NBA

Raus aus der Schattenwelt

Eric Gordon erzielt in dieser Saison bisher 13,3 Punkte pro Spiel
© getty

Vor nicht allzu langer Zeit galt Eric Gordon als kommender Superstar auf der Zwei; beim größten Trade der Franchise-Geschichte galt er als Hauptpreis für die New Orleans Pelicans (Sonntag, um 20.30 Uhr bei den L.A. Clippers im LIVE-STREAM FOR FREE). Bisher verlief seine Zeit in Louisiana aber alles andere als glücklich, für einige Pelicans-Fans ist er sogar ein rotes Tuch. In den letzten Wochen zeigt er jedoch endlich ansteigende Form.

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Begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise.

Wir schreiben den 14. Dezember 2011. Soeben wurde Chris Paul von den New Orleans Hornets zu den Los Angeles Clippers getradet. Dafür kamen Al-Farouq Aminu, Chris Kaman, ein 2012er Erstrundenpick (der Austin Rivers wurde) und Eric Gordon nach Louisiana.

Bei allem Aufruhr, den New Orleans durch den Trade seines besten Spielers verursachte, war der Move doch logisch; dass Paul weg wollte, war jedem klar. Und was die Assets anging, war das mediale Echo den Umständen entsprechend positiv. Schließlich wirkte Gordon wie ein kommender Superstar.

Der damals 22-Jährige hatte gerade seine dritte Saison in L.A. hinter sich und an der Seite von Rookie-Sensation Blake Griffin, Baron Davis, DeAndre Jordan und Eric Bledsoe 22,3 Punkte pro Spiel aufgelegt. "ESPN"-Kolumnist Bill Simmons hatte ihn da bereits zum "besten Shooting Guard unter 30" gekürt - und das wirkte nicht einmal übertrieben.

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Gefangen im Fegefeuer

Aus heutiger Sicht dagegen wirkt die Aussage dagegen verrückt, und das liegt bei weitem nicht nur an der rasanten Entwicklung von Off-Guards wie James Harden oder Klay Thompson. Vielmehr hat sich Gordon seither komplett in die falsche Richtung entwickelt. Seit seiner Ankunft in New Orleans lebt er in einer Art basketballerischem Fegefeuer.

Seit seiner Ankunft ist er extrem verletzungsgeplagt. 2011/12 absolvierte er gar nur neun Spiele, auch in den folgenden Spielzeiten fiel er über weite Strecken aus. Schulter, Leiste, das rechte Knie - irgendetwas schien ihn immer wieder zu behindern. Auch in der laufenden Saison hat er bereits 21 Spiele verpasst, in erster Linie wegen seiner Schulter.

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Natürlich haben auch seine Leistungen darunter gelitten. Sein Punkteschnitt ist in jedem Jahr seit dem Trade gesunken - von 20,6 über 17 auf 15,4 Punkte pro Spiel. In der laufenden Saison sind es gerade einmal 13,3 Punkte bei 41 Prozent aus dem Feld. Das klingt nicht unbedingt so, als sollte Gordon der mit Abstand bestbezahlte Spieler der Pelicans sein (knapp 15 Millionen Dollar pro Jahr).

Das Herz ist in... Phoenix

Das alles wäre schon Grund genug für die Fans in New Orleans, Gordon als Flop abzustempeln, als Fehlinvestition, als Enttäuschung. Der Shooting Guard hat sein Standing bei der Anhängerschaft allerdings noch höchstpersönlich deutlich verschlimmert, als er im Sommer 2012 etwas zu unbedacht Einblick in sein Seelenleben gewährte.

Damals hatten die Phoenix Suns dem Restricted Free Agent einen lukrativen Deal angeboten und ihn mit einem Kontingent von angeblich 100 Leuten davon überzeugt, ihn als Fundament ihrer Franchise zu sehen. Gordon wandte sich öffentlich an die Pelicans und bat sie, mit dem Angebot nicht mitzugehen - "mein Herz ist in Phoenix", sagte er damals.

"Auf jeden Fall" würde er diese Aussage gerne zurücknehmen, sagte Gordon kürzlich und gab dabei zu, dass er sich damals alles andere als professionell verhalten habe. Er sei seitdem "erwachsener" geworden und habe sich vollständig dem Team verschrieben, das ihm jeden Monat sein Gehalt überweist.

Defense und Offense katastrophal

Noch vor wenigen Wochen wäre es leicht gewesen, dies als bedeutungslose Floskeln abzