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WNBA - Deutsche Nationalspielerin Marie Gülich im Interview: "Wäre cool, der weibliche Dirk Nowitzki zu sein"

Marie Gülich wurde 2018 an 12. Position gedraftet.
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In Ihrem Senior-Jahr waren Sie schließlich der Star des Teams und wurden Pac12-Defensive Player of the Year. Im WNBA-Draft schlugen an Position 12 die Phoenix Mercury zu. Was sind Ihre Erinnerungen an den Moment, als Ihr Name vorgelesen wurde?

Gülich: Ich war Zuhause in Corvallis, Oregon, in meiner WG. Meine Teamkolleginnen waren da, meine Mitbewohner, mein Papa. Ich weiß noch genau, iIch war komplett nervös. Ich wusste, dass ich eventuell gedraftet werde, aber ich wusste nicht genau wann. Kurz bevor Phoenix an der Reihe war, habe ich eine SMS bekommen von deren General Manager: "Hey, we welcome you to the Mercury-family, excited to get you to Phoenix asap!" Dann saß ich da, habe auf mein Handy geschaut und dachte: Mmh, ist das jetzt wahr? Als der zwölfte Pick bekanntgegeben wurde, sind meine Teamkolleginnen und meine Mitbewohner völlig ausgerastet und ich saß einfach nur auf der Couch und dachte mir: Oh Gott. Krass. Am selben Abend habe ich mir bestimmt noch zehn, 20 Videos von Diana Taurasi und Brittney Griner reingezogen.

Taurasi und Griner sind zwei absolut Superstars bei den Mercury. Wie war es, gleich im ersten Jahr mit solchen Legenden aufzulaufen?

Gülich: Manchmal fehlen mir die Worte, das zu beschreiben. Am Anfang hatte ich enormen Respekt, nach einer Zeit gewöhnt man sich ein bisschen daran. Die Erfahrung, mit den beiden zu spielen, zu sehen, was sie machen und wie sie es machen, Diana trainieren zu sehen, ihre Körpersprache, die Art und Weise, wie sie sich darstellt, wie sie immer gewinnen will, das war schon etwas Besonderes. Ich habe viel von ihr gelernt. Sie ist sozusagen der Head Coach auf dem Spielfeld.

Taurasi gilt nicht nur als GOAT des Frauen-Basketballs, sondern auch als Trash-Talk-Queen. Haben Sie die ein oder andere Geschichte mit Ihr erlebt?

Gülich: So ein paar. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und kann auch mal frech sein. Aber eigentlich ist es immer eher amüsant und sehr lustig. Nur wenn die Referees nicht das pfeifen, was sie bekommen möchte, kann sie auch ein bisschen aggressiver werden. Aber das steht sinnbildlich für ihre Leidenschaft und ihren Willen, zu gewinnen.

Marie Gülich wurde 2018 an 12. Position gedraftet.
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Marie Gülich wurde 2018 an 12. Position gedraftet.

Kritik von Diana Taurasi? "Muss man wegstecken können"

Ging das nur gegen die Referees und Gegenspielerinnen oder mussten sich auch mal die Teamkolleginnen im Training ein paar Worte von Taurasi anhören?

Gülich: Meist hat sie das nur in den Spielen gemacht. Sie ist wirklich ein guter Teammate. Sie macht niemanden fertig, sondern gibt immer konstruktive Hinweise. Manchmal gab es aber Situationen, in denen ich auf dem Spielfeld stand und sie das Gefühl hatte, dass ich den Flow zerstöre. Dann hat sie auch mal gesagt: "Stop!" Da war für mich klar, ich muss jetzt mal kurz raus. (lacht) Aber das muss man wegstecken können und nicht persönlich nehmen. Ich hatte ein gutes Verhältnis mit ihr, deswegen war es für mich einfacher, damit umzugehen. Das lief alles auf einem professionellen Basketball-Level.

Auf der Center-Position war Griner vor Ihnen gesetzt, Sie kamen in Ihrer Rookie-Saison nur auf etwa 5 Minuten Einsatzzeit im Schnitt. Konnten Sie sich dennoch etwas von Griner abschauen, was Ihnen bei der Entwicklung geholfen hat?

