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NBA - Daniel Theis von den Boston Celtics im Interview: Basketball-WM? "Wir haben es wirklich verkackt"

Daniel Theis und die deutsche Nationalmannschaft konnten bei der Basketball-WM in China 2019 nur selten begeistern.
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Es fällt auf, dass die Celtics auf einer Linie verteidigen und mit Engagement versuchen zu kaschieren, dass sie oft gewisse Größennachteile haben. Was ist der Schlüssel dafür?

Theis: Unsere defensive Aufstellung ist generell interessant. Kemba ist mit seiner Größe unter dem Schnitt, aber dafür haben wir sehr große Flügel wie Jaylen und Jayson, die dazu lange Arme haben. Wir sind mit diesem Team sehr agil, wenn jemand geschlagen wird, sind die Rotationen sehr schnell. Unser System ist darauf ausgelegt, auf alles eine Antwort zu haben. Jeder hat eine klare Rolle, die er ausfüllen soll. Das hilft sehr. Meine Rolle besteht ja oft darin, auszuhelfen. Ich weiß aber auch, dass mein Gegenspieler dann von jemand anderem übernommen wird. Wir hören nie damit auf, zu rotieren, damit wir keine leichten Punkte abgeben. Wenn wir das auf unserem Niveau abrufen, können wir daher wirklich ein gutes Defensiv-Team sein.

Dazu haben Sie mit Marcus Smart auch noch einen der besten Verteidiger der Liga im Team, der offiziell ein Guard ist, zur Not aber auch 2,20-m-Center im Post verteidigt ...

Theis: (lacht) Marcus ist irre. Er kann alle fünf Positionen verteidigen, er nimmt diese Herausforderungen auch sehr gerne an. Er nimmt das persönlich. Wenn er bei uns nominell als Power Forward spielt, lassen gegnerische Teams gerne gegen ihn aufposten. Wir denken da nur: Sollen sie probieren! Er ist zwar relativ klein, aber unheimlich kräftig, lässt keine einfachen Punkte zu. Dazu ist er ein Energiebündel, erledigt gerne auch die Drecksarbeit. Solche Spieler braucht man in seinem Team, die sich für alles aufopfern und jedem Ball nachspringen. Wir verteidigen in diesem Jahr grundsätzlich mit mehr Stolz. Auch Jaylen oder Jayson etwa bekommen ja mit, was Smart da macht, und sie wollen diese Anerkennung als Two-Way-Player. Jayson hat kürzlich nach unserem Spiel gegen die Clippers gesagt, dass er zu Kawhi Leonard und Paul George aufschaut, weil sie sowohl offensiv als auch defensiv so stark sind. Genau da will er auch hin.

Wenn Sie den Stolz schon ansprechen - fühlt sich Ihr Team wohler in der Rolle als "Underdog"? Die Erwartungen vor dieser Saison waren ja ganz andere als im Sommer 2018.

Theis: Ja und nein. Vergangenes Jahr haben wir das natürlich mitbekommen. Da galten wir in den Medien als Topfavorit im Osten, bevor wir auch nur einmal miteinander trainiert hatten. Als es dann nicht von Anfang an funktioniert hat, gab es vielleicht diese Einstellung: Wir machen das schon. Wenn die Playoffs anfangen, sind wir soweit. Diese Saison dagegen wurden wir teils gar nicht erwähnt, wenn es um Favoriten im Osten ging, da wurde nur von Milwaukee oder Philadelphia geredet, vielleicht noch Toronto oder Miami. Das ist auch verständlich. Es sind mehrere wichtige Leute weg, die großen Positionen gelten als Schwachstelle, das dämpft Erwartungen. Aber wir gehen bisher gut damit um. Es hat sicherlich geholfen, dass vier unserer Spieler mit Team USA unterwegs waren und Kemba da schon drei weitere Spieler kennenlernen konnte. Dazu sind wir "befreit" in die Saison gegangen. Wir haben unsere eigenen Ziele, aber vielleicht ist es doch etwas leichter, wenn man nicht noch von außen so viel Druck dazubekommt. Jetzt ist Milwaukee in der Situation, wo es vergangenes Jahr nicht gereicht hat und es nun überall heißt, es muss in die Finals gehen. Wir fühlen uns in unserer Rolle wohl, dass wir uns mehr auf uns konzentrieren können.

In Fan- und Medienkreisen wird dennoch weiter diskutiert, ob die Celtics sich noch vergrößern müssen, per Trade oder wie auch immer. Kriegt man das teamintern mit? Gerade auch als Big Man, der bisher ja eine starke Saison spielt?

Theis: Klar, das kriegt man mit. Das ist eben auch die NBA. Sobald die Trade-Phase losgeht, gibt es diese Diskussionen immer, gerade wenn es mal ein schlechtes Spiel gab. Grundsätzlich gibt es aber nicht mehr viele Teams, die klassisch mit großen Post-Spielern auflaufen, abgesehen von Indiana oder Philly. Und auch da ist es schwer - kaum ein Team hat jemanden, der Joel Embiid 35 bis 40 Minuten Eins-gegen-Eins verteidigen kann. Man braucht dafür so oder so das ganze Team und ich glaube nicht, dass das unser Problem sein wird, dass wir auf der Fünf ein bisschen klein sind. Wir haben so viele Leute, die man da reinwerfen kann. Wenn es doch mal Probleme gibt, sehe ich auch, dass Marcus Smart mal einen Embiid verteidigt, ihn einfach nur nervt und ihm einen anderen Look gibt. Das macht Stevens sowieso gerne. Wir haben ein gutes Team - wir haben mit Denver, Milwaukee, Miami, Toronto oder Dallas ja auch schon diverse Playoff-Teams geschlagen. Ich glaube nicht, dass wir noch diverse Trades brauchen.

Wenn man so klein und vielseitig aufläuft, sorgt man auf der anderen Seite ja auch für Matchup-Probleme.

Theis: Genau. Wenn wir bei Philly bleiben: Wenn bei uns Jaylen oder Gordon auf der Vier starten, heißt das auch, dass ein Al Horford in der Defensive einen kleineren, schnelleren Gegenspieler um Blöcke jagen muss. Das ist einfach ein Geben und Nehmen, was die Matchups angeht.

Für Sie persönlich: Was sind neben Embiid die Duelle, die am schwierigsten sind?

Theis: An erster Stelle steht eindeutig Anthony Davis. Weil er mit dem Ball umgeht wie ein Guard, auf so viele Arten scoren kann, der Wurf wird immer besser, er kann in den Post gehen, Pull-Ups treffen, das ist schon wirklich erstaunlich. Deswegen freue ich mich, wenn wir die Lakers in der Saison sehen, vielleicht sehen wir sie ja auch etwas später nochmal. Ansonsten war die vergangene Woche mit Back-to-Back Indiana und Philly schon tough. Domantas Sabonis, Embiid, Horford, das verlangt mir dann schon einiges ab. Aber das macht mir auch Spaß. Ich bin mittlerweile so selbstbewusst, dass ich sage, ich kann Eins bis Fünf verteidigen und es den Leuten schwer machen. Stoppen ist ein großes Wort, aber zumindest das erwarte ich.

Zum Abschluss noch eine Frage zum anstehenden Sommer: Nach der WM-Enttäuschung gibt es nun noch eine Chance, sich für Olympia zu qualifizieren, dafür müsste man sich Ende Juni in Split gegen Russland, Mexiko, Kroatien, Tunesien und Brasilien durchsetzen. Haben Sie eine Einschätzung zur Gruppe und planen Sie, dabei zu sein?

Theis: Erstmal haben wir Glück gehabt, dass wir bei der Auslosung nicht die härtesten Aufgaben bekommen haben. Die Olympia-Chance ist damit auf jeden Fall da. Bis jetzt plane ich, auf jeden Fall zu spielen. Das ist natürlich noch lange hin, ich hoffe, dass ich lange Playoffs spielen werde und dann direkt im Spielrhythmus weitermachen kann. Ich denke, dass es eine ähnliche Situation ist wie mit Boston im vergangenen Jahr. Wir sind mit hohen Erwartungen zur WM angereist und haben es dann als Team wirklich verkackt. Wir haben zum größten Teil wirklich schlecht gespielt und haben da etwas gutzumachen. Für uns alle bleibt es das Ziel, Olympia zu spielen, und ich denke, dass daher auch die meisten wieder zur Verfügung stehen werden. Das ist vielleicht eine einmalige Chance und ich möchte sie wahrnehmen.

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