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Dirk Nowitzki im Interview: "Als Influencer sehe ich mich nicht"

Von Alex Schlüter
Dirk Nowitzki hängt nach dem Spiel gegen Phoenix in der Kabine rum.
© getty
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Das galt auch für ihre Schulzeit in Würzburg. Am Ende konnten Sie froh sein, keine Ehrenrunde gedreht zu haben, oder?

Nowitzki: Stimmt, ein paar Jahre war es knapp. Als Teenager ist eben alles cooler als Schule gewesen, vor allem der Sport. In einem Jahr habe ich Basketball, Tennis und Handball gespielt. Da bin ich direkt nach der Schule zum Tennis und hatte am Abend noch Handball-Training. Da ist die Schule ein bisschen zu kurz gekommen. Meine Eltern meinten dann, dass ich eine Sportart sein lassen soll, und das war es für mich mit Handball. In der Schule wurde es danach tatsächlich ein bisschen besser, aber es war trotzdem ein Kampf für mich. Es gab auch die Überlegung, dass ich nach der zehnten Klasse aufhöre, vielleicht ein Jahr in die USA auf die High School gehe. Dann kam aber Holger Geschwindner, der das abgelehnt hat und gesagt hat: "Auf keinen Fall, du machst hier Abitur." Und das ging dann auch, trotz allem.

Gab es dann auch Absprachen mit den Eltern, dass Sie gewisse Dinge in der Schule erreichen müssen, damit Sie zum Training durften?

Nowitzki: Nein, so lief das nicht. Es war wichtig, dass ich in der Schule nicht den Anschluss verliere. Als sie damals mein Zwischenzeugnis in der elften Klasse gesehen haben, wurde ihnen ein bisschen anders und dann waren sie noch mehr hinterher. Ich bin dann auch zur Nachhilfe gegangen. Einmal war ich auf einem Lehrgang der Jugend-Nationalmannschaft und musste sogar einen eigenen Nachhilfe-Lehrer mitnehmen. Das war ein Konditions-Trainingslager in Oberstdorf und zwischen den Einheiten saß ich dann in einem Raum, wo ich Nachhilfe bekommen habe.

Waren Sie eigentlich ein ruhiger Schüler oder eher der Klassenclown?

Nowitzki: Ich habe auch damals immer meine Späßchen mit meinen Freunden gemacht. Da gab es dann auch immer mal einen Verweis wegen Schwätzen oder Stören des Unterrichts, aber das gehört eben dazu. Ich war auch recht populär, weil ich derjenige war, der immer Kaugummis dabeihatte. Das war natürlich auch verboten und gab immer mal Ärger. Zieht man das alles ab, war ich aber ein guter Schüler. (lacht)

Dirk Nowitzki und die jüngere Generation.
© Nike/getty
Dirk Nowitzki und die jüngere Generation.

Ohne Geschwindner hätten Sie also abgebrochen? Wie denken Sie im Nachhinein darüber?

Nowitzki: Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich durchgekämpft hätte. Rückblickend muss ich dankbar sein, dass Holger da zu mir kam und mich zur Schule gedrängt hat. Er hat mir jedes Jahr, zu Weihnachten oder zum Geburtstag, Bücher geschenkt und versucht, dafür zu sorgen, dass ich mich auch neben dem Feld weiterentwickele. Das war schon wichtig, dass ich noch ein zweites Standbein hatte. Wenn es unglücklich läuft, hole ich mir früh eine Knieverletzung und dann wäre der ganze Traum geplatzt gewesen. Deswegen war das Abitur Pflicht.

Als Teil der Bayern-Auswahl mussten Sie fast jedes Wochenende in die Sportschule in Grünwald, südlich von München, fahren. Haben Sie zwecks der Strapazen manchmal darüber nachgedacht, ihren Traum zu beerdigen?

Nowitzki: Ich wollte gar nichts anderes. Sport war mein Leben. Meine beiden Elternteile waren Sportler, ich bin quasi in der Halle aufgewachsen und Bällen hinterhergejagt, seitdem ich laufen konnte.

Kommt daher auch Ihr Wille, immer besser werden zu wollen?

Nowitzki: Gar nicht so sehr. Ich glaube, das lag eher daran, dass wir in einem großen Haus gewohnt haben. Ich war da immer der Jüngste, meine Schwester ist vier Jahre älter, dazu lebten bei uns auch ein Cousin und eine Cousine, die genau dazwischen lagen. Ich war dann oft zu klein, um mitzuspielen. Da hieß es: "Kleiner, setz dich mal an die Seite, du bist noch nicht so weit." Da musste ich mich durchsetzen.

