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NBA Above the Break: Die Warriors-Defense, Twin Towers bei den Mavericks, Playmaker Kawhi Leonard

In der neuen Kolumne geht es unter anderem um Draymond Green, Kawhi Leonard und Kristaps Porzingis.
© getty
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Fred VanVleet, Starter

Nick Nurse hat nicht zuletzt in den Finals bewiesen, dass er zu den kreativsten und wohl auch mutigsten NBA-Coaches gehört, als er beispielsweise die legendäre Box-And-1-Defense gegen Stephen Curry auspackte und damit auch noch Erfolg hatte. Zum Saisonstart hat er nun mal wieder eine kleine Überraschung aus dem Hut gezaubert.

Fred VanVleet ist auf einmal Starter und komplettiert mit Kyle Lowry den derzeit kleinsten Backcourt der NBA: Lowry ist 1,85 m groß, VanVleet gar nur 1,83 m - zusammen formen sie also quasi einen Tacko Fall. Trotzdem funktioniert es bisher gut, in den gemeinsamen Minuten des Zwergen-Backcourts verfügen die Raptors über ein Net-Rating von +7,8.

Das ist einerseits keine Überraschung, weil die Raptors in den letzten Jahren oft Erfolg hatten, wenn beide Guards auf dem Court standen. Lowry ist trotz seiner Größe ein exzellenter Verteidiger, der auch gegen größere Wings dagegenhält (oder umfällt und Offensiv-Fouls annimmt), VanVleet ist eine Pest am Ball (einfach Curry fragen), und vorne ergänzen sich beide gut mit und ohne Ball.

Andererseits verwundert der Erfolg doch ein wenig, da sich die Umstände verändert haben. Es gibt keinen Kawhi Leonard mehr in Toronto, und die Kombination wird anders genutzt: In der letzten Saison waren Lowry-VanVleet-Lineups ein Stilmittel, nicht selten gegen die Bank des Gegners, 13,5 Minuten standen beide pro Spiel zusammen auf dem Court. In den ersten vier Spielen waren es schon insgesamt 120 Minuten, trotzdem konnte bisher keiner VanVleets Größe ausnutzen, im Gegenteil. Die Raptors-Defense funktioniert bisher herausragend (Platz 3: 96,7).

Womöglich wird sich das mal ändern, zumindest in vereinzelten Spielen. Ob VanVleet beispielsweise auch gegen die gigantischen Sixers starten kann, ist eine interessante Frage. Für den Moment überwiegen aber die positiven Eindrücke, auch wenn der einstige Sixth Man bei steigendem Volumen immer noch streaky ist. Aber Verteidiger respektieren seinen Wurf und seinen Drive, was ihm eine völlig andere Anziehungskraft verleiht als etwa Norman Powell, der "konventionellen" Lösung neben Lowry.

Die Statistiken von Fred VanVleet in der NBA

SaisonMinutenPunkteWürfeFG%3FG%Assists
16/177,92,9335,137,90,9
17/18208,67,242,641,43,2
18/1927,5119,44137,84,8
19/2038,81814,338,640,76,3

Durch die Weggänge von Leonard und Danny Green sind bei den Raptors viele Würfe freigeworden. Pascal Siakam nimmt einige davon, O.G. Anunoby auch, Spieler wie Lowry oder Marc Gasol werden ihr Naturell aber nicht mehr ändern und auf einmal Gunner werden. So bleibt viel für VanVleet übrig, der schon immer selbstbewusst war, in den Finals aber noch einen weiteren Schub bekommen hat.

So permanent aggressiv wie zum Saisonstart hat man den kleinen Guard bisher noch nicht gesehen, teilweise (etwa gegen Orlando) überdrehte er auch ein wenig. Offensichtlich will Nurse das grüne Licht für ihn aber anlassen, zumal es eben nicht so viele andere schusswütige Alternativen bei den Raptors gibt. VanVleet hat sich zu einem essenziellen Teil der Post-Kawhi-Raptors entwickelt.

Das Timing dafür könnte kaum besser sein. Im kommenden Sommer wird der 25-Jährige Free Agent - und zwar Unrestricted. Man darf gespannt sein, wie tief Masai Ujiri (oder jemand anderes) dann für den einst ungedrafteten VanVleet in die Tasche greifen wird.

