NBA

Verloren zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Von Thore Beckmann
Reggie Jackson ist ein möglicher Trade-Kandidat im Sommer
© getty

Reggie Jackson sah sich nicht als Backup hinter Russell Westbrook und forcierte einen Trade zu den Detroit Pistons. Nach gutem Start findet er sich dort jedoch mit alten Problemen und irrationalem Anspruchsdenken konfrontiert.

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"Tränen der Freude! #godisgreat". Das war Reggie Jacksons Reaktion, als er zur Trade-Deadline im Februar 2015 zu den Detroit Pistons transferiert wurde.

Der Point Guard schien es kaum noch bei den Oklahoma City Thunder auszuhalten und ließ bei seinem Abgang daraufhin ein gewisses Maß an Stil vermissen.

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Dabei hatte sich Jackson bei den Thunder zu einem brauchbaren Talent entwickelt, führte regelmäßig die Bench-Unit aufs Feld und bekam in seinen letzten anderthalb Jahren knapp 28 Minuten Spielzeit. Auch wenn klar war, dass es für ihn an Westbrook kein Vorbeikommen geben würde, machte Jackson gegenüber Daily Thunder klar, dass er sich "in Zukunft als Starter" sehe.

Laut dem Oklahoman schrieb der damalige Backup, der durch die Verpflichtung von Dion Waiters zusätzliche Minuten verlor, sogar kontinuierlich "SPG" für "Starting Point Guard" auf seine Sneaker, was Westbrook als Provokation auffasste.

Kommentare und Unruhe, die ein Team mit Championship-Ambitionen nicht gebrauchen konnte. Jackson machte den Eindruck, sein eigenes Wohlbefinden über den Erfolg des Teams zu stellen und wurde dadurch zur persona non grata in Oklahoma City. Durant bezeichnete sein Verhalten im Anschluss an das erste Aufeinandertreffen, in dem sich Jackson exzessiv von den Fans in Detroit feiern ließ, als "unterklassig" und Steven Adams war sich sicher, dass "das ziemlich viel über ihn als Menschen aussagen" würde.

5 Jahre und 80 Millionen Dollar

Jacksons Karriere gab der Wechsel nach Michigan aber mit Sicherheit Auftrieb. In Detroit wurde er zum Starter, kam zum Abschluss der Saison 14/15 auf 17,6 Punkte und 9,2 Assists und 15/16 auf 18,8 Punkte und 6,2 Assists. Keine schlechten Zahlen für einen 24-Jährigen. Zahlen, die Detroit 80 Millionen Dollar in fünf Jahren wert waren!

Jackson, der seine Stärken schon immer im Pick-and-Roll hatte, sollte mit Andre Drummond unter Stan Van Gundy der Lead Guard in einem Orlando Magic-Light-System werden.

Der Plan ging auf. Mit Jackson als treibende Kraft qualifizierte man sich in der vergangenen Saison erstmals seit der Spielzeit 08/09 für die Playoffs. Auch wenn man dort in der ersten Runde von den Cavaliers gesweept wurde, schien das Team von Stan Van Gundy auf dem richtigen Weg.

Ersetzt in Abwesenheit

Eine mittelschwere Knieentzündung zwang Jackson dann jedoch zum Start der neuen Saison zum Zuschauen. Erst am 4. Dezember kam der ehemalige Boston Eagle auf seinen ersten Einsatz. Bis dahin führte sein Backup Ish Smith die Pistons zu einer 11:10-Bilanz und hatte sich das Vertrauen seiner Mitspieler erarbeitet.

Smith gilt als einer der schnellsten Spieler der Liga, machte trotz geringer Größe einen enormen Sprung in der Defensive und beansprucht deutlich seltener den Ball. In einer Starting Five, die mit Drummond, Kentavious Caldwell-Pope, Marcus Morris und Tobias Harris sonst nur Spieler aufbietet, die ihre Stärken eher in der Offensive haben und dementsprechend Würfe haben wollen, erscheint so ein klassischer Guard durchaus geeigneter.

