NBA

Mehr Schein als Sein?

Von Dirk Funk/Arne Taegen
Derrick Rose versucht bei den New York Knicks einen Neuanfang
© getty

Points per Game, Player Efficiency Rating oder vielleicht doch die Bewertung bei NBA 2K17? Was drückt wirklich aus, wie gut ein Spieler ist? Wo ist die Statistik für den Basketball-IQ? Viele Spieler, die all die kleinen Dinge richtig machen und der Traum eines jeden Coaches sind, werden unterbewertet, weil sie nicht so athletisch oder extrovertiert sind. Hier geht es um das genaue Gegenteil: Spieler mit großen Namen, die aufgrund illustrer Vergangenheit oder blendender Eigenschaften oft zu gut eingeordnet werden.

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Wir alle sind schuldig. Jeder hat sich wahrscheinlich schon einmal von einer spektakulären Spielweise oder einer bestimmten Statistik blenden lassen und hat einem Spieler einen größeren Wert zugesprochen, als er ihn vielleicht verdient hat.

Die NBA ist die Liga mit den wohl detailreichsten individuellen Statistiken und wahrscheinlich ist es gerade deswegen so schwierig, die Qualität eines Spielers wirklich fair zu bewerten. Dass Punkte ≠ Offensivqualität und Blocks ≠ Defense sind, verstehen inzwischen die meisten.

Doch auch Advanced Stats alleine können die Qualität eines Spielers nicht definieren und verwirren mitunter eher. Aber oft sind sie ein gutes Hilfsmittel, einen ersten Blick hinter die Fassade zu wagen und zu überprüfen, ob die subjektive Wahrnehmung auch wahrheitsgemäß ist. Im Folgenden geht es darum, an prominenten Beispielen aufzuzeigen, dass auch in der NBA nicht alles Gold ist, was glänzt.

Derrick Rose

Das MVP-Jahr von Derrick Rose ist gefühlte zehn Jahre her. Die meisten wissen, dass sich Rose' Karriere seitdem in steiler Talfahrt befindet. Viele wollen ihm dennoch zuschreiben, auch heute noch ein Star in der NBA zu sein. Wie weit er davon mittlerweile tatsächlich entfernt ist, ist dabei fast schockierend.

Seine vorerst letzte Saison als Teil der Chicago Bulls schloss er auf Platz 75 im Real +/- unter allen Point Guards der NBA ab. Nur vier waren schlechter. Auch sein Player Efficiency Rating, das ihn auf Platz 44 der Point Guards nach unten katapultierte, zeigt, dass Rose - Stand jetzt - wenn überhaupt ein unterdurchschnittlicher Point Guard in der Liga ist.

Die zahlreichen Knieoperationen haben Narben hinterlassen und den einst so spektakulären Rose seiner größten Qualität beraubt - seinem Zug zum Korb. So verlässt er sich heutzutage immer mehr auf den Jumpshot und zaubert damit jedem gegnerischen Coach ein Lächeln aufs Gesicht. Rose' letztjähriger True Shooting-Wert von 47 Prozent lässt selbst Ricky Rubio wie einen Knockdown-Shooter aussehen.

Effizient schießen konnte Rose noch nie. Er gehört sogar zu den schlechtesten High-Volume-Shootern der NBA-Historie. Auf der Liste der 345 Spieler, die in ihrer Karriere mindestens 1000 Dreier geworfen haben, belegt Rose von der Quote her Platz 335.

Wenn man all diese Defizite bedenkt, sollte man meinen, dass Rose diese immerhin durch seine Qualitäten als Ballverteiler kompensiert, oder? Nope. Auch in dieser Rubrik hat sich Rose seit seiner Verletzung erfolgreich ans untere Ende des Spektrums gespielt.

Zum ersten Mal seit langem hatte Rose in diesem Jahr eine verletzungsfreie Offseason. Man kann nur hoffen, dass er sich dadurch einen Teil seiner Athletik zurückholen konnte, die ihn vor einigen Jahren so dominant machte. Ansonsten wird es für NBA-Teams längerfristig immer schwieriger, den Rose von heute als Starting Point Guard zu rechtfertigen.

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Jamal Crawford

Spätestens nach seiner dritten Auszeichnung zum Sixth Man of The Year mehren sich die Advokaten, diesen Titel den "Jamal-Crawford-Award" zu nennen. Dabei war diese Auszeichnung in der letzten Saison ein Schlag ins Gesicht für die Manu Ginobilis, Andre Iguodalas und Evan Turners dieser Liga.

Zugegeben, Crawford ist mit seinen 36 Jahren geschmeidig wie eh und je, wenn er seine Gegenspieler per Crossover auf den Boden schickt. Da sich bei ihm auch optisch in den letzten Jahren wenig getan hat, gilt er mittlerweile als Benjamin Button der NBA.

Als personifiziertes Highlight landete Crawford auch in der letzten Saison des Öfteren in den Top-Plays und gehörte zu den erfolgreichsten Punktesammlern von der Bank. Die Frage, wie viele Versuche der Clippers-Guard für diese Punkte brauchte, stellen die meisten aber nicht. Er traf nur 40,4 Prozent seiner gesamten Würfe.

Unter allen Spielern die - wie er - mindestens elf Mal in Richtung Korb warfen, gab es nur drei, die das noch ineffizienter taten. Und bei allen Highlights sollte das Hauptqualitätsmerkmal für einen Spieler die Frage sein, ob er sein Team wirklich besser macht. Hier wurde jedoch ein Spieler belohnt, der sowohl die Defense, als auch die Offense seines Teams negativ beeinflusste.

