NBA

Die Rückkehr ins Ungewisse

Paul George stand in der vergangenen Saison lediglich in 6 Spielen auf dem Court
© getty

Paul George stieg binnen weniger Jahre vom Bankwärmer zum kommenden Superstar auf. Vor rund einem Jahr unterbrach eine schwere Verletzung erstmals seinen rasanten Anstieg - nun will er ihn fortsetzen. Eine neue Rolle auf dem Court soll PG-13 dabei helfen, selbst wenn er sich noch wehrt.

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Es gibt diese Momente, in denen Basketball-Fans aller Art - egal, welches Team sie anfeuern - kollektiv die Luft anhalten. In denen sie zuerst geschockt sind, dann auf Glück im Unglück hoffen und schlussendlich den Kopf schütteln mit dem Gedanken 'Verdammt, warum ausgerechnet er?'

Das Parade-Beispiel der letzten Jahre für dieses Phänomen heißt zweifellos Derrick Rose - wann immer der MVP von 2011 auch nur eine Miene verzieht und damit Schmerz andeutet, befürchtet ein jeder NBA-Liebhaber das Schlimmste. Die letzten Jahre haben die Leute eben vorsichtig gemacht.

Bei Paul George gibt es zwar nicht diesen "Wiederholungsfaktor", dafür ist der graphische umso stärker. Vor rund einem Jahr brach sich der Pacers-Star bei Team USA das Bein auf so eine grässliche Art, dass man die Bilder auch heute nur schwerlich aus dem Kopf bekommt. Erinnerungen an die Horror-Verletzungen von Shaun Livingston und Andrew Bogut kamen binnen Sekunden hoch.

Die neuen Pacers: Operation Pace

Zunächst wurde sogar befürchtet, dass die Karriere des jungen Forwards beendet sein könne. Diese finsteren Prophezeiungen stellten sich zum Glück als falsch heraus - vielmehr handelte es sich beim (glatten) Unterschenkelbruch um einen temporären Rückschlag. Selbst das war für PG-13 in den Jahren zuvor allerdings von großem Seltenheitswert.

Auf einmal in der MVP-Konversation

Kaum ein junger Spieler war zwischen 2010 und 2014 schneller aufgestiegen. Als Rookie gab es noch Fragezeichen über seine Arbeitseinstellung, die ihn bereits am College begleitet hatten. Doch George steigerte sich mit jedem Jahr und wurde bereits in seiner dritten Saison All-Star sowie Most Improved Player.

Ein Jahr später ging es ähnlich rasant weiter - Paul stürmte mit den Pacers früh in der Saison durch die Liga und fand seinen Namen schlagartig sogar in der MVP-Konversation wieder. Auch wenn das Team schlussendlich kollabierte und auch er seinen Wahnsinns-Output der ersten Monate nicht bestätigen konnte - wobei 21,7 Punkte, 6,8 Rebounds und 3,5 Assists pro Spiel sicher nicht schlecht sind -, hatte er sich in der Riege der besten jungen Spieler etabliert.

Dementsprechend galt er auch als einer der Spieler, die ihren Platz für die WM bei Team USA definitiv sicher hatten, bis ihm ein Sturz auf die Korbanlage einen Strich durch die Rechnung machte. Noch heute sind die "Schuldgefühle" bei USA Basketball so groß, dass George angeblich einen Kaderplatz für Olympia 2016 sicher hat - sofern er denn fit bleibt.

"Das Gefühl gehabt, ich wäre unverwundbar"

Denn das ist zunächst mal die Hauptsache für George. Deshalb hat es ihm niemand übel genommen, dass er das Mini-Camp von Team USA nach einem Gespräch mit Mike Krzyzewski wieder verließ, obwohl er prinzipiell fit war. Die schwere Verletzung im letzten Sommer und die Waden-Verletzung nach seinem Mini-Comeback im April haben ihn vorsichtiger werden lassen.

"Ich war einfach tief enttäuscht", blickte George im Januar in einem Gespräch mit dem Bleacher Report auf den Moment der Verletzung zurück. "Unglaublich traurig, dass ich nicht für mein Team da sein konnte und das tun konnte, was ich liebe."

Auch psychologisch hinterließ die Verletzung Spuren, wie er im selben Interview eingestand: "Ich habe vorher immer das Gefühl gehabt, ich wäre unverwundbar. So oft bin ich beim Spiel auf dem Boden gelandet, konnte aber sofort wieder aufstehen. Eine richtige Verletzung hatte ich noch nie erlebt - ich akzeptiere jetzt, dass dies ein Teil meiner Geschichte sein wird. Sie wird mich im Endeffekt stärker machen."

