NBA

Michael Carter-Williams bei den Houston Rockets: X-Faktor ohne Risiko

Von Lennart Gens
Michael Carter-Williams wird in der kommenden Saison für die Houston Rockets auflaufen.
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Michael Carter-Williams hat in seinen fünf NBA-Jahren schon ziemlich viel erlebt. Der einstige Rookie of the Year ist binnen kurzer Zeit zu einem Minimum-Spieler geworden - und kämpft bei den Houston Rockets jetzt schon um seine NBA-Zukunft. Das könnte allerdings eine große Chance für beide Seiten werden.

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"In fünf Jahren möchte ich All-Star und einer der besten Spieler der Liga sein." Diese Worte stammen vom Draft Combine 2013. Michael Carter-Williams wird umringt von vielen Mikrofonen und Aufnahmegeräten. Er wirkt selbstbewusst. Ein Spieler, der von seinen Stärken überzeugt ist. Zwölf Monate später ist er frisch gekürter Rookie of the Year, für viele der künftige Franchise-Player der Philadelphia 76ers und auf dem besten Wege, seine Ziele zu erreichen.

Im Sommer 2018 liegen seine Worte etwas über fünf Jahre zurück und Carter-Williams hat einen Minimum-Vertrag bei den Houston Rockets unterschrieben. Der amtierende West-Vize ist dabei sein fünftes Team in drei Jahren und die nächste Hoffnung auf einen Neustart seiner Karriere.

Von einem All-Star ist MCW momentan so weit entfernt wie die Warriors von einem Rebuild. Und doch erhoffen sich die Rockets eine entscheidende Rolle von ihm - womöglich mit Recht?

Michael Carter-Williams: Verheißungsvoller Beginn

22 Punkte, 12 Assists, 7 Rebounds und 9 Steals. Gleich in seinem Debüt ließ Carter-Williams die NBA-Welt aufhorchen. Dass diese Statline auch noch gegen den frischgebackenen Meister aus Miami um LeBron James aufgelegt wurde, zeigte das Potenzial, das der elfte Pick aus dem Draft damals besaß.

Ironischerweise machte MCW das beste Spiel seiner Karriere direkt im ersten Auftritt. Umso passender scheint es, wenn man heute resümiert, dass es von da an eigentlich nur noch bergab ging. So ganz richtig ist das aber natürlich nicht, denn seine Rookie-Saison beendete Carter-Williams mit durchschnittlich 16 Punkten, 6 Assists und 6 Rebounds - abgesehen von Magic Johnson und Oscar Robertson schaffte das kein anderer Spieler in seiner ersten NBA-Saison.

Dementsprechend dachten damals viele Leute in Philly, den zukünftigen Franchise-Player der Sixers gefunden zu haben. Gemeinsam mit dem an Nummer sechs gezogenen Nerlens Noel galt die Franchise als gut aufgestellt für die Zukunft. Dennoch heißen die Hauptprotagonisten vom 'Process' heute Ben Simmons und Joel Embiid - sowohl Noel als auch Carter-Williams sind schon lange kein Teil mehr davon.

Der Absturz: Selbstzweifel und falsches System

Die oftmals so schwierige zweite Saison wurde auch für Carter-Williams zum Verhängnis. Seine Zahlen waren zwar kaum schlechter als im Rookie-Jahr, der nächste Schritt blieb dennoch aus und auch das in der Rookie-Saison so große Überraschungsmoment hatte er verloren. Sixers-GM Sam Hinkie zog daher schon während der Saison die Reißleine und schickte MCW, dessen Trade-Wert noch immer recht hoch war, für einen 2018er Erstrundenpick (aus dem Mikal Bridges wurde) nach Milwaukee.

"Da habe ich oft drüber nachgedacht", gestand Carter-Williams später. Selbstzweifel, die sicherlich ein Grund für die weiter abnehmenden Leistungen in Milwaukee waren. Der viel größere Grund war allerdings, dass das System von Coach Jason Kidd (den MCW im Draft-Combine-Interview noch als großes Vorbild bezeichnet hatte) und der vorhandene Kader kaum schlechter zu seinem Spielstil passen konnte.

Ohne Distanzwurf in Milwaukee verloren

Da Carter-Williams noch nie über einen guten Distanzwurf verfügte (lediglich 25 Prozent Dreierquote in der Karriere), benötigt er den Ball in seinen Händen, um zum Korb zu ziehen oder für andere Spieler zu kreieren. Bei den Sixers durfte er genau das tun. Das Team befand sich mitten im Rebuild und ließ MCW einfach machen. Seinen Statistiken tat das natürlich gut.