Die Realität ist, dass Jamal Crawford ein schwarzes Loch für die Offense der Clippers war. Seine teils spektakulären Pässe können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Assist-Percentage des Teams dramatisch absank, sobald er das Parkett betrat. Oben drauf gehört Crawford zu den schlechtesten Reboundern auf seiner Position und ist bei weitem kein Tony Allen, was die Qualitäten in der Defense angeht.

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Kenneth Faried

Faried ist ein absolutes Unikat in der NBA. Ein Power Forward, der weder werfen, noch wirklich dribbeln oder passen kann. Und das in einer Liga, die so viel Spacing wie möglich anstrebt. Es ist offensichtlich, was Faried nicht kann. Seine außerordentliche Athletik, gepaart mit unbändigem Willen, verschaffte ihm dennoch über Jahre einen festen Platz in der Liga.

Diese Qualitäten zeigte Faried vor allem beim amerikanischen WM-Triumph 2014, als die anderen Nationen nie eine Antwort auf seine Energie fanden. Einen Vertrag über 50 Millionen Dollar und ein paar Jahre später stellt sich nun wieder die Frage, wie groß Farieds Wert in der heutigen NBA ist.

Neben der stark limitierten Offense, soll es vor allem Farieds Defense sein, die seine Qualität ausmacht. Doch mit ihm auf dem Court ließen die Nuggets im letzten Jahr eine Wurfquote von 47,3 Prozent zu. Das würde den zweitschlechtesten Wert aller Teams bedeuten.

Das liegt vor allem daran, dass bei Faried - trotz seines Rufs als Shotblocker - auf dem Weg zum Korb meistens Tag der offenen Tür ist. Am Ring ließ Faried eine groteske gegnerische Abschluss-Quote von fast 60 Prozent zu. Ganz allgemein sind viele seiner Qualitäten oberflächlich und auch eigensinnig.

Für einen Großteil seiner Rebounds opfert er die Help-Defense, andersrum jagt er lieber spektakuläre Blocks, statt seinen Gegner solide auszuboxen. Stand jetzt ist Faried ein undisziplinierter Verteidiger, der dazu offensiv nur sehr wenig wirklich gut kann.

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Rajon Rondo

Rajon Rondo - NBA-Champion. Nicht nur dadurch ist er für viele schon jetzt eine Point Guard-Legende. Seine Assist-Compilations bei YouTube gehören zu den beliebtesten und meistgeklicktesten Basketballvideos überhaupt.

Rondo ist ein "Gewinner". Als "Playoff-Rondo" bezeichnet man das Phänomen, dass er aus dem Stand den Schalter umlegen und seinen Gegner dominieren kann. Nach den glorreichen Jahren mit den Celtics, in denen er bis auf die letzten beiden Jahre stets zwei bis drei Stars neben sich hatte, nahm seine Karriere eine unschöne Wende. Statt sportlichen Eigenschaften, war es dabei vor allem sein Charakter, der für negative Schlagzeilen sorgte.

In seiner Zeit bei den Mavericks um Dirk Nowitzki brachte Rondo vor allem Unruhe in ein Team, das vorher die potenteste Offense der Liga stellte. Das Experiment gipfelte letztlich darin, dass ein bockiger Rondo von Coach Carlisle noch während der Playoffs aus dem Kader geworfen wurde.

Dass Unruheherd Rondo dann bei den ohnehin schon dysfunktionalen Kings keine gute Idee war, hätte eigentlich niemanden überraschen dürfen. Seitdem Ray Allen, Paul Pierce und Kevin Garnett seine Seite verlassen haben, hat Rondo es nicht geschafft, zu beweisen, dass er sein Team wirklich besser machen kann.

Er ist ein noch schlechterer Shooter als Derrick Rose. Das ist ein Problem. Die defensive Aufmerksamkeit, die für Rondo nicht gebraucht wird, kann so problemlos auf seine Mitspieler verteilt werden. Er gehört zwar nach wie vor zur absoluten Elite, was seine Passqualitäten angeht, jedoch benutzt er diese nur selten gewinnbringend für sein Team.

Oft hält er solange den Ball, bis er endlich den nächsten Assist für seine Statistik erzwingen kann. Das führt dann zwar häufig dazu, dass Rondo die Liga in Assists anführt (2015/16: 11,7 Vorlagen), aber nicht zu einer flüssigen, effizienten Offense.

Hinzu kommt, dass Rondo zwar jegliche Merkmale eines überragenden Verteidigers mitbringt, jedoch die letzten Jahre den dafür nötigen Willen vermissen ließ. In Boston hat man vor Jahren gesehen, wie gut Rondo in einem Konstrukt sein kann, das perfekt zu ihm passt. Hat man das nicht mehr, landet der Wert Rondos schnell im Keller. In Chicago hat er nun die nächste und vielleicht letzte Chance, das Gegenteil zu beweisen.

Countdown: Die Top 10 Spieler der NBA

Fast jeder NBA-Fan liebt dominante Athletik und spektakuläre Aktionen auf dem Court. Doch manchmal ist das nur die halbe Wahrheit. Basketball ist ein komplexer Sport. Häufig ist daher ein zweiter und dritter Blick hinter die Fassade eines Spielers nötig, um ihn wirklich passend zu bewerten. Das gilt auch für die (vermeintlichen) Stars und großen Namen der Liga.

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