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NBA: Der Aufschwung der San Antonio Spurs: Das Chamäleon der Liga

Gregg Popovich steht auf Platz drei der erfolgreichsten Coaches aller Zeiten.
© getty

Die San Antonio Spurs erwischten keinen guten Start in die Saison, sind aber erneut auf Playoff-Kurs. Dies galt vor der Spielzeit nicht als sichere Sache. San Antonio überzeugt dabei mit Old-School-Basketball, geht aber gleichzeitig auch mit der Zeit - wie schon so oft.

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Wie oft haben Experten, Fans und Journalisten die San Antonio Spurs in den vergangenen Jahr(zehnt)en abgeschrieben? Eine Hand reicht dafür wohl nicht mehr. Viele waren sich aber im Sommer endgültig einig: Zum ersten Mal seit dem Draft von Tim Duncan 1997 werden die Jungs vom Alamo River die Playoffs verpassen, vor allem in dieser unglaublich tiefen Western Conference.

Hauptgrund war natürlich der Trade von Kawhi Leonard, aber auch die Abgänge von Tony Parker und Manu Ginobili (Karriereende) wurden genannt. Die einstige Spurs-DNA bestand nur noch auf dem Papier oder anders gesagt wurde sie durch drei Personen vorgelebt: Patty Mills, General Manager R.C. Buford und Head Coach Gregg Popovich.

Und zu Beginn lief auch nur wenig zusammen. Nach einem guten Start fanden sich die Spurs auf Platz 14 im Westen wieder, dazu sorgte Popovich mit seinen Aussagen zum modernen Basketball für Aufsehen. "Das ist einfach nicht mehr schön, sondern richtig langweilig", fasste Pop die Inflation des Dreiers Ende November zusammen und erklärte, dass er den Distanzwurf schon vor 20 Jahren gehasst habe.

Spurs: Umschwung nach Klatschen

Bei 10-12 und standen die Spurs zu diesem Zeitpunkt und hatten gerade vernichtende Niederlagen in Minnesota und gegen Houston kassiert. Die Rockets schenkten San Antonio 22, die Wolves 18 Dreier ein, die Spurs erzielten zusammen in beiden Spielen gerade einmal 18.

Mit einer solchen Formel war es natürlich schwer, Spiele zu gewinnen, auch weil die Defense San Antonios unter den letzten Fünf rangierte. Dennoch gewannen die Texaner nach diesen beiden Klatschen 14 von 22 Partien und schnuppern inzwischen sogar am Heimvorteil im Westen. Im Moment liegen die Spurs im Westen auf Platz sieben, doch der Rückstand auf die Clippers auf Platz vier beträgt gerade einmal ein Spiel. Was ist also passiert, dass San Antonio wieder voll mit dabei ist?

Spurs sind aus allen Lagen brandheiß

Auf den ersten Blick eigentlich nicht viel. DeMar DeRozan und LaMarcus Aldridge nehmen weiterhin zusammen im Schnitt 13,5 Würfe pro Spiel aus der Mitteldistanz, als Team sind es sogar 23,5 Versuche. Seit dem 1. Dezember sind die Spurs aber auch das Team, welches diesen eigentlich ineffizienten Wurf am besten trifft (47 Prozent).

Das gilt übrigens auch für alle anderen Bereiche auf dem Feld. Die Spurs treffen in der Zone, aus den Ecken und von der Birne besser als jedes andere Team in der kompletten Liga und stellen mit einem Offensiv-Rating von 115,7 in diesem Zeitraum den zweitbesten Angriff der Association (und da ist bereits die furchtbare 86-Punkte-Performance in Memphis inkludiert). Dies ist durchaus bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Spurs die wenigsten Abschlüsse in direkter Ringnähe nehmen (19,2 pro Spiel).

Popovich macht mit dieser Ausgabe der Spurs das, was ihn über seine komplette Karriere so einzigartig gemacht und ihn zu 1.214 Siegen in der Regular Season geführt hat - er passt sich seinem Personal an. Mit Duncan und Co. wurde langsam und viel über den Post gespielt, als The Big Fundamental älter wurde, bekamen Parker und Leonard die Schlüssel, was zu jeder Menge Ball Movement, Eckendreier und der Meisterschaft 2014 führte.

Midrange-Game mit DeRozan und Aldridge

In dieser Saison wandelt sich das Spiel der Spurs offensiv sogar während der Spiele, die Rotationen sind exakt auf das Spielermaterial abgestimmt. Mit LMA und DeRozan auf dem Feld ist San Antonio dieses scheinbar altbackene Team, welches viel aus der Mitteldistanz operiert, weil es die Stärken der beiden Stars sind.

