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Playoff-Rondo trifft Zipsanity

Von Robert Arndt
Rajon Rondo und Paul Zipser leisteten einen wertvollen Beitrag
© getty

Die Chicago Bulls haben mit dem Sieg in Spiel 2 in Boston einen großen Schritt in Richtung eines möglichen Upsets gegen die Boston Celtics gemacht. Dabei wurde Rajon Rondo nach langer Zeit wieder zu Playoff-Rondo. Auch Paul Zipser überzeugte im TD Garden in seiner Rolle als Sixth Man und nimmt großen Einfluss auf die Serie.

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Es war wie in alten Playoff-Zeiten. Rajon Rondo dominierte im TD Garden den Ball, zog in die Zone, bediente seine Mitspieler, pushte das Tempo. Dazu sprang er in die Passwege und klebte am gegnerischen Point Guard. Der einzige Unterschied war, dass die Nummer neun diesmal ein schwarzes Jersey mit der Aufschrift "Bulls" trug und nicht die weiße Heim-Uniform mit dem Celtics-Schriftzug.

11 Punkte, 9 Rebounds, 14 Assists und 5 Steals standen nach 40 Minuten Einsatzzeit für Rondo zu Buche und waren der Grundstein für Chicagos zweiten Auswärtssieg beim Top-Seed der Eastern Conference. "Er war der Schlüssel für uns zu Beginn der Partie", lobte Bulls-Coach Fred Hoiberg seinen nicht immer einfachen Schützling nach der Partie. "Er hat uns in gute Wurfpositionen gebracht. Das hat dem Team Selbstvertrauen gegeben."

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Auch Dwyane Wade stimmte Lobeshymnen auf Alpha Nummer drei an. "Es war unglaublich, wie er das Team geführt hat", so der Veteran. Gerade die Beziehung mit Wade war durch die zahlreichen Serien zwischen den Miami Heat und Celtics nicht immer nicht die Beste. Wade gestand ehrlich: "Ich habe ihn gehasst, natürlich nicht auf einer persönlichen, sondern auf sportlicher Ebene."

Ist der Ruf erst ruiniert...

Es scheint, als ob die holprige Saison der Bulls doch noch zu einem Happy End führen könnte. Vergessen die Streitigkeiten, vergessen der tiefe Graben, der innerhalb des Teams entstanden war. Dabei schien alles wie erwartet zu laufen. Was hatte Chicago mit GM Gar Forman nur vor? Einen alternden Wade verpflichten, nur um ein paar Tickets mehr zu verkaufen?

Dazu einen Rajon Rondo, den wohl 29 andere Teams nicht einmal mit Kneifzange angefasst hätten. Zu präsent waren die Eskapaden des eigensinnigen Spielmachers, dessen Ruf nach dem Zusammenbruch der Big Three in Boston erheblich gelitten hatte. Das Etikett "uncoachbale" klebte wie verdammt zäher Kaugummi an ihm, dem zudem nachgesagt wird, dass sein Spiel nicht mehr den Standards der heutigen NBA genüge und eher wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirke.

Damit hatten die Kritiker sicherlich in einigen Punkten Recht. Ein Point Guard, der keinen verlässlichen Wurf hat und dazu, gehandicapt durch einen früheren Kreuzbandriss, nicht mehr den Speed alter Tage besitzt, sollte nicht mehr dazu befähigt sein, ein komplettes Team zu tragen. Wenn man dies dann noch mit dem nicht kleinen Ego addiert, entsteht eine toxische Mischung. Zu "bewundern" bei seinen Engagements in Dallas oder Sacramento.

Ein Vorbild für die Youngster

Auch in der Windy City schien sich der Eindruck zu Beginn zu bestätigen. Hoiberg verbannte Rondo auf die Bank, doch anders als in der Vergangenheit schwieg der Spielmacher. Während seine Kritiker nur darauf warteten, dass der Verschmähte seinen Frust über die Medien rauslassen würde, doch Rondo hielt sich zurück.

"Ich denke, mein Alter spielt da eine Rolle. Ich konnte bei den Veteranen in Boston viel lernen", sagte Rondo vor der Serie über die schwere Zeit. "Ich habe einfach weiter gearbeitet und wollte mir nichts zu Schulden kommen lassen." Die Bulls spielten während dieser Zeit zu Beginn des Jahres eher schlecht als recht, es folgte der große Knall. Jimmy Butler und Wade gingen die Rollenspieler an und schossen dabei ein wenig über das Ziel hinaus.

