solche prominenten Unterstützer für die WNBA?

Gülich: Solche Botschafter sind sehr wichtig. Vor allem Kobe war - oder ist immer noch - eine Legende und jemand, der sich für den Frauen-Basketball eingesetzt hat, ihn wertgeschätzt hat und damit authentisch war. Das macht einen riesen Unterschied, wenn die Leute sehen, das ist Kobe Bryant, der uns respektiert. Es ist wichtig für die WNBA, Promis oder NBA-Spieler zu haben, die betonen: Die Spielerinnen arbeiten so hart wie wir. Das sind gute Spielerinnen, das ist guter Basketball.

Ursprünglich hätte die WNBA-Saison am 15. Mai beginnen sollen, aufgrund der Coronavirus-Pandemie ist der Saisonstart aber auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Haben Sie Angst, dass die Coronakrise weitreichende Folgen auch für die WNBA haben wird?

Gülich: Momentan wird viel darüber geredet, ob die Saison überhaupt stattfindet. Ein bisschen Angst habe ich, aber nicht wegen meines Gehalts. Ich habe einfach große Lust zu spielen und würde gerne in die Saison starten.

Es kribbelt also schon wieder in den Fingern?

Gülich: Ja, auf jeden Fall. Jedes Mal, wenn ich koche oder auf irgendetwas warte, habe ich einen Ball in der Hand und spiele mit ihm. Ich glaube, meine Nachbarn hassen mich schon. (lacht)

Marie Gülich über den Meistertitel in Polen: "Gab Kuchen und Fake-Papp-Medaillen"

Bei Ihrer letzten Station in Polen bei Arka Gdynia waren Sie die Teamleaderin in Sachen Rebounds, Blocks und Feldwurfquote, Ihr Team ist ungeschlagen durch die Liga gerollt. Dann kam die Coronavirus-Pandemie. Konnten Sie den Meistertitel, der dem Team nach dem Abbruch der Saison zugesprochen wurden, dennoch ein wenig feiern?

Gülich: Eigentlich sind wir davon ausgegangen, unser letztes reguläres Spiel zu spielen. Aber am Tag vor dem Spiel haben wir eine Nachricht bekommen: "Die Saison wurde abgebrochen, ihr seid Meister. Herzlichen Glückwunsch." Das klang absurd, so etwas habe ich ja noch nie erlebt. Am nächsten Tag haben wir uns als Team getroffen, haben einen Kuchen, Fake-Papp-Medaillen und Luftballons organisiert. Wir konnten ein wenig feiern, aber es wurde schon sehr abrupt abgebrochen. Viele sind am nächsten Tag direkt abgereist, ich bin noch eineinhalb Wochen in Polen geblieben. Ich mochte es sehr gerne da und wusste auch nicht so genau, wo ich in Deutschland hin konnte.

Wo sind Sie mittlerweile gelandet und wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?

Gülich: Ich bin in Leverkusen, back to the roots. Momentan ist es ein bisschen schwer mit Basketball, aber ich nutze die Zeit, um mental an mir zu arbeiten. Ich habe einen Mental-Coach und einen Ernährungs- und einen Personal-Trainer, mit denen ich viel arbeite. Ich habe einen kleinen Kraftraum im Wohnzimmer aufgebaut und versuche, den Fokus auf Sachen zu legen, die während einer Saison schwer umzusetzen sind.

Sie stehen vor Ihrer dritten Spielzeit in der WNBA. Was sind Ihre persönlichen Ziele, sofern die Saison stattfindet?

Gülich: Erstmal wieder neu einfinden. Ich will weiter individuell an meinem Spiel arbeiten, zum Beispiel an meinem Dreipunktewurf, damit ich das Spiel als Fünf breitmachen kann. Ich würde natürlich auch gerne mehr Konstanz in meiner Spielzeit sehen, anstatt manchmal fünf, manchmal zehn, manchmal 20 Minuten oder manchmal gar nicht zu spielen. Ich habe nach dem Trade ein paar Mal mit Head Coach Derek Fisher geredet. Er ist jemand, der daran glaubt, viel zu rotieren. Für jemanden wie mich, der auf der Bank anfängt, ist das gut zu hören.

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