Mit 33 und 29 Jahren wird man beide Spieler nicht mehr ändern, dafür optimiert Popovich die Stärken der beiden. Aldridge darf im Post operieren und fiel einige Male auch als Spielmacher auf, wenn das Double-Team kam. DeRozan hingegen agiert, ähnlich wie in Toronto, als Pick'n'Roll-Ballhandler, wo er zwar noch nicht ganz so effizient ist, dafür aber als Passgeber hervorragend in Erscheinung tritt (6,2 Assists pro Spiel, Career High).

In Toronto nahm der Shooting Guard noch 3,6 Dreier pro Spiel, inzwischen hat er dieses Tool wieder fast komplett eingestaubt (1 Versuch pro Spiel, 17,5 Prozent).

Spurs: Ein Team, zwei Spielstile

Doch dann gibt es auch noch die andere Version der Spurs - nämlich mit einem oder beiden Stars auf der Bank. Die Rollenspieler und Reservisten überzeugen seit einigen Wochen durch die Bank weg. Spieler wie Bryn Forbes, Derrick White, Davis Bertans (oder auch Jakob Pöltl) sind mal wieder bester Anschauungsunterricht für den Rest der Liga, wie man einige Rollenspieler entwickeln kann.

Angeführt von Spurs-Urgestein Mills zählt die Bank zu den besten der Liga und dabei spielt der angeblich fehlende Dreier keine Rolle mehr. Das Tempo zieht an, aus Midrange-Jumpern werden Dreier. Gleich vier Reservisten und insgesamt sieben Spieler nehmen mehr Distanzwürfe als DeRozan, vier davon versuchen mindestens vier Triples pro Partie (und treffen diese zu mindestens 36 Prozent).

So wird der Gegner im Prinzip dazu gezwungen, zwei verschiedene Game Plans vorzubereiten, zu sehr unterscheiden sich die Spiele.

Die Rollenspieler der Spurs

Spieler3PA3P%Net-Rating
Bryn Forbes5,142,8-1,3
Marco Belinelli4,836,23,2
Patty Mills4,339,66,6
Davis Bertans3,946,67,9

Spurs: Neues Defensiv-System bringt Erfolg

Noch viel eindrucksvoller ist jedoch die Transformation in der Verteidigung, die zu Beginn so furchtbar war, auch weil im Kader eben keine echten Stopper stehen. Natürlich hilft es der Defense ungemein, wenn der Gegner erst einmal den Spalding aus dem Korb fischen muss und sich formieren kann, doch die Spurs passten ihr defensives System auch während der Saison an.

Popovich versuchte es zum Saisonstart wie im Jahr zuvor mit vielen Switches beim Pick'n'Roll, doch dieser Plan ging aufgrund des fehlenden Personals gewaltig in die Hose.

"Wir haben am Anfang versucht, es so einfach wie möglich zu halten", erklärte Mills den verpatzten Start. "Das war auch richtig, weil wir so viele neue Spieler im Team hatten." Mittlerweise sind aber alle akklimatisiert und die Spurs haben ihr System geändert, es wird wieder mehr 'Ice' gespielt, das Erfolgsrezept der 2014er Helden, bei dem sich alle fünf Spieler auf dem Feld gegenseitig helfen müssen.

"Ich denke, das war wichtig, damit wir alle konzentriert bleiben und im Verbund verteidigen", unterstützte Mills die Maßnahme. "Wir sind jetzt viel konstanter, keiner will in der Defense bloßgestellt werden. Wir können über Team-Defense reden, so viel wir wollen, aber wenn jemand individuell toll verteidigt, muss das Team gar nicht viel helfen."

Derrick White der nächste klassische Spurs-Spieler

Ein gutes Beispiel dafür ist White, der den Beginn der Saison mit einer Verletzung verpasste, nun aber auf der Drei den Starter gibt. Wie er im Spiel gegen die Raptors Kawhi leidenschaftlich verteidigte und teils kalt stellte, war beeindruckend. "Er wächst mit seinen Aufgaben", staunte auch Popovich nicht schlecht.

"So eine große Rolle hatten wir für ihn gar nicht vorgesehen, aber er hat sich Woche für Woche gesteigert und wird immer selbstbewusster. Die Jungs vertrauen ihm immer mehr und das freut mich wirklich für ihn."

Es spricht erneut für die Spurs, dass sie aus einem No.30-Pick einen echten Rotationsspieler geformt haben. So kann man schnell vergessen, dass mit Dejounte Murray der große Hoffnungsträger die komplette Spielzeit ausfallen wird. Trotz aller Umstände ist San Antonio erneut ein ernstzunehmendes Team im Westen, wenn auch vielleicht nicht mehr der Contender früherer Jahre.

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