In Milwaukee erhielt hingegen immer öfter Giannis Antetokounmpo das Kommando. Mit dem Griechen und Jabari Parker standen zwei potenzielle All-Stars in den Reihen der Bucks, beide waren absolut gesetzt und gewissermaßen das neue Gesicht der Franchise. Die Problematik dabei: Beide waren und sind ebenfalls nicht unbedingt für ihren guten Wurf bekannt. In der Saison 2015/16 nahmen die Bucks die mit Abstand wenigsten Dreier der Liga und standen sich in der Zone gegenseitig auf den Füßen.

Nach dem enttäuschenden Abschneiden und dem Verpassen der Playoffs war klar: Einer der drei muss gehen. Dass es am Ende Carter-Williams traf, kam wenig überraschend. Man sah in ihm schlicht und ergreifend das geringste Potenzial, zumal er mit damals 25 Jahren auch der älteste Spieler des Trios war. Per Trade schickten sie MCW weiter zu den Bulls - und brachten ihn in einen Kreislauf, aus dem er noch immer nicht entkommen ist.

MCW im Kreislauf der Risiko meidenden Teams

Denn sowohl die Bulls als auch ein Jahr später die Hornets hatten bei der Verpflichtung den gleichen Gedanken. Für relativ wenig Gegenwert/Gehalt erhofften sie sich ein Wiederaufblitzen des Talents, welches Carter-Williams in der Rookie-Saison zeigte. Bei schwachen Leistungen war das 'Problem' aber schnell aus der Welt geschafft, da die Vertragslaufzeit lediglich ein Jahr betrug.

Die Zeit bei den Bulls war für Michael Carter-Williams nicht unbedingt von Erfolg gekrönt.
© getty
Die Zeit bei den Bulls war für Michael Carter-Williams nicht unbedingt von Erfolg gekrönt.

In Chicago und Charlotte missglückte der Versuch. Wieso also lassen sich die Rockets erneut auf das Experiment ein? Was erhofft sich ein Titel-Anwärter von einem Spieler, der sich in vier anderen Teams nicht durchsetzen konnte? Die Antwort klingt einfach, könnte aber für MCW der Schlüssel zum langersehnten Durchbruch sein: Die Rockets vertrauen auf ihre Schützen.

Karriere-Statistiken von Michael Carter-Williams

TeamsSpielePunkteFG%AssistsReboundsSteal
Philadelphia 76ers11116,039,66,76,21,7
Milwaukee Bucks7912,444,45,34,71,7
Chicago Bulls524,633,22,22,70,8
Charlotte Hornets456,636,62,53,40,8

Was wollen die Rockets mit Michael Carter-Williams?

Beinahe die Hälfte aller Würfe der Rockets kamen in der vergangenen Spielzeit von jenseits des Perimeters. Mit Ausnahme von Clint Capela darf eigentlich kein Spieler der Rockets offen gelassen werden, was logischerweise Platz in der Zone schafft. Eben genau jenen Platz, den Carter-Williams braucht - aber noch nie in seiner Karriere hatte.

Trotz seiner für einen Point Guard überdurchschnittlichen Größe von 1,98 Metern besitzt Carter-Williams einen guten Drive zum Korb. Gegen kleinere Gegenspieler hat er die Fähigkeit, am Ring abzuschließen. Kommt jedoch die Help-Defense, kann er einen der guten Schützen der Rockets per Kickout bedienen.

Letzteres war bei all seinen vorigen Teams nicht möglich und beraubte ihn seiner größten Stärke. In der Defensive kann er nicht zuletzt wegen seiner Größe mehrere Positionen verteidigen und holt dank seiner langen Arme ordentliche 1,4 Steals pro Partie.

Der schlimmste Fall ist nicht schlimm

Dabei ist natürlich zu erwähnen, dass die Minuten hinter Harden, Paul und Gordon rar gesät sein werden. Doch in der vergangenen Saison war gerade das ein Problem der Rockets. Weder Paul noch Harden erhielten Entlastung durch die Bank, da es keinen anderen Spieler gab, der für die Schützen kreieren konnte. Carter-Williams kann genau diese Lücke schließen und bietet zudem eine Absicherung für mögliche Verletzungen.

Natürlich könnte die eigene Verletzungsanfälligkeit der letzten Jahre MCW einen Strich durch die Rechnung machen. Im Optimalfall bietet er den Rockets aber dennoch eine gute Option von der Bank, die keiner wirklich auf der Rechnung hatte.

Und im schlimmsten Fall? Im schlimmsten Fall wird Carter-Williams im nächsten Sommer erneut Free Agent. Die Rockets würden ihn ziehen lassen und in die Zukunft schauen. Für MCW ist es hingegen die wohl letzte Chance, den Status des gescheiterten Rookie of the Year abzulegen. Vielleicht sind die Rockets ja doch genau der sprichwörtliche Deckel, den MCW seit Jahren gesucht hat.

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