NBA

Wer blinzelt zuerst?

Von SPOX
Nerlens Noel und Rick Carlisle arbeiten seit fünf Monaten zusammen
© getty

So sieht also absolute Priorität aus. Diesen Term benutzten die Verantwortlichen der Dallas Mavericks beim Thema Nerlens Noel nach dem Ende der vergangenen Saison wieder und wieder. Nichts sei wichtiger als ein neuer Vertrag des Centers in Dallas - hieß es.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Spulen wir drei Monate vor. In der Free Agency ist mittlerweile Sommerschlussverkauf und noch immer hat Noel in Dallas kein neues Arbeitspapier unterschrieben. Im Gegenteil. Beide Seiten scheinen noch immer weiter auseinander als die Mavs von ihrer zweiten Championship entfernt.

Erst zur Trade Deadline 2017 befreite Dallas den unzufriedenen Big Man aus Philly und schickte im Gegenzug lediglich Justin Anderson, Andrew Bogut und zwei Zweitrundenpicks für den ehemaligen No.6-Pick des Jahres 2013 zu den Sixers.

Eigentlich ein Bomben-Deal, sicherte man sich so doch den Center der Zukunft. Noel ist 23 Jahre jung und darüber hinaus Defensivspezialist - bis auf Tyson Chandler seit mehr als einer Dekade eine Rarität in Dallas' Mitte.

Noel: Restricted Free Agent dank Qualifying Offer

Gemäß den Statuten hatten die Mavericks Noel das Qualifying Offer nach dessen auslaufendem Rookie-Vertrag unterbreitet und ihn damit zum Restricted Free Agent gemacht. Der Wert des festgeschriebenen Angebots: 4,2 Millionen Dollar.

Dallas hatte jedoch keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass man jedes Angebot für Noel matchen würde. Die Befürchtungen, ein anderes Team mit Cap Space würde ihm ein Angebot in der Nähe eines Max-Contracts unterbreiten, bewahrheiteten sich nicht. RFAs wurden in diesem Sommer mit Ausnahme von Otto Porter ohnehin gemieden. Viele von ihnen sind noch immer ohne Vertrag. So auch Noel.

Dabei hätte nach dem ausbleibenden Angebot von anderen Teams eigentlich zum Ende der ersten Free-Agency-Woche zumindest eine Meldung der Einigung mit den Mavs bei Twitter zu finden sein müssen. Irgendetwas im Bereich 60 bis 70 Millionen über vier Jahre zum Beispiel.

Stattdessen dringen bislang lediglich Gerüchte und Spekulationen an die Oberfläche, während Mark Cuban und Co. mit Noels Agenten Dan Fegan im Hintergrund verhandeln. Auch Noel selbst war zwischenzeitlich in Las Vegas und nahm Gerüchten zufolge an Meetings zu seiner Zukunft teil.

Noel: Wechsel zu umstrittenem Agenten Fegan

Erst Ende 2016 war Noel zu Fegan gewechselt, da er mit dem Status Quo in Philly nicht zufrieden war ("Ich bin zu gut, um nur acht Minuten zu spielen. Sie müssen den Scheiß endlich auf die Reihe bekommen.") und seine Interessen nicht gut genug vertreten sah.

Fegan, das war übrigens auch eine Hauptfigur in "DeAndre auf dem heißen Blechdach" - ein Mavs-Drama in fünf Akten. Damals (kaum zu glauben, dass das schon zwei Jahre her ist) hatte Fegan noch guten Kontakt zu Eigentümer Cuban. Ex-Mavs-Forward und ebenfalls Fegan-Klient Chandler Parsons rekrutierte fleißig mit.

Letztlich blieb Jordan bei den Los Angeles Clippers, anstatt zu seiner mündlichen Zusage zu stehen und in Dallas zu unterschreiben. Der Center hatte das Gefühl, von Fegan zum Wechsel nach Dallas gedrängt worden zu sein. Der eine oder andere wird sich erinnern.

Inzwischen haben nicht nur Jordan, sondern auch John Wall, Dwight Howard, Austin Rivers und Ed Davis die Zusammenarbeit mit Fegan beendet, der darüber hinaus eine ordentliche Klage seines ehemaligen Arbeitgebers ISE am Hals hat. Die Wahl von Noel kam insofern etwas kurios daher.

Mavs: Kampf mit harten Bandagen

Aber zurück in die Gegenwart: Dallas kämpft bei den Vertragsverhandlungen mit harten Bandagen. Anstatt dem Spieler Wertschätzung entgegenzubringen und ihm einen guten Vertrag anzubieten, pokern die Mavs-Verantwortlichen, um das Gehalt zu drücken. Anders ist die Verzögerung nicht zu erklären. Dass Noel seinen Preis angesichts des nicht vorhandenen Marktes derart überschätzt, ist kaum vorstellbar.

Es ist dennoch weiterhin wahrscheinlich, dass Noel sich mit Dallas auf einen neuen Vertrag einigt. Denn die Alternativen für die Nummer 3 verursachen nicht wirklich Ahoj-Brausen-Prickeln auf der Zunge.

Noel: Qualifying Offer als Option

Noel hätte die Möglichkeit, das Qualifying Offer zu unterschreiben. Im Sommer 2018 wäre er dann Unrestricted Free Agent und könnte bei jeder Franchise (auch Dallas) einen langfristigen Vertrag unterschreiben. Allerdings wäre das ein risikoreiches Spiel.

Schon seine Rookie-Saison verpasste Noel wegen eines Kreuzbandrisses, den er sich noch am College zugezogen hatte. In den vergangenen beiden Jahren musste er 20 beziehungsweise 31 Spiele aufgrund von Verletzungen aussetzen, darunter eine zweite Knie-Operation. Ein weiteres gesundheitliches Problem - und Noel könnte sich den ersten großen Vertrag in die Haare schmieren.

Noel: Abschied von den Mavs?

Denkbar wäre auch, dass ein anderes Team die Gunst der Stunde ergreift und aufgrund der andauernden Verhandlungen seine Chance wittert, Noel aus Dallas loszueisen. Drei Teams hätten dafür außer Dallas und den Sixers noch den nötigen Cap Space: die Chicago Bulls, Brooklyn Nets und Phoenix Suns.

Chicago hat den Rebuild gestartet und hätte am liebsten auch Dwyane Wade nicht weiter unter Vertrag. Kaum vorstellbar, dass die Bulls sich langfristig auf Noel festlegen. Zumal nicht alle Teams sein Potenzial so einschätzen wie die Mavs.

Phoenix ist auf den großen Positionen mit jungen Wilden gut bestückt. Alan Williams, Marquese Chriss - auch Tyson Chandler darf noch hin und wieder mitwirken. Alex Len hat wohl keine Zukunft in der Wüste Arizonas, zumal die Verantwortlichen auch noch auf einen Durchbruch von Dragan Bender hoffen.

Die Nets haben sich auf der Fünf erst kürzlich Timofey Mozgov und dessen restliche 47 Millionen Dollar Gehalt ans Bein gebunden, wenn auch versüßt durch D'Angelo Russell. Von den verfügbaren Teams wären sie am ehesten noch ein logischer Kandidat für Noel, bisher scheint es aber kein Bestreben in diese Richtung zu geben.

Schlechtes Image durch Pokerspiel

Dallas' Position ist dementsprechend stark, zumal man ein Offer Sheet noch immer matchen könnte, sollte es eines geben. Doch bei einer solchen Vertragsverhandlung geht es nicht nur allein um die Kohle. Werbung machen die Mavs durch den Umgang mit Noel nicht gerade für sich.

Der größte Fehler in der Ära Cuban, Steve Nash im Sommer 2004 nicht so viel Geld wie die Suns zahlen zu wollen, schwebt immer noch als riesiges "What if?" im Raum. Auch die fehlende Bereitschaft, das Championship Team 2011 zusammenzuhalten und unter anderem Chandler üppig zu entlohnen, war nicht richtig.

Noel: Trotzreaktion oder Hängepartie?

Noel hat, das konnte man in Philadelphia sehen, ein leicht zu erregendes Gemüt. Sollten die Mavs ihrem Center konsequent weiter ein Gehalt unter Marktpreis bieten, ist eine Trotzreaktion nicht auszuschließen.

Hoffen wir für Dirk Nowitzki und Co., dass sich die Verhandlungen nicht wie bei Tristan Thompson und den Cleveland Cavaliers im vorvergangenen Sommer bis zum Training Camp hinziehen.

Sollte in den nächsten Tagen ein schlecht belichtetes Foto mit einem grinsenden Nerlens vor einem Blatt Papier auf dem Twitter-Account der Mavs auftauchen - es wäre für alle eine Erlösung.

Artikel und Videos zum Thema