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Lehrstunde im Konzert der Großen

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© getty

Dennis Schröder hat sich in der Playoffserie gegen die Washington Wizards auch auf höchster Ebene stark verkauft und seine persönlichen Bestmarken mehrfach pulverisiert. In Game 6 führte John Wall dem Deutschen und seinem Team aber vor Augen, dass noch immer etwas fehlt, um bei der Elite mitzumischen.

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Die Uhr zeigte noch achteinhalb Minuten verbleibende Spielzeit an, als Dennis Schröder die Kugel aus den Händen von Bradley Beal klaute. Die Hawks hatten innerhalb von zehn Minuten einen 22-Punkte-Rückstand auf drei Zähler Abstand verkürzt, als Schröder sich den Ball schnappte und nach vorne rannte.

Die Schnelligkeit zählt zu einer der großen Stärken des Hawks-Spielmachers. Mit ihr hatte er den Wizards zuvor immer wieder Probleme bereitet und jetzt wollte er sie nutzen, um den Rückstand im Fastbreak auf einen Punkt zu verkürzen und den Atlanta Hawks die Chance zu geben, eines der größten Comebacks der NBA-Playoffgeschichte hinzulegen.

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Es sollte anders kommen. Im Gefühl eines sicheren Layups stürmte Schröder in Richtung Korb. Doch John Wall hatte etwas gegen das Vorhaben des Deutschen. Er rauschte von hinten heran und blockte das Leder technisch perfekt weg. Er hatte Schröder einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie so oft in dieser Serie.

Es war eine Botschaft an Schröder, die ankam und es war gleichzeitig der Weckruf für die zuvor strauchelnden Wizards, die Atlanta dank des weiter furios aufspielenden Wall bis zum Schluss nicht mehr näher herankommen ließen.

"Es war eine große Szene"

Schröder selbst wollte nicht viel sagen zur Schlüsselszene von Game 6, welche die Serie zugunsten der Wizards kippen ließ. "Er hat mich geblockt. Es war eine große Szene von ihm", so die knappen Worte des 23-Jährigen auf die Frage, ob er Wall habe kommen sehen. Er war bedient, geistesabwesend saß er am Tisch, während Teamkollege Paul Millsap beinahe alle anderen Fragen während der Pressekonferenz beantwortete.

Lediglich einmal hellte sich sein Gesicht auf, als er den in diesem Sommer Free Agent werdenden Millsap anblickte und meinte: "Wir werden nächstes Jahr weiter kommen. Hoffentlich mit Paul." Schröder weiß selbst: Er hat durch seine starke Playoffserie eine Visitenkarte im Konzert der Großen abgegeben, will er dort aber weiter mitmischen, braucht er einen Kollegen wie Millsap an der Seite.

Der Power Forward war im Pressegespräch ebenfalls kurz angebunden. Angesprochen auf die fehlende Zutat, die den Hawks gefehlt hat, um diese Serie für sich zu entscheiden, meinte Millsap nur: "Erfahrung. Die Erfahrung hat gefehlt."

Game 6 mitsamt des Wall-Blocks war dabei eine Blaupause für diese Playoffserie, vielleicht auch für die alles in allem enttäuschende Saison der Hawks und die dazu konträr positiv verlaufende Entwicklung von Schröder.

Packendes Duell gipfelt in Game 6

Der Hawks-Spielmacher hatte in der Regular Season immer wieder seine Klasse gezeigt, dies allerdings oft auch nicht konstant genug gemacht. In dieser Playoffserie dagegen lieferte er sich beinahe durchweg ein spannendes Duell mit Wall. Eines auf Augenhöhe. Dass Wall es immer wieder mit Trash-Talk in Richtung seines Gegenüber probierte, darf als ein gewisses Zeichen von Anerkennung gedeutet werden - auch wenn der Wizards-Star im Sommer nicht mit dem Deutschen trainieren will.

