NBA

Eine Achterbahn namens Sisyphos

Eric Bledsoe (M.) ist ein wesentlicher Bestandteil des jungen Kerns der Phoenix Suns
© getty

Die Phoenix Suns hatten im Sommer ein klares Ziel, das sie aber verfehlten. Trotzdem war die Offseason nur auf den ersten Blick eine Pleite. Die Suns sind immer noch sehr gut für die Zukunft positioniert - jetzt muss nur endlich mal Glück her. Vielleicht im nächsten Sommer.

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Es gibt in der NBA mehrere Möglichkeiten, ein Team neu aufzubauen. Man kann alles auf den Draft fokussieren und dafür zur Not auch ein paar Saisons opfern, wie es die Sixers derzeit zelebrieren. Man kann den Prozess auch durch die Free Agency oder Trades beschleunigen, wenn man auf einmal doch schon besser spielt als gedacht, wie etwa Boston in diesem Sommer.

In beiden Fällen hält man sich im Hintergrund immer die Möglichkeit offen, aktiv zu werden, wenn zufällig mal ein Superstar verfügbar wird. Cap-Space ist dafür zumeist Pflicht, Assets in Form von Extra-Picks oder Talenten für Sign-and-Trades sind ebenfalls gerne gesehen. Man will sich ja alle Optionen offen halten.

Oder man macht es wie die Suns und versucht, mehrere Wege gleichzeitig zu beschreiten. Mit Unterbrechungen, Kurswechseln und auf der Oberfläche widersprüchlichen Moves, die am Ende aber doch dem gleichen Ziel dienen. "Die letzten Jahre waren auf jeden Fall eine ziemliche Achterbahnfahrt", bestätigte Suns-GM Ryan McDonough kürzlich grinsend gegenüber Grantlands Zach Lowe.

"In Phoenix wird getankt"

Ein kurzer Rückblick auf die Amtszeit McDonoughs, der seit Sommer 2013 in Arizona die Fäden in der Hand hält und mit einer seiner ersten Amtshandlungen Jeff Hornacek zum Head Coach machte: Vom Suns-Besitzer Robert Sarver für einen Rebuild eingestellt, machte sich der GM direkt ans Werk und trieb über den Sommer junge Spieler wie Eric Bledsoe und (No.5-Pick) Alex Len sowie zusätzliche Draft-Picks auf.

Dem ohnehin nicht gerade hoch gehandelten Team gingen dadurch einige Veteranen wie Jared Dudley und Luis Scola verloren, weshalb die Suns vor der Saison 2013/14 bei den gängigen Wettbüros als Topfavorit auf die schlechteste Bilanz der Liga galten - ganze 16 Siege wurden ihnen zugetraut. "In Phoenix wird getankt", so die Überzeugung.

Es kam bekanntlich völlig anders. Goran Dragic spielte sich ins All-NBA Third Team, Hornacek in die engere Wahl zum "Coach des Jahres" - und die unfassbar schnell spielenden Suns wurden beinahe zur großen Cinderella-Story des Jahres, holten 48 Siege und verpassten um nur ein Haar die Playoffs.

Auf einmal erschien der Rebuild nach der Steve-Nash-Ära nicht mehr wie ein langfristiges Projekt. Man wähnte sich schon nah am Ziel, ein Contender zu werden - und bemühte sich im Sommer um Chris Bosh, Carmelo Anthony und sogar LeBron James, der den Suns gar ein Meeting gewährte. Es half am Ende nichts. Keiner der Superstars wollte sich der jungen, spektakulären Truppe anschließen und der neue Franchise Player in Phoenix werden.

Fehlgeschlagenes Experiment Thomas

Also ging man eben einen anderen Weg - und stellte dem in der Vorsaison so erfolgreichen Point-Guard-Duo Dragic und Bledsoe mit Isaiah Thomas noch einen weiteren balldominanten Einser an die Seite. Kurz vor der Saison unterschrieb Bledsoe nach langer Wartezeit auch noch einen neuen Fünfjahresvertrag über 70 Millionen Dollar.

Diesmal gab es gestiegene Erwartungen, die aber schon früh enttäuscht wurden. Der Überraschungseffekt war verflogen, die Harmonie stimmte überhaupt nicht mehr. Insbesondere Dragic war unzufrieden und forcierte letztlich vor der Trade Deadline seinen Abgang, am Ende waren er und Thomas beide weg - und der Kurs deutete schlagartig wieder auf "Rebuild", ohne dabei jedoch einen großen Aderlass im Kader verkraften zu müssen.

"Viele Teams müssen ihren Kader enorm kürzen, um Cap-Space frei zu machen", so McDonough, "das ist bei uns aber nicht der Fall. Wir wollen schnell gewinnen, aber auch etwas Langfristiges aufbauen."