Rondo reagierte und stellte sich schützend vor den Supporting Cast und bekam dafür jede Menge Respekt, auch von den beiden gefrusteten Stars, die Rondo auf Instagram an den Pranger stellte. In der Folge setzte Hoiberg wieder auf den verbannten Spielmacher, die Bulls erreichten doch noch die Playoffs. Dabei glänzte Rondo weniger mit individuellen Leistungen als vielmehr mit Leadership. "Er füllte diese Rolle mit so viel Stolz aus und hat speziell unseren jungen Spielern geholfen", lobte Hoiberg den 31-Jährigen.

Zipsanity

Einer, der von den präzisen Zuspielen Rondos profitiert, ist Paul Zipser. Der Deutsche hat sich auf dem Flügel festgespielt und ist als Sixth Man fester Bestandteil der Rotation. In Spiel 2 gegen die Celtics stellte Rookie all seine Vorzüge eindrucksvoll unter Beweis. In der Defense verteidigte er solide und vorn wartet er geduldig auf seine Chance.

Dabei zeigte Zipser, dass er mehr kann, als lediglich in der Ecke auf einen offenen Wurf zu warten. Während der Rest der Bulls-Reservisten kaum Einfluss aufs Spiel nehmen konnte, zog Zipser mehrfach mutig zum Korb und schloss dort gekonnt ab. Wie ein Playoff-Neuling präsentierte er sich nicht. Der Dreier saß (2/3 3FG) und die Celtics reagierten sogar auf Pump Fakes des Ex-Bayern-Spieler, der sich dann cool in den Gegner fallen ließ und das Foul zog. Ein waschechter Veteran-Move.

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Deutscher X-Faktor

Entsprechend würdigte Celtics-Coach Brad Stevens die starke Performance von Zipser: "Er hat bisher einen großen Einfluss auf diese Serie." Auch Hoiberg hob den Heidelberger in seiner Pressekonferenz explizit hervor: "Er war verdammt wichtig für uns." War es im Spiel 1 noch Bobby Portis, der einen Sahnetag erwischte, galt dies nun für Zipser. Die Bulls wird es freuen.

Um die starke Starting Five zu unterstützen, wird dringend Entlastung benötigt - das war auch gegen die Celtics wieder deutlich zu sehen. So ging Zipser gleich mehrfach ins Dribbling und in die Zone, wohl wissend, dass bei Boston nur rudimentärer Ringschutz vorhanden ist. Seine Minuten waren belebend und machten ihn zum X-Faktor für die Chicago.

Damit fügte er mit sich seiner Energie nahtlos in das Teamkonzept der Bulls ein, die im Gegensatz zu Boston echten Playoff-Basketball zeigten. Physisch präsent unter den Körben nahmen Lopez und Co. den Konkurrenten über die zwei Spiele bislang komplett die Butter vom Brot. Mit 96:74 ging das Rebound-Duell an Chicago, dazu holten die Bulls in Spiel gleich zwölf Steals und verbuchten so leichte Fastbreak-Punkte.

Rondo dominiert IT

Vorweg ging dabei Rondo, der gleich fünf Balleroberungen für sich beanspruchen konnte. Im Duell mit Isaiah Thomas behielt er klar die Oberhand und widerlegte so alte Kritiker, die seine lasche Einstellung zur Defense monieren. Der Bulls-Guard hielt über die komplette Spielzeit den Druck hoch, kämpfte sich um Blöcke und entnervte Thomas, das Herz und die Seele der Celtics.

Auch auf der anderen Seite attackierte er IT konsequent und nutzte die bekannten defensiven Schwächen von Thomas gnadenlos aus. Es schien, als ob er die Zeit zurückdrehte, den Schritt schneller als noch in der Zeit nach seinem Kreuzbandriss. Ein alarmierender Zustand für die Celtics, denn ist Rondo erst einmal im Herzen der Verteidigung versteht er es wie kein Zweiter die richtige Entscheidung zu treffen. 14 Assists - kein Bulls-Spieler verbuchte in den Playoffs jemals mehr - waren ein klares Indiz dafür.

Rondo ist mit dieser Performance angekommen. In der Serie. In den Playoffs. Auf der großen Bühne, die ihn vor Jahren zu Topleistungen antrieb und die Legende vom Playoff-Rondo entstehen ließ. Lange vor Russell Westbrook sammelte er Triple-Double um Triple-Double.

Auch Zipser ist angekommen und schlägt sich für seine erste Saison erstaunlich gut. Er schwimmt - und das nicht nur im kalten Wasser, sondern im Haifischbecken Postseason. Können die beiden ihre Leistungen bestätigen und Butler und Wade den Rücken freihalten, ist mit den Bulls zu rechnen. Nicht nur in den Duellen mit Boston.

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