"Als wäre das ewig her"

Dieser Überzeugung - und diesem Ziel - hat sich George verschrieben, seitdem er das Krankenhausbett erstmals verlassen durfte. Er arbeitete mit einem Eifer, den sein Coach Frank Vogel mit dem legendären Einsatz von Kobe Bryant verglich, und schaffte es entgegen aller Prognosen noch in der abgelaufenen Saison zurück auf den Court. Auch wenn dieses Comeback wie erwähnt bloß 6 Spiele andauerte, bevor er sich erneut verletzte.

Nun hatte er abermals viel Zeit, um sich zu erholen und gleichzeitig seinen Körper zu stählen. Bei einem Sponsorenevent auf den Philippinen demonstrierte er mit einigen Dunks, dass die Athletik wieder da ist - und auch mental sieht er sich wieder voll auf der Höhe.

"Es kommt mir mittlerweile vor, als wäre das ewig her. Ich denke eigentlich nicht mehr dran, bin drüber hinweg. Ich kann wieder bedenkenlos spielen", sagte George kürzlich. Bei den Pacers herrscht freilich trotzdem noch eine andere Mentalität vor - sie wollen ihren wertvollsten Spieler schützen, gerade in ihrer aktuellen Phase.

Bird: "Ich habe die Vier geliebt"

Im Sommer wurde das Team grundlegend verändert, von der alten Starting Five um Roy Hibbert, David West, Lance Stephenson, George Hill und eben PG-13 sind nur noch die beiden Georges da. Die Pacers wollen sich dem gängigen Small-Ball-Trend anpassen - was auch für George Folgen haben wird. Denn ähnlich wie LeBron James, Kevin Durant oder Carmelo Anthony vor ihm wird auch er zumindest zeitweise eine Position aufrücken.

Angeblich ist George nicht wirklich begeistert von der Vorstellung, als Power Forward aufzulaufen. Teampräsident Larry Bird gab allerdings umgehend zum Besten, dass der Spieler diese Entscheidung ja nicht zu treffen habe, und erklärte auch gleich noch die Vorteile. Schließlich hatte Larry Legend selbigen Wandel früher ebenfalls erlebt.

"Ich weiß, wie mir das geholfen hat. Ich habe die Vier geliebt", erklärte Bird, "offensiv wird das für ihn eins der schönsten Gefühle, die er je erlebt hat. Und nach seiner Verletzung ist das auch eine gute Möglichkeit für ihn, gesünder und stärker zu werden, weil er in der Defense nicht die ganze Zeit am Flügel Spielern hinterher rennen muss. Die nötige Kraft gegen die meisten Vierer hat er sowieso."

Bird als Mentor

George sollte auf Bird hören - gegen die allermeisten Vierer dürften ihm seine Schnelligkeit und seine Länge tatsächlich Vorteile bereiten. Die Möglichkeit, vom vielleicht besten Forward der NBA-Geschichte zu lernen, ist sicher auch nicht zu unterschätzen.

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Und wenn dann doch mal eins der wenigen Matchups mit den Pau Gasols oder Zach Randolphs dieser Welt anstehen sollte, kann Vogel ihn immer noch zurück auf den Flügel beordern. Er soll schließlich auch nicht seine kompletten Minuten auf der Vier abreißen.

Ein ESPN-"Diss" als Motivation

All dies ist Stand jetzt natürlich bloßes Gedankenspiel. In der Theorie mag es funktionieren, in der Praxis muss George erst noch zeigen, dass er körperlich wirklich wieder komplett auf der Höhe ist und - vielleicht noch wichtiger - weder Kontakt noch dessen Folgen fürchtet. Dass seinen Fans eben nicht die emotionale Achterbahnfahrt bevorsteht, wie sie Anhänger von D-Rose seit Jahren erleben.

Auch wenn er selbst kürzlich davon sprach, in der kommenden Saison MVP werden zu wollen, ist ihm klar, dass er zunächst kleinere Hürden packen muss. Unter anderem muss und will er die Rolle als Leader einnehmen, die zuvor jahrelang West innehatte. Und das lässt sich auf dem Court eben deutlich besser erreichen als von der Seitenlinie.

Die Pacers stehen mit ihrer Neu-Ausrichtung vor einer sehr interessanten Saison. Insbesondere deshalb, weil kaum jemand George wirklich einschätzen kann. In der jährlichen ESPN-Voraussage landete Indiana nur auf Platz 9 im Osten - was den Star zu einem Lästertweet verleitete. Sieht aus, als hätte nicht nur er etwas zu beweisen.

Paul George im Steckbrief

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