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NBA: Titelkandidaten 2019/20 - Die spannendste Liga seit Jahren

Von Robert Arndt/Philipp Schmidt
Die beiden Teams in Los Angeles haben für die kommende Saison kräftig aufgerüstet.
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Während sich die Veränderungen an der Spitze des Ostens wohl in Grenzen halten werden, steht der Westen vor einem größeren Umbruch: Abgesehen von den Suns und Grizzlies dürfen sich wohl alle Teams Chancen auf die Playoffs ausrechnen, auch an der Spitze ist die Ausgangslage offen wie selten. Neben den Lakers und Clippers, die kräftig aufgerüstet haben, hoffen andere auf Erfolg durch Kontinuität.

LOS ANGELES LAKERS

Kyle Kuzma, Lonzo Ball, Josh Hart, Mike Muscala, Lance Stephenson, Tyson Chandler. Diese Hoffnungsträger und Veteranen standen in der vergangenen Saison im Kader der Lakers, um die erste Playoff-Teilnahme seit der 2012/13 zu realisieren. Aufgrund der Verletzungspause von LeBron James und zahlreichen internen Querelen scheiterte dieses Vorhaben krachend, elf Siege fehlten zu den Clippers auf Rang acht.

Folglich unternahm das Front Office in der Offseason alles, um LeBron im Herbst seiner Karriere ein Team zur Seite zu stellen, mit dem ein tiefer Playoff-Run möglich ist. Dies gelang zumindest in Teilen: Mit Anthony Davis kam per Trade ein zweiter Superstar in die Stadt der Engel (für einen beachtlichen Gegenwert), im Werben um Free Agent Kawhi Leonard zog man jedoch den Kürzeren.

Schnell wurden die offenen Kaderplätze mit erfahrenen Spielern wie Danny Green, Jared Dudley, Rajon Rondo oder DeMarcus Cousins gefüllt, wobei insbesondere Green überbezahlt wurde (2 Jahre/30 Mio. Dollar). Dennoch: Einen Kern um James, Davis und einigen soliden Rollenspielern sollte niemand unterschätzen, wenn es im April 2020 in die heiße Phase der Saison geht. Zweifel sind dennoch vorhanden.

LOS ANGELES CLIPPERS

Den 5. Juli 2019 wird im Umfeld der Los Angeles Clippers niemand so schnell vergessen: Neben Kawhi Leonard, der wie erhofft aus Toronto kam, sorgten Präsident Lawrence Frank und Berater Jerry West für einen weiteren Paukenschlag und lockten außerdem Paul George mit einem irren Tradepaket nach L.A.

Dass hierfür 5 (!) Erstrundenpicks sowie ein sehr interessanter Spieler (Shai Gilgeous-Alexander) abgegeben werden mussten, ist hart - aber absolut vertretbar. Nur so war schließlich die Verpflichtung von Kawhi möglich. Die Akquisitionen von Rodney McGruder und Moe Harkless sorgen für zusätzliche Tiefe auf dem Flügel.

Ansonsten wurden mit Patrick Beverley, Lou Williams, Ivica Zubac und Montrezl Harrell wichtige Puzzleteile aus der Vorsaison gehalten, die bereits in der Postseason 2019 gegen die Warriors ihre Playoff-Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben. Nun ist es an Doc Rivers, diese mit den Neuzugängen zu einem funktionieren Gebilde zusammenzufügen - und die in der Vergangenheit durchaus verletzungsanfälligen Kawhi und PG-13 durch die reguläre Saison zu bringen.

Gelingt das, kann es in der kommenden Saison ganz weit nach oben gehen.

HOUSTON ROCKETS

Die Rockets sind zum jetzigen Zeitpunkt eines der großen Fragezeichen der Western Conference. Qualität ist mit James Harden, dem Zweitplatzierten der MVP-Wahl, und (einem alternden) Chris Paul ohne jeden Zweifel vorhanden. Gerade letzterer bereitet aber Sorgen, da ihm sein Vertrag in den kommenden drei Jahren noch 124 Millionen Dollar einbringen und die Leistungskurve wohl eher einen unschönen Trend einschlagen wird.

Dass die Rockets mit dem jetzigen Kader ein Playoff-Team, aber wohl kein Topfavorit auf den Titel sind, ist wohl auch GM Daryl Morey bewusst, weshalb Houston (neben den favorisierten Heat) als Destination für Russell Westbrook gilt. Aber: Ein Lineup mit Harden, Paul und Westbrook ist nur schwer vorstellbar, einen Tausch von Paul gegen Westbrook hat Morey ausgeschlossen.

Vom Thunder-Guard einmal abgesehen kursieren in Texas schon seit längerem Trade-Gerüchte um (fast) das komplette Team. Die Rockets könnten beispielsweise Clint Capela, Eric Gordon und/oder P.J. Tucker abgeben, um den Kader an anderen Stellen zu verbessern. Darunter würde wiederum jedoch die Tiefe leiden. Als brauchbare Rollenspieler stünden ansonsten nur noch Austin Rivers, Danuel House und Gerald Green zur Verfügung. Genug, um den Teams aus Los Angeles Paroli zu bieten?

UTAH JAZZ

Dass man auch mit einer vergleichsweise ruhigen Offseason einen riesigen Schritt nach vorne machen kann, haben die Utah Jazz unter Beweis gestellt. Früh wurde mit Mike Conley der Wunschspieler für die Point-Guard-Position an Land gezogen, der ein üppiges Salär bezieht (noch 2 Jahre/67 Mio. Dollar), aber als Floor General und guter Schütze perfekt ins Schema der Jazz passt.

Gleiches lässt sich über Bojan Bogdanovic (4 Jahre/73,1 Mio. Dollar) sagen, der für Spacing sorgt und auch in der Defensive seine Tauglichkeit unter Beweis gestellt hat. Zusammen mit den klugen Signings von Ed Davis, Emmanuel Mudiay und Jeff Green zu geringen Konditionen kommt das Team aus Salt Lake City trotz des Abgangs von Derrick Favors überaus ausgewogen daher.

Fügt man die Anführer Donovan Mitchell, Rudy Gobert und Joe Ingles hinzu, ergibt dies eine Mannschaft, der in der Regular Season gute Karten eingeräumt werden müssen, um um die Top-Plätze mitzuspielen. Ob mit dem Kader-Upgrade ein besseres Abschneiden in der Postseason möglich ist, steht auf einem anderen Stern.

GOLDEN STATE WARRIORS

Wie Houston steht auch das Team aus der Bay Area am Scheideweg: Während die Rockets jedoch verzweifelt versuchen, mit James Harden in seiner Prime das Titelfenster zu maximieren, besinnen sich die Warriors zurück zu ihren Wurzeln. Nach dem zu erwartenden, aber dennoch enttäuschenden Abgang von Kevin Durant entschieden sich die Warriors gegen allzu großen Aktionismus und gehen mit dem Kern um Stephen Curry, Klay Thompson und Draymond Green in die Zukunft.

Thompson erhielt trotz Kreuzbandriss seinen Maximal-Vertrag und kündigte bereits an, seine Karriere in Golden State beenden zu wollen. Der Abgang von KD wurde klug aufgefangen, indem GM Bob Myers einen Sign-and-Trade mit den Brooklyn Nets einfädelte, um D'Angelo Russell unter Vertrag zu nehmen. Der All-Star soll den Ausfall von Thompson auffangen, auch wenn ihm dies aufgrund seiner Defense und Shooting-Schwankungen nur in Teilen gelingen wird.

Der Verlust von Wortführer Andre Iguodala sowie DeMarcus Cousins und Quinn Cook beraubt die Warriors zusätzlicher Alternativen. Hier liegen die Hoffnungen auf Kevon Looney, mit dem zu günstigen Konditionen verlängert wurde, oder auch Willie Cauley-Stein, Alec Burks sowie Rookie Jordan Poole.

Ziel muss es sein, in der Regular Season um den Heimvorteil zu kämpfen und in den Playoffs mit einem hoffentlich gesunden Thompson das Maximum herauszuholen. Aus dem Kreis der Top-Favoriten werden sich die Dubs dieses Jahr aber wohl verabschieden müssen.

DENVER NUGGETS

Wenig Neues gibt es in der Mile High City, was unterschiedliche Gründe hatte. Zum einen befindet sich ein Großteil des Kaders - Paul Millsap stellt hier die Ausnahme dar - kurz vor oder in seiner Prime, zum anderen wurde nach Nikola Jokic im Vorjahr nun ein weiterer Leistungsträger langfristig (und teuer) gebunden: Jamal Murray verdient ab 2020 über fünf Jahre 195,7 Millionen Dollar.

Dies verschafft den Nuggets, die quasi mit dem selben Team in der vergangenen Saison die zweitbeste Bilanz im Westen einfuhren, Planungssicherheit und erlaubt es dem Trio um Jokic, Murray und Gary Harris, einen weiteren Entwicklungsschritt zu machen. Auch die Verpflichtung von Jerami Grant für einen Erstrundenpick an die Thunder macht absolut Sinn und gibt Coach Michael Malone eine weitere athletische Option für den Flügel.

Den Nuggets steht eine tiefe Rotation zur Verfügung, da Juan Hernangomez und Malik Beasley weiter unter ihren Rookie-Verträgen spielen und Monte Morris sowie Torrey Craig unterbezahlt sind. Zudem sehnt sich Denver nach dem Debüt von Michael Porter Jr., der seine komplette Rookie-Saison verletzungsbedingt verpasste. Sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft sind die Nuggets vielversprechend aufgestellt.

PORTLAND TRAIL BLAZERS

War es reiner Aktionismus oder verfolgen die Blazers wirklich einen tiefergehenden Plan? Diese Frage stellten sich viele Experten, nachdem sich Portland in den Vier-Team-Trade um Jimmy Butler einklinkte und für Meyers Leonard und Maurice Harkless Hassan Whiteside von den Heat erwarb. Der Big Man kassiert im kommenden Jahr 27 Millionen Dollar, bevor er Unrestricted Free Agent wird.

Da Jusuf Nurkic nach seiner schweren Beinverletzung voraussichtlich bis mindestens Februar ausfällt, macht eine Verstärkung unter dem Korb durchaus Sinn. Zu riskant wäre es, (dem verbesserten) Zach Collins hier die alleinige Verantwortung zu geben.

Inwiefern aber ein inkonstanter und spielerisch nicht optimal zu Damian Lillard und C.J. McCollum passender Whiteside einen Fortschritt darstellt, darf bezweifelt werden. Immerhin verbindet Point Guard und Center eine gute Freundschaft, Probleme in der Kabine wird Whiteside also wohl eher nicht machen.

Mit Leonard und Harkless opferte man brauchbare Bankspieler, deren Verlust aber immerhin durch Kent Bazemore und Mario Hezonja aufgefangen wurde. Auf dem Flügel bleibt Portland aber dünn besetzt. Eine Wild Card ist zudem Rookie Nassir Little, der überraschend fast bis ans Ende der ersten Runde fiel (25.). Dennoch: Im Kampf um die Spitze der Western Conference kommt dem Team aus Oregon nur eine Außenseiterrolle zu.

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