Gleich mehrfach trieb Schröder seine eigenen Playoff-Bestwerte in die Höhe und trug sich in die Geschichtsbücher der Franchise ein. In Spiel 6 legte er zum zweiten Mal in Folge mehr als 20 Punkte und 10 Assists auf. Das hatte als Hawks-Spieler zuletzt Pistol Pete Maravich vor 44 Jahren geschafft. Seine 13 Punkte im dritten Viertel waren mitentscheidend für das Comeback. Über die Serie legte er im Schnitt starke 24,4 Punkte sowie 7,2 Assists auf.

Walls Lehrstunde hat allerdings auch gezeigt: Schröder ist zwar auf einem hohen Niveau angekommen, zur absoluten Elite fehlen ihm und auch den Hawks aber noch ein gutes Stück. Sei es nur die Erfahrung, was vor allem im Fall von Schröder zutrifft, oder auch etwas die Klasse, was auf die Hawks als Team zutrifft.

Walls Prophezeiung erfüllt sich

Zu viele Fehler leistete sich Atlanta vor heimischer Kulisse, zu sehr ließen sie sich das Spiel der Wizards aufzwingen. Daran änderte auch das große Comeback nichts. Es wurde nichtig, als Wall ein letztes Mal groß aufdrehte, die letzten 13 Punkte des Spiels erzielte und sich winkend verabschiedete. Vom Publikum. Von seinem direkten Gegenspieler, der es nur selten geschafft hatte, die Kreise von Wall einzudämmen. Auch dafür war Game 6 mehr als jedes andere Spiel der Serie ein Exempel.

Angestachelt vom Privatduell mit Schröder, sowie den Erfahrungen der Playoffniederlage gegen Atlanta vor zwei Jahren legte Wall zur richtigen Zeit eines der besten Spiele seiner Karriere hin - mitsamt einem unfassbaren Finish. "Ich habe meinen Kollegen gesagt, dass ich heute mindestens 35 Punkte auflege und wir gewinnen werden. So ist es gekommen", offenbarte Wall im Anschluss.

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Dass der Wizards-Spielmacher zur absoluten Elite auf der Eins gehört, hatte er schon in der regulären Saison etliche Male bewiesen. In Game 6 legte er das Meisterstück einer Serie, in welcher er mit durchschnittlich 29,5 Punkten, einer Wurfquote von 52,5 Prozent, 10,3 Assists und 1,7 Steals die prägende Figur war, hin.

Zahlen, die auch belegen, dass Schröder defensiv nur selten eine Antwort auf seinen Gegenspieler hatte. Abseits der Zahlen lobte Wizards-Coach Scott Brooks seinen Schützling: "Er hat uns mit seinen Führungsqualitäten den Weg geebnet."

Wizards nehmen Rache

Es war schließlich eine persönliche Genugtuung für Washingtons Starspieler, der die Bedeutung der Serie nie heruntergespielt hatte. Nach dem Erfolg betonte er: "Wir wollten uns dieses sechste Spiel unbedingt holen, um die Serie bei ihnen zuhause zu entscheiden, so wie sie es mit uns vor zwei Jahren getan haben."

Während das bittere Playoff-Aus vor zwei Jahren für die Wizards, bei denen mit Wall, Beal und Gortat gleich drei Starter aus Spiel 6 auch damals von Beginn an aufliefen, noch immer präsent sein dürfte, hat sich bei den Hawks seitdem sehr viel verändert. Lediglich Millsap ist als Starter übrig geblieben. Horford, Carroll, Korver und Teague gehen mittlerweile für andere Teams in den Playoffs an den Start.

Die Qualität dieser Veteranen hätte Atlanta in Spiel 6 gebrauchen können. Es war schließlich nicht nur die Erfahrung, die am Ende fehlte. Spieler wie Howard und Bazemore, die sich zusammen für 12 der 22 Hawks-Turnover verantwortlich zeichneten, sind bekanntlich schon einige Jahre in der Liga.

So bekamen die Hawks schließlich vorgeführt, dass die NBA-Spitze mittlerweile ein gutes Stück entfernt ist. Manchmal zeigt sich das auch an einzelnen Szenen. So wie bei Walls Block gegen Schröder.

Das Playoff-Bracket im Überblick