NBA

Es war einmal…kein Märchen!

Von Jérôme Rusch
Danilo Gallinari ist der bestbezahlte Spieler im Nuggets-Team
© getty

Eigentlich hatten bei den Denver Nuggets viele einen Umbruch erwartet, nachdem in der Vorsaison lediglich 30 Spiele gewonnen wurden. Stattdessen hielt man fast alle Spieler, abgesehen vom "faulen Apfel" Ty Lawson. Das Team setzt auf Kontinuität, einen neuen Coach - und natürlich den neuen Hoffnungsträger. Gefahren sind dennoch oder gerade deswegen en masse vorhanden.

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Es war einmal, vor nicht allzu langer Zeit am östlichen Fuße der Rocky Mountains. Die Denver Nuggets stehen nach der besten Saison der Franchise-Geschichte in den Playoffs. Als drittbestes Team der Western Conference und mit einer 3-1 Bilanz gegen die Warriors aus der Regular Season gehen die Mannen von George Karl als Favorit in die erste Runde. Aus der ersten Schlacht treten die Goldstücke siegreich hervor. Dann aber folgt der bittere Absturz und sämtliche Hoffnungen finden nach der 2-4-Niederlage ein jähes Ende.

Karl, seines Zeichens Trainer des Jahres 2013, wird das Zepter entrissen, was gleichbedeutend mit einem Neuanfang ist. Ein Neuanfang, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Ein Neuanfang, der auch in den kommenden Jahren andauern wird und dessen neuer Herrscher - nach Brian Shaw und Melvin Hunt - auf den Namen Michael Malone hört.

Neuaufbau? Fehlanzeige

Im Gegensatz zum Übungsleiter wird das Team der Nuggets allerdings relativ unverändert in die neue Saison gehen. GM Tim Connelly verlängerte die Verträge mit Danilo Gallinari, Wilson Chandler, Will Barton und Jameer Nelson allesamt um mehrere Jahre. In dieser Hinsicht lautet das Motto klar: Kontinuität ist Trumpf.

Es ist allerdings fraglich, wie überzeugt die Nuggets selbst von dieser Kontinuität sind. Gerade das Festhalten an Gallinari ist nicht zwingend ein Selbstläufer gewesen, wie die zahlreichen Gerüchte um einen etwaigen Trade auch verdeutlichten. Sicher, der Small Forward ist - wenn fit - einer der besseren auf seiner Position, offensiv gar einer der besten. Doch seine Gesundheit ist eben keine Konstante. 81, 14, 48, 43, 71, 59 - das ist nicht etwa die Spind-Kombination des Italieners, sondern stellt seine absolvierten Spiele in den letzten sechs Jahren dar.

Kann Gallinari langfristig verletzungsfrei bleiben, ist sein Deal für die Nuggets angesichts des steigenden Salary Caps sogar eine Art Steal, denn Gallo konnte am Ende der vergangenen Spielzeit andeuten, welch wichtiger Spieler er sein kann: Im April legte er 22,3 Punkte bei einer Quote von gut 52 Prozent (inklusive 46,3 Prozent von Downtown) auf und steuerte zudem 5,5 Rebounds bei. Ist er jedoch weiterhin nur eine Teilzeitkraft, werden durchschnittlich je 15 Millionen pro Jahr nichts als Ballast sein. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich sogar der Spieler ob dieser Verlängerung überrascht zeigte, wie er in einem Telefoninterview mit der Denver Post durchklingen ließ.

Ohne Plan ins Chaos?!

Neben Gallinari haben die Nuggets auch Chandler gehalten. So weit, so schlecht. Denn wie Gallo ist auch Chandler vornehmlich auf der Drei zu Hause. Beide können zwar auf Power Forward ausweichen, aber dort wartet in Person von Kenneth Faried bereits jemand, der sich auch nicht freiwillig aus seinem Revier verjagen lassen wird.

Ganz plastisch bedeutet diese Konstellation: Mit 14, 11,2 und 10,4 Millionen nehmen diese drei Spieler ungefähr die Hälfte des Personalaufwandes für sich ein. Eine ungünstige Zusammenstellung, die Fragen aufwirft. Warum wollte man sich nicht für einen entscheiden - und sind eventuell einer oder sogar mehrere dieser Forwards per Trade zu haben? Oder sollen tatsächlich alle von ihnen Teil der langfristigen Planungen sein?

Nur Indianer, kein Häuptling

Die Ausdehnung der Arbeitsverhältnisse mit Barton (Shooter ohne Dreier) und Nelson (solider Backup) war - zu den abgehandelten Konditionen - dagegen folgerichtig. Angemessen bezahlte Rollenspieler sind ein gern gesehenes Zubrot und für etwaige Trade-Szenarien ein wertvolles Gut. Von diesen besitzt Denver derzeit eine ganze Menge.