Gülich: Auf jeden Fall. BG war immer sehr hilfsbereit. Sie hat mir am meisten geholfen im Scouting, wenn wir darüber gesprochen haben, wie wir die Gegnerinnen verteidigen. In der Offense war es schwierig, von ihr Tipps zu bekommen, weil sie einfach eine ganz andere Spielerin ist. Was ich in erster Linie von Griner gelernt habe, ist, Spaß beim Basketball zu haben und einfach ich selbst zu sein.

Marie Gülich über Vergleiche mit Dirk Nowitzki

Gab es nach dem Sprung in die WNBA mal Kontakt zu den deutschen Kollegen aus der NBA?

Gülich: Als ich gedraftet wurde, hat Dirk Nowitzki mir ein Video geschickt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Er hat gesagt, dass er sich freut und mir alles Gute wünscht. Das war aber der einzige Kontakt, den ich hatte.

Mit Deutschland und Basketball verbindet wohl jeder Amerikaner in erster Linie Dirk Nowitzki. Haben Sie sich Vergleiche als "weiblicher Dirk" anhören müssen?

Gülich: Das habe ich oft gehört, aber ich weiß nicht, ob ich mich mit ihm identifizieren könnte. Außer dass wir die gleiche Position spielen, beide blond sind, beide groß sind und deutsch ... aber das reicht den Amerikanern ja schon. Es ist ein tolles Lob, aber ich muss echt noch viel arbeiten, um so eine Karriere und so einen Weg zu gehen, wie er es gemacht hat. Er ist aber auf jeden Fall eine Inspiration und ein Vorbild für mich.

War er das auch schon in Ihrer Jugend, als sie mit dem Basketball anfingen?

Gülich: Ich hatte nie so richtig Vorbilder. Wenn man so jung ist als Mädchen, ist es schwer, sich mit einem Mann zu vergleichen, auch basketballerisch. Und da ich damals selbst nie den Gedanken hatte, nach Amerika zu gehen oder in der WNBA zu spielen, kam das mit den Vorbildern erst, als ich am College war. Erst da habe ich mir gedacht: Es wäre schon cool, ein bisschen die weibliche Form von Dirk Nowitzki zu sein.

Marie Gülich: Karrierestatistiken in der WNBA

SaisonTeamSpieleMinutenPunkteReboundsAssistsFG%3FG%
2918Phoenix Mercury235,01,51,00,148,3-
2019Atlanta Dream3111,33,32,70,636,132,0

Nach Ihrer Rookie-Saison wurden Sie von Phoenix nach Atlanta getradet, wo Sie deutlich mehr Spielzeit bekamen. Im Februar 2020 folgte jedoch der nächste Trade, dieses Mal zu den L.A. Sparks. Zwei Trades in zwei Jahren, Sie haben die unschönen Seiten des Business direkt kennengelernt ...

Gülich: Ich würde nicht unschön sagen. Es ist zwar nicht unbedingt ein tolles Gefühl, je nachdem wie der Trade passiert. Aber bisher hatte ich immer das Glück, dass die Teams, die für mich getradet haben, auch wirklich mein Potenzial und meinen Wert gesehen und speziell nach mir gefragt haben. Wenn die Coaches nach dem Trade mit dir reden und dir sagen, wir glauben, dass du unserem Team wirklich helfen kannst, dann hat das eine ganz andere Bedeutung.

Sie haben die Trades also nicht als Rückschlag aufgefasst?

Gülich: Genau. Es ist immer etwas enttäuschend, zu hören, dass man getradet worden ist, aber man muss das aus einer anderen Perspektive sehen. Das gibt mir mehr Optionen. Ich habe mit Taurasi und Griner zusammengespielt und viel von ihnen gelernt. Ich habe in Atlanta mehr Spielzeit bekommen, konnte ein bisschen mehr ausprobieren. Und jetzt in L.A. werde ich wieder mit vielen Veteranen zusammenspielen, wir haben einen wirklich krassen Kader. Ich freue mich auf die Herausforderung und die Möglichkeit, von ihnen zu lernen. Von daher denke ich, es gibt auch ganz viele positive Aspekte bei einem Trade.

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