NBA

Reicht ein Spielball wirklich noch aus?

Carmelo Anthony und Russell Westbrook werden sich (hoffentlich) künftig nicht mehr um den Ball streiten
© getty
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Was bedeutet der Anthony-Trade für die Oklahoma City Thunder?

Sam Presti wurde seinem Ruf als proaktiver General Manager erneut gerecht und fädelte nach dem Trade für Paul George den nächsten großen Deal ein. Mit der Ankunft von Carmelo Anthony formiert sich in OKC eine neue Big Three. Gewissermaßen ist dies der dritte Schritt, um die Ära von Kevin Durant endgültig vergessen zu machen, nachdem mit der Vertragsverlängerung Westbrooks im vergangenen Sommer sowie mit dem "Diebstahl" von Paul George die ersten beiden gemacht worden sind.

Der Preis war - wie schon im Falle Georges - überraschend gering. Enes Kanter mag zwar ein sicherer Punktelieferant von der Bank gewesen sein, hat aber defensiv so große Defizite, dass er beispielsweise in den Playoffs gegen die Rockets nicht zu gebrauchen war und in fünf Spielen insgesamt nur 45 Minuten ran durfte. Zudem ist er überbezahlt. Für McDermott gelten die Defense-Schwächen ebenfalls.

Nun hat OKC ganz andere Lineup-Möglichkeiten, was vor allem in Bezug auf ein Duell mit den Warriors relevant wird (der Anspruch wird nun sein müssen, sich mit ihnen zu messen). Offensiv-Allergiker Andre Roberson könnte in einem Small-Ball-Lineup auf die Vier rücken, da George Defensiv-Aufgaben auf dem Flügel übernimmt und sich Melo dort ebenfalls wohler fühlt. Das hätte unter anderem auch den Vorteil, dass Robersons Schwäche im Shooting nicht so ins Gewicht fällt.

Genau wie beim George-Trade stellt sich aber auch hier die Frage: Wie passt der balldominante Melo mit den balldominanten Westbrook und George zusammen? Addiert man die Usage-Rates des Trios aus der vergangenen Saison, kommt der Wert 99,7 heraus. Es wird aber nur einen Ball geben - und insgesamt eine Rotation von in der Regel 10 Spielern. Es gilt also mehr denn je, dass alle drei Spieler erhebliche Änderungen an ihrem Spiel vornehmen müssen, was gerade im Hinblick auf Melos Liebe zum Iso-Ball nicht unbedingt einfach erscheint.

Aber: Anthony ist abseits des Balles zumindest auf dem Papier effizient. In der vergangenen Saison traf er beispielsweise 43 Prozent seiner Catch-and-Shoot-Dreier. Dank PG und Russ wird er davon viel mehr bekommen als zuletzt. Das Spacing-Problem in OKC dürfte endgültig und hochkarätig behoben sein.

Hoffnung, dass das Trio funktioniert, macht auch folgende Tatsache: Alle drei Spieler wollten das Experiment offenbar von sich aus angehen. Bei Melo gilt, dass er sich auf den Deal gar nicht hätte einlassen müssen, wenn es ihm nicht gepasst hätte. Und: Laut Adrian Wojnarowski haben George und Westbrook großen Einsatz dabei gezeigt, Melo von den Thunder zu überzeugen und damit praktisch schon eingestanden, Spielanteile abzugeben.

Nun ist klar: Die Franchise ist endgültig wieder im Kreis der Contender angelangt. Mit diesem Roster muss es das Ziel sein, die Dubs anzugreifen. Denn so gering der Gegenwert für Melo war: Der Preis für dieses Experiment ist in einem anderen Bereich hoch. Es werden bis zu 30 Millionen Dollar Luxussteuer allein in der kommenden Saison fällig, zudem fehlt es wegen Melos Spieleroption an finanzieller Planungssicherheit. Auch ist bei einem Scheitern nicht ausgeschlossen, dass alle drei Stars im kommenden Sommer weg sind - die Möglichkeiten dafür hat jeder Einzelne. Die kommende Saison ist also richtungsweisend.