Auch Spieler wie Randy Foye und J.J. Hickson, der sich zur Freude etlicher Denver-Anhänger in seinem letzten Vertragsjahr befindet, sowie Darrell Arthur und Kostas Papanikolaou, der noch bis zum 4. Oktober entlassen werden könnte, sind lediglich preiswerte Kaderfüller und Assets, die mitunter bereits seit längerer Zeit in Colorado beheimatet sind.

Wunderkind ersetzt Problemfall

Im Gegensatz zu Emmanuel Mudiay. In dem an 7. Stelle gedrafteten Rookie findet man in Denver die einzige Änderung gravierender Natur vor. Der 19-Jährige wird den (für einen Dumpingpreis) zu den Rockets verschacherten Ty Lawson als Starter auf der Eins ersetzen und ist der große Hoffnungsträger in Denver. Über Mudiay, der den Sprung ans College durch ein Engagement in China ersetzte, sagte LMU-Coach und Trainer-Legende Larry Brown: "Er verteidigt, er kann mit Druck umgehen, er versteht das Spiel."

Ty Lawson: Eine Anomalie des Marktes

Eigenschaften, die ihn für die große NBA-Bühne prädestinieren. Mudiay wird von vielen bereits als Steal des diesjährigen Drafts gehandelt. In Fernost ist der Junge zum Mann gereift, was sich auf dem Court zeigt: Er beeindruckt durch unvergleichliches Spielverständnis und eine Gewinnermentalität, die ihn zum Kern der Nuggets-Zukunft machen könnten. Vergleiche mit Russell Westbrook und John Wall liegen aufgrund seiner Spielweise und körperlichen Statur nahe. An seiner unterirdischen Dreierquote (14,3 Prozent in der Summer League!) wird er allerdings noch viel arbeiten müssen.

Dieser Makel haftet gewiss nicht ihm alleine an. Etliche Point Guards weisen diese Schwäche auf und man kann das Problem umgehen, indem man ihm potente Scharfschützen zur Seite stellt. Dennoch ist es ein Negativpunkt, der ihn und sein Spiel beschneidet. Aber der Kongolese ist selbstredend noch jung und kann sich in dieser Hinsicht entwickeln.

Emmanuel Mudiay im Porträt

Mit dem Lawson-Trade wurden dem jungen Hoffnungsträger direkt die Schlüssel zur Franchise übertragen. Außerdem steht ihm mit Nelson ein respektierter Veteran zur Seite, der ihm den Alltag eines Profis nahe bringen kann.

Problemzone Center?

Auch auf der Fünf wissen die Nuggets mit Jusuf Nurkic einen talentierten Big Man in ihren Reihen. Dem Vernehmen nach zeigte sich der Bosnier nach dem Sommer (deutlich) schlanker. Als Anker in der Zone könnte er zu Malones neuem Defensivpfeiler werden. Von großem Interesse wird sein, ob der 2,11-Meter-Hüne nach seiner Patellasehnen-OP im Vollbesitz seiner Kräfte ist.

Denn viel Spielraum besitzt Denver auf der Center-Position nicht - quantitativ und qualitativ. Mit Nikola Jokic (20 Jahre, Rookie) und Joffrey Lauvergne (23 Jahre, eine Saison Erfahrung) steht eine junge und unerfahrene Garde bereit. Aber wer weiß, vielleicht flüchtet sich Malone auch in den Smallball.

Eldorado im Schatten - mit Aussicht auf Licht?

Wohin die Reise der Nuggets mit dieser Truppe gehen wird, ist reichlich ungewiss. Klar scheint, dass mit diesem Kader in absehbarer Zukunft nicht viel zu holen sein wird. Angesichts dieser Aussicht wirken auch einige Schritte in der Offseason auf den ersten - und zweiten - Blick nicht zwingend durchdacht und optimal.

Immerhin - und das ist die gute Nachricht - weiß man in Denver mit Mudiay und Nurkic zwei Spieler in seinen Reihen, die in den nächsten Jahren das Gesicht der Franchise bilden können. Zusätzlich bietet der Roster genügend Spielraum und faire Kontrakte, um im Fall der Fälle einen anderen Weg einschlagen zu können.

Zumindest schüren die Verantwortlichen eine Art Aufbruchstimmung: "Die Jungs haben sich effektiv dazu entschlossen, bei uns zu sein. Damit haben sie ihren Willen für die Organisation und die Stadt gezeigt - es ist aufregend", so GM Conelly. Aufregend wird es gewiss. Ob sie sportlich aber bis ans Ende ihrer Tage glücklich leben werden, ist an dieser Stelle nicht überliefert.

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