Dennoch erhielt Jackson seinen Platz in der Startaufstellung zurück, doch mit ihm begann die Talfahrt der Pistons. Als Team legt man in dieser Saison mit 52,9 Prozent die drittschlechteste Assistquote auf. Ein Problem, dessen sich die Spieler durchaus bewusst sind.

Team-Meeting contra Point Guard

Knapp zwei Wochen nach dessen Saisondebüt konfrontierte das Team den Point Guard wegen seiner schlechten Wurfauswahl (42,6 Prozent bei 13,1 FGA, 36 Prozent bei 3,6 3FGA) und dem fehlenden Ball-Movement mit ihm auf dem Platz.

"Ich hatte das Gefühl, dass es viel Spannung unter uns Spielern gab, als Reggie zurückkam und wir uns auf seine Spielweise einstellen mussten. Wir scheinen uns jetzt wieder an die Spielweise des letzten Jahres gewöhnen zu müssen", erklärte ein sichtlich angesäuerter Andre Drummond das Meeting anschließend gegenüber der Detroit Free Press.

Jackson selber antwortete auf die Konfrontation seiner Teammates ähnlich unreif wie bei seinem Abschied aus OKC. Im darauffolgenden Spiel verweigerte er offene Würfe und begründete seine Spielweise anschließend im Hinblick auf das Ballmovement - nicht gerade das Verhalten, das man sich von seinem Floor General wünscht.

Playoffs in Gefahr

Die Situation um Jackson hat sich seit diesen Vorfällen im Dezember nicht wirklich verbessert. Detroit steht derzeit bei einer Bilanz von 33-36 und droht nach drei aufeinanderfolgenden Niederlagen die Playoffs zu verpassen. Der Point Guard spielt dabei mit Abstand seine schlechteste Saison.

Die Pistons, die insgesamt ein Net Rating von -1,6 besitzen, verlieren auf 100 Positionen gerechnet mit 8 Punkten, wenn Jackson auf dem Feld steht - der schlechteste Wert des Teams. Das Defensivrating sinkt auf katastrophale 110,4 mit Jackson im Vergleich zu 101,9 ohne ihn.

Besonders entscheidend ist dabei jedoch, dass hinter Big Man Aron Baynes ausgerechnet Ish Smith hier den größten Mehrwert für das Team von SVG verspricht. Jacksons Backup überzeugt mit einem Net Rating von +2.7 und einem Defensivrating von 102,4.

Turnaround zum Saisonende oder Trade im Sommer

Jackson wird in den nächsten drei Jahren knapp 51 Millionen Dollar verdienen. Unter dem neuen CBA ist das kein erschreckender Betrag mehr, für einen Spieler, der das gesamte Team runter zu ziehen scheint, jedoch schon. Gerade im Vergleich zu Smith, der in den nächsten beiden Jahren 12 Millionen Dollar verdienen wird, scheint die Causa Jackson zum Problem zu werden.

Wie The Vertical berichtete, suchten die Pistons schon zur Trade Deadline einen Abnehmer für Jackson, erhielten jedoch kein entsprechendes Angebot. Die sportliche Talfahrt gipfelte in zuletzt drei deutlichen Niederlagen. Mit 34 Punkten verlor man in Cleveland, mit 14 zu Hause gegen Utah und gegen die Raptors brachte man es lediglich auf 9 Punkte im Schlussviertel und verlor deshalb mit 12.

Gegen ein Team aus Phoenix, das sich zu 100 Prozent dem Jugendstil verschrieben hat, wäre alles andere als ein Sieg eine Katastrophe. Generell scheint es, als ob nur ein Wunder zum Saisonende den Nucleus der Pistons im Sommer zusammenhalten könnte.

In Detroit haben sie den nächsten Entwicklungsschritt verpasst und in einer Draft-basierten Association wie der NBA gibt es nichts Schlimmeres als Stillstand im Niemandsland. Alles andere als ein Trade Jacksons im Sommer wäre ein Wunder.

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