NBA

Zwei für alle Fälle

LeBron James und Kyrie Irving legten jeweils 41 Punkte in Spiel 5 gegen die Warriors auf
© getty

Mit dem Rücken zur Wand und vor einer atemberaubend hasserfüllten Kulisse liefern James und Irving ihr bestes gemeinsames Spielab. Aus den einstigen Big Three ist schon längst ein Duo geworden. Dennoch verbleibt ein weiterer Matchball, den es abzuwehren gilt.

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Als LeBron James kurz nach dem lebenswichtigen Sieg in der Oracle Arena seinen Platz auf der Pressekonferenz einnahm, wollte er gar nicht über sich reden. Anlass dazu hätte es durchaus gegeben. Seine 41 Punkte und 16 Rebounds, mit denen er einen entscheidenden Beitrag dazu leistete, dass die vorzeitige Meisterschaftsfeier der Warriors verhindert wurde, waren in vielerlei Hinsicht historisch.

Mindestens 40 Punkte und 15 Rebounds in einem Finalsspiel legten außer James lediglich Wilt Chamberlain und Elgin Baylor auf. Eine illustre Gesellschaft. Es war James' 174. Playoffspiel mit mindestens 20 Punkten, womit er sich zum Rekordhalter vor Michael Jordan aufschwang. In Elimination-Games in den Playoffs steht der King nun durchschnittlich bei 32,4 Punkten. Auch das ist ein Rekordwert.

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Es wäre also nicht verwegen gewesen, wenn der Superstar der Cavaliers über sich und seine phänomenale Leistung geredet hätte. Stattdessen blickte James aber gleich Kyrie Irving an, der neben ihm saß, und stellte mit einem Blick auf seinen kongenialen Partner fest: "Es ist etwas ganz Besonderes, einen Jungen wie ihn im Team zu haben. Es war vielleicht eine der besten Leistungen, die ich jemals live miterleben durfte."

"48 Minuten lang komplett ruhig"

Wer das Spiel zuvor verfolgt hatte, der konnte James eigentlich nur beipflichten. Es war schlichtweg unglaublich, was Irving mit dem amtierenden MVP in der Defensive anstellte, wie er reihenweise bestens verteidigte Würfe über Curry und Thompson versenkte, ohne Zucken Dreier um Dreier versenkte, eine beinahe unheimliche Sicherheit in der Zone ausstrahlte. Am Ende standen 41 Punkte und eine Wurfquote von 70,8 Prozent. Auch hier hat lediglich Wilt Chamberlain anno 1970 bessere Werte aufgelegt.

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"Besonders beeindruckt hat mich, dass er 48 Minuten lang komplett ruhig geblieben ist. Er hat nie überdreht, seine perfekt getimten Würfe haben uns den Weg zum Sieg geebnet", führte James weiter aus. Auch dieses Lob zielte genau in die richtige Richtung. Irving lief nicht zu einer gewissen Phase des Spiels heiß, er punktete vielmehr über die gesamte Spielzeit mit einer unvergleichbaren Leichtigkeit.

Nun gibt sich der selbsternannte King seit einiger Zeit demütiger. Eigenlob ist ihm fremd geworden, wäre an dieser Stelle aber durchaus angebracht, schließlich ließe sich seine Lobrede auf Irving problemlos erweitern. So war nicht nur die Leistung beider Einzelspieler, sondern die des Cavs-Duos insgesamt mit das beste, was die NBA-Finals jemals gesehen haben.

"Kann nur den Hut ziehen"

Zwei Spieler mit mehr als 40 Punkten in einem Team? Das gab es zuvor noch nie in einer Finalserie. In der zweiten Halbzeit erzielten die beiden Cavs-Stars gemeinsam mehr Punkte (39) als alle Warriors zusammen (36). Dabei trafen sie 24 von 42 Feldwürfen, die gut verteidigt waren. Sie waren an den letzten 25 Fieldgoals der Cavaliers im Spiel durch einen eigenen Treffer oder einen Assists beteiligt.

"Du kannst nur den Hut vor den beiden ziehen. Sie hatten einen großartigen Abend und haben so viele schwierige Würfe verwandelt", musste auch Stephen Curry nach dem Spiel zugeben. Der MVP musste beinahe hilflos mit ansehen, wie Clevelands Duo die Verletzung von Andrew Bogut gnadenlos ausnutzte und den Warriors immer wieder den Finger in die Wunde legte.

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Ob jenseits der Dreierlinie, aus dem Dribbling, der Mitteldistanz oder unter dem Korb, James und Irving punkteten extrem flexibel und hochprozentig. Sicherlich lag das auch daran, dass den Warriors mit Green der beste Verteidiger fehlte, der die Effektivität beider Stars in den ersten Spielen deutlich eindämmen konnte, dennoch verdient die Leistung höchsten Respekt.

Das wird vor allem deutlich, wenn man auf die Begleitumstände schaut. Gerade James bekam den kompletten Hass der Halle schon weit vor dem Spiel zu spüren und verbrachte keine ruhige Minute auf dem Feld. Für die Cavs ging es auswärts zudem ums pure Überleben gegen eines der besten Heimteams der NBA-Geschichte.

Keine Big Three

Es war das Meisterstück der Zusammenarbeit zwischen James und Irving, die gerade am Anfang nicht immer ganz leicht war. Die Cavs hatten eine derartige Leistung ihres Duos allerdings auch bitter nötig. "Unsere Spieler vertrauen auf unsere Fähigkeiten. Ich bin sehr dankbar dafür, gleichzeitig weiß ich aber auch, dass wir ohne unsere Leistung nirgendwo stehen würden", offenbarte Irving.

In der Tat zeigte gerade Love, der vor zwei Jahren noch als elementarer Bestandteil der neuen Big Three vorgestellt wurde, einmal mehr eine äußerst dürftige Leistung, agierte nahezu unsichtbar und traf gerade einmal einen Feldwurf bei fünf Versuchen. Der Power Forward wirkt immer verzichtbarer. Außer James und Irving schaffte es lediglich Richard Jefferson halbwegs effektiv zu punkten.

Der Rest des Teams nahm an der Seite der Stars immerhin den Kampf an, ohne offensiv große Akzente zu setzen. "Wir haben nie aufgegeben. Ich bin sehr angetan von unserer Leistung und stolz darüber, dass wir immer weiter hart gespielt haben", resümierte Cavs-Coach Tyronn Lue.

Nicht noch ein Fabelspiel?

In Cleveland weiß man also, dass man sich auf sein kongeniales Duo verlassen kann, durch die Rückkehr von Green in Spiel 6 sind aber auch die Mitspieler wieder etwas mehr gefordert. Dann hilft es nicht mehr nur, im Angriff Platz zu machen und zur Seite zu gehen.

Bei aller offensiver Brillanz ist ein derartiges Fabelspiel, in dem James und Irving gemeinsam 82 Punkte auflegen und mehr als zwei Drittel der Cavs-Punkte erzielen, nur schwer zu wiederholen. Unmöglich ist es aber auch nicht. Die Cavs müssen dafür vor allem den Spirit, den sie in Spiel 5 an den Tag legten, wieder abrufen.

Schließlich ist die Ausgangslage auch vor dem nächsten Spiel unverändert. "Es hat sich absolut nichts getan. Wir stehen noch immer mit dem Rücken zur Wand", stellte J.R. Smith richtigerweise fest. Wie gut, dass man zwei Spieler für genau solche Fälle in den eigenen Reihen hat.

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