Der Kern ist intakt

Zum Stichwort "langfristig" genügt ein kurzer Blick auf den Kader: Bledsoe ist bis 2018 unter Vertrag, ebenso wie Markieff Morris, dessen Vierjahresvertrag über 32 Millionen Dollar einem echten Schnäppchen gleichkommt, auch wenn er von nun an ohne Zwillingsbruder Marcus auskommen muss. Brandon Knight, der für Dragic geholt wurde und im Sommer gar bis 2019 unterschrieb, ist ebenfalls Teil der Zukunft in Phoenix.

Dazu kommen mit Len, T.J. Warren, Archie Goodwin und dem diesjährigen Rookie Devin Booker einige vielversprechende Youngster. Talent ist in diesem jungen Kern (niemand ist älter als 25) zweifellos vorhanden, einen Superstar sucht man allerdings immer noch vergeblich, wenn man Bledsoe oder Knight diesen Schritt nicht zutraut. Dementsprechend bemühte sich McDonough auch dieses Jahr um die dicken Fische.

Chandler als Lockvogel für Aldridge

Genauer gesagt um LaMarcus Aldridge. Phoenix holte zunächst Tyson Chandler aus Dallas und stattete ihn mit einem neuen Vierjahresvertrag aus - angesichts seines Alters (32) nicht gerade risikolos. Das Kalkül dahinter war jedoch, dass Aldridge bekanntermaßen neben einem echten Center spielen will und Chandler ligaweit sehr hohes Ansehen genießt.

Chandler galt als eine Art Lockvogel und war sogar als Überraschungsgast bei Phoenix' Meeting mit LMA dabei, um ihn vom Wechsel zu überzeugen - obwohl er aufgrund des Moratoriums noch gar nicht offiziell unterschrieben hatte. "Wir gehen die Dinge aggressiv an", so McDonough, "wir wollen Phoenix als echten Faktor während der Free Agency etablieren."

Beinahe hätte es geklappt - Berichten zufolge war Aldridge beeindruckt und nach dem Meeting hin- und hergerissen zwischen Phoenix und den Spurs. Das Resultat ist jedoch bekannt: Am Ende schauten die Suns wieder in die Röhre. Die Suche nach dem Franchise Player geht also weiter.

Geduld ist geboten

Angesichts dieser Enttäuschung könnte man die Offseason für Phoenix also als Flop werten, zumal dieses Team in der brutalen Western Conference wohl keine Bäume ausreißen wird. Es ergibt allerdings mehr Sinn, den Sommer als weiteren Schritt in der Entwicklung des Teams einzuordnen. Geduld ist gefragt, wie auch Robert Sarver weiß.

"Ich bin eigentlich kein geduldiger Mensch", so der Phoenix-Boss, "wenn man in der Geschäftswelt ständig Geduld beweist, wird man nicht den Erfolg haben, der den Kauf eines NBA-Teams ermöglicht. Aber in der NBA kann man keine Entscheidungen aufgrund einer Persönlichkeitseigenschaft treffen."

Zumal die Lage deutlich schlechter sein könnte. Der junge Kern kann weiter zusammen wachsen, abgesehen von den erwähnten Spielern und P.J. Tucker hat niemand einen garantierten Vertrag für die nächste Saison. Chandler wird 2018 überbezahlt sein, wenn er als 36-Jähriger 13,6 Millionen Dollar verdient. Bis dahin kann er sich aber als hilfreich erweisen. Als Spieler, als Mentor und auch als Lockvogel.

McDonough: "Muss aggressiv sein"

Denn Phoenix wird es erneut versuchen - so viel ist klar. Auch in der nächsten Offseason wird sich McDonough um Meetings bemühen, auch ein Trade während der Saison ist nicht ausgeschlossen, sollte auf einmal ein Superstar mit der "Gesamtsituation" unzufrieden sein. "Man braucht gutes Timing und Glück, man muss aber auch aggressiv sein", erklärt McDonough.

Assets hat Phoenix ohnehin, abgesehen von ihren eigenen Draft-Picks verfügen sie noch über drei weitere zukünftige Firstrounder aus Cleveland und Miami. Auch Cap-Space wird kommenden Sommer kein Problem darstellen, wenn der Salary Cap wie erwartet auf 89 Millionen (und danach 108 Millionen) ansteigt.

Selbst wenn sich McDonough nach den bisherigen Misserfolgen wie Sisyphos vorkommen mag, der immer wieder daran scheitert, seinen Stein den Berg hochzurollen - seine Mission ist noch nicht beendet. "In einem dieser Jahre werden wir mal den großen Preis gewinnen", gibt er sich optimistisch.

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