Die Auszeichnungen von Dirk Nowitzki

AuszeichnungJahr
NBA Champion2011
NBA Finals MVP2011
NBA MVP2007
NBA All-Star14x (2002-2012, 2014, 2015, 2019)
All-NBA First Team4x (2005-2007, 2009)
All-NBA Second Team5x (2002, 2003, 2008, 2010, 2011)
All-NBA Third Team3x (2001, 2004, 2012)
NBA Three-Point Shootout Champion2006
NBA Teammate of the Year2017
FIBA World Cup MVP2002
FIBA World Cup Scoring Champion2002
FIBA EuroBasket MVP2005
FIBA EuroBasket Top Scorer3x (2001, 2005, 2007)
Europas Spieler des Jahres6x (2002-2006, 2011)
Silbernes Lorbeerblatt2011

Draußen vor der Halle in Würzburg ist ein Graffiti mit der Inschrift: "Alle Träume sind erstmal verrückt, bis du anfängst, sie wahrzumachen." Wie interpretieren Sie diesen Satz?

Nowitzki: Als ich angefangen habe mit Basketball, bin ich schnell wirklich ein riesiger Fan gewesen. Ich bin nachts aufgestanden, habe jedes All-Star Game und die Finals angeschaut, zu MJ-Zeiten. Da war dieser Traum, selbst irgendwann mal dazuzugehören, natürlich extrem weit weg. Es wirkte schon wie eine riesige Sache, auch nur einmal in der NBA mitzuspielen. Was daraus wurde, hätte ich natürlich nie ahnen können. Ich glaube, es ist für Kinder wichtig, zu träumen und zu versuchen, sich diese Träume auch zu verwirklichen. Natürlich wird nicht jeder in die NBA kommen, deswegen braucht man auch ein zweites Standbein. Aber so ein Traum ist etwas Positives. Wie es dann wird ... bei mir war natürlich auch viel Glück dabei. Ich habe zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute kennengelernt. Wenn Holger damals nicht in mein Leben gekommen wäre, wäre ich vielleicht bei Tennis oder Handball geblieben, vielleicht hätte ich Basketball gar nicht so verfolgt. Das weiß im Endeffekt niemand. Ich bin froh, wie es gelaufen ist.

Können Sie sich noch an Schlüsselmomente erinnern, als Sie Idole in der NBA trafen und stolz auf sich waren?

Nowitzki: Klar, das erste Spiel, gleich in Seattle gegen Detlef Schrempf, war schon toll, da ich auch ein Fan von ihm war, er hat mir auch gleich seine Nummer gegeben. Aber der absolute Wow-Moment war das vierte Spiel, als wir gegen Houston gespielt haben. Da waren mit Scottie Pippen und Charles Barkley gleich zwei meiner Idole in einem Team, Hakeem Olajuwon war da dann auch noch. Vor einem Jahr hatte ich noch für Würzburg in der zweiten Liga gespielt, nun ging es gegen plötzlich gegen die Besten der Welt. Da fragte ich mich, ob ich da wirklich hingehöre, ob ich das wirklich schaffen werde. Das erste Jahr war in der Hinsicht schon brutal.

Dirk Nowitzki spricht beim Nike Basketball Festival in Berlin.
© Nike/getty
Dirk Nowitzki spricht beim Nike Basketball Festival in Berlin.

Sie sprechen an, dass Schrempf Ihnen seine Nummer gab. Ähnlich machten Sie es dann später mit jungen Deutschen, unter anderem Dennis Schröder, die nach Ihnen in die NBA kamen.

Nowitzki: So nett wie der Detlef zu mir war, wollte ich das übernehmen. Im Endeffekt war mir das dann ein bisschen peinlich, ihm zu schreiben, deswegen hatten wir kaum Kontakt. Ich war aber nicht so selbstbewusst zu sagen, dass ich den Detlef nicht brauche. Ich wollte ihn nicht nerven mit meinen kleinen Problemen als Rookie. Ich hätte ihn häufiger kontaktieren sollen, das habe ich mir im Nachhinein gewünscht. Aber das hat mich dann dazu verleitet, es eben auch anzubieten. Heute haben alle jungen deutschen Spieler meine Nummer und wenn irgendwas ist, versuche ich jederzeit zu helfen.

Mit Schröder hatten Sie auch schon Kontakt, bevor er in die Liga kam, richtig?

Nowitzki: Genau, wir hatten damals ja auch einen recht hohen Pick und er war vor dem Draft mal in Dallas, als ich zufällig auch noch da war. Ich hatte ihn vorher noch nie spielen sehen, deswegen bin ich zu seinem Workout dagewesen und habe danach auch rund 20 Minuten mit ihm gequatscht. Wir haben dann Nummern ausgetauscht und seither hat er sich immer mal wieder gemeldet, zu NBA-Themen, zur Nationalmannschaft, allen möglichen Dingen. Wir hatten jetzt nicht super viel Kontakt, aber der Austausch war schon immer da.

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