James Harden und der wacklige Wurf

Diese Szene ist auf dem Niveau von Jokic vs. Whiteside (man beachte den Blick von Josh Hart!).

Sie steht sinnbildlich für den Saisonstart von Harden, der aktuell mit Backsteinen um sich wirft, als wolle er eine Mauer bauen: 40 Dreier in drei Spielen hat er versucht, sechs davon getroffen. Das macht 15 Prozent, und da fast zwei Drittel seiner Würfe aus dem Feld bisher Dreier waren, ist es bei der Gesamtquote kaum besser (28,6 Prozent). 16 Freiwürfe pro Spiel (!) bei 95,8-prozentiger Quote (!) retten Harden momentan fast im Alleingang die Ehre.

Sorgen machen muss man sich deswegen nicht. Harden ist noch nicht in der Saison angekommen, muss sich an die neuen "Points of Emphasis" der Schiedsrichter noch gewöhnen, wie vor allem seine 5 Offensiv-Fouls (!) gegen die Bucks demonstrierten. Er verfehlt gleichzeitig jede Menge Würfe, die er in der Vergangenheit getroffen hat.

Er wird sie auch wieder treffen. Jeder großartige Shooter erlebt seine Slumps, ob Reggie Miller, Ray Allen, Curry, J.J. Redick oder eben Harden. Wenn man sich in der Hinsicht um jemanden Sorgen machen möchte, ist das derzeit Mike Conley bei den Jazz, aber nicht Harden. Die in positiver Hinsicht albernen Boxscores werden schon sehr bald wieder zurück sein.

Wichtiger ist, dass Houston auch so ineffiziente Spiele von ihm gewinnen kann - und dass Russell Westbrook und er sich bisher durchaus ordentlich ergänzen, wenn man den Zeitpunkt berücksichtigt. Wenn Harden seinen Wurf erst findet, hat dieses Team zumindest offensiv enormes Potenzial.

Die nächste Evolutionsstufe von Kawhi Leonard

Dass die Clippers ziemlich gut sein würden, war im Sommer von wohl jeder Seite erwartet worden. Als einzige mögliche Schwachstellen wurden einerseits die Rim-Protection und andererseits das Playmaking ausgemacht - die Clippers hatten vermeintlich keinen Spieler im Kader, der für andere elitär Würfe kreieren kann.

Die frühen Saisonresultate zeigen etwas anderes. Einerseits ist der Pick'n'Roll-Tanz zwischen Lou Williams und Montrezl Harrell nach wie vor eine Augenweide und produziert automatisch Punkte, andererseits ist dieser Creator vielleicht doch im Kader. Denn in den ersten Clippers-Spielen hat Kawhi Leonard ein Passing Game gezeigt, das man so noch nicht von ihm kannte.

3,5 Assists pro Spiel waren bisher Leonards Top-Wert über eine Saison (16/17), derzeit sind es 7,5. Wichtiger als die Zahlen ist aber die Entstehung dieser Vorlagen: Leonard läuft in L.A. bisher über 10 Pick'n'Rolls pro Spiel als Ballhandler, bisher waren es nie mehr als 6,5.

Und er sucht dabei stärker den Pass als je zuvor; bisher war der eigene Abschluss hier fast immer die erste und zweite Option. Auch aus der Isolation heraus spielt er Pässe, die man in der Regelmäßigkeit bisher nicht von ihm gesehen hat.

Leonard ist seit Jahren ein Biest, wenn es um die Kreation eigener Würfe geht, die letzte vermeintliche Schwachstelle in seinem Offensivspiel war das Passspiel. Es ist noch zu früh, um das für abgeschlossen zu erklären, aber zu Beginn der Saison sieht es so aus, als habe er hier den nächsten (letzten?) Schritt vollzogen.

Nie war Leonard so gut darin, die Panik gegnerischer Defensiv-Teams, die durch seine eigene Gefahr entsteht, zu manipulieren und auszunutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Wenn man bedenkt, dass die Clippers ihm bald mit Paul George noch einen weiteren elitären Shooter an die Seite stellen werden, kann das alle anderen Teams nur alarmieren.

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