NBA

Ein Mix aus Shaq, Magic und dem Terminator

LeBron James: Zu stark, zu abgezockt für die Eastern Conference
© getty
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Wenn der Wurf sitzt...

Zumal auch die alte Strategie gegen LeBron nicht mehr so einwandfrei funktioniert. Man solle absinken und ihn werfen lassen, hieß es immer - und angesichts seiner Treffsicherheit am Korb und seiner Übersicht ist das auch heute noch die gängige Strategie vieler Coaches. Nur ist James eben immer häufiger in der Lage, sie zu bestrafen.

Beinahe sechsmal pro Spiel wirft James derzeit von Downtown, 42,1 Prozent davon bringt er im Korb unter - das sind beides Karrierebestwerte. Stephen Curry schafft (bei mehr Versuchen) eine um genau 1 Prozent höhere Quote. Wenn LeBron um die 40 Prozent halten kann, wird dadurch alles andere um ein vielfaches einfacher.

Die Defense darf sich ihr Gift dann aussuchen - und auch Foulen bringt nur noch bedingt etwas. James ist zwar kein Kyle Korver, er hat seine Freiwurfquote in der Postseason aber immerhin wieder auf 71,2 Prozent gehoben. Gegen die Raptors, die ihn 13,5mal an die Linie schickten, traf er sogar 83,3 Prozent. Die vermeintliche Schwäche ist also auch nur bedingt real.

Historische Offense der Cavs

James ist nicht mehr so athletisch, wie er es mit 25 Jahren war, wenngleich er immer noch athletischer ist als 99 Prozent der anderen NBA-Spieler. Ob er die übermenschliche Kondition wie in Miami, als er nicht nur die Offense schmiss, sondern auch ganze Spiele über den besten Spieler des Gegners verteidigte, noch hat, wird sich erst in den Finals zeigen - bisher brauchten die Cavs ihn nur gelegentlich am Ende enger Spiele als Defensiv-Stopper, ansonsten agierte er defensiv eher als eine Art Free Safety und gönnte sich wie das gesamte Team von Zeit zu Zeit mal eine Pause.

Das konnten sie sich bisher aber auch erlauben - die Offense der Cavs in diesen Playoffs war schlichtweg so überragend. Das Offensiv-Rating von 120,7 war sogar noch einmal um 5 Prozent höher als das der Warriors. Mehr noch: Laut John Schumann von nba.com ist dies der höchste Team-Wert seit 1977. Ihre eFG (59,8 Prozent) ist ebenfalls die höchste Zahl der Playoff-Geschichte.

Während ihre Defense bisher ein Fragezeichen ist und nun erstmals wirklich geprüft wird, ist die Offense der Cavs auf einem historischen Niveau - und dabei beginnt und endet logischerweise wieder einmal alles mit James. Steht er auf dem Court, haben die Cavs ein Offensiv-Rating von 122,3 und ein Net-Rating (also hochgerechnetes Plus/Minus) von 20,1.

In den gut sieben Minuten, die er auf der Bank sitz, "verlieren" die Cavaliers dagegen mit -6,2 Punkten. Er ist der einzige Cavs-Spieler, bei dem der Wert negativ wird, wenn er auf der Bank sitzt. Ohne "Superstar" Kyrie Irving etwa gewinnen die Cavs immer noch mit 12,9 Punkten pro 100 Ballbesitze.

Meister des Spiels

Das soll aber gar keine Anklage gegenüber Irving, Kevin Love oder wem auch immer sein. Vielmehr verdeutlichen diese Zahlen, wie sehr das Cavs-Spiel und auch der Kader auf die singulären Fähigkeiten von LeBron zugeschnitten sind. Es reicht, vier Rollenspieler mit gutem bis sehr gutem Wurf mit ihm auf den Court zu schicken, wenn man eine Offense auf historischem Niveau haben will. Deswegen sind die Lineups mit ihm und vier Bankspielern ähnlich tödlich wie die mit den Co-Stars Love und Irving.

James hat das Spiel gemeistert und ist mit seiner Mischung aus Drive, Shooting und Magic-artigem Passspiel der perfekte Spieler für die heutige Pace'n'Space-Ära (wobei er auch in JEDER anderen Ära klar kommen würde, falls das noch jemand anzweifelt). Zumal er die analytischen Fähigkeiten besitzt, um in jedem Spiel und jeder einzelnen Situation die Defense des Gegners zu lesen und entsprechend darauf zu reagieren.

Er ist gegnerischen Spielern und Coaches gedanklich um einen oder zwei Schritte voraus und kontrolliert das Spiel auf eine Art, wie sie wenn überhaupt nur von einer Handvoll Spielern erreicht wurde. Und deswegen kann man auch dafür argumentieren, dass er heute besser ist als beispielsweise 2009, als er in den Playoffs ein Player Efficiency Rating von 37,4 auflegte (heute: 30,4) - die mentale Stärke lässt sich eben ungleich schwerer quantifizieren.

Mal wieder Underdog

A propos quantifizieren. Die Warriors sind gemessen an nahezu allen Zahlen und Statistiken der große Favorit vor diesen Finals. Auch bei den Buchmachern in Las Vegas. LeBron selbst sagte vor einigen Tagen, dass die Dubs "wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen" seiner Karriere darstellen. Das 'wahrscheinlich' kann man getrost streichen.

Dass man den Cavaliers überhaupt etwas zutraut, liegt an nichts anderem als dem LeBron-Faktor - er hat schließlich schon letztes Jahr das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Er ist der Terminator, der Hulk, der Stolperstein vor dem Start einer möglichen Warriors-Dynastie. Der beste Spieler der Welt.

Diesen Titel hat er seit längerem sicher, sodass man ihn mittlerweile häufig nur noch mit dem Besitzer der Charlotte Hornets vergleicht. Sollte er tatsächlich auch diese Inkarnation der Warriors besiegen, werden die GOAT-Rufe vermutlich nicht leiser. Mit Sicherheit dürfte man dann jedoch festhalten, dass LeBron James auf einem neuen Zenit angekommen ist.

Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats, ESPN und basketball-reference.com.

LeBron James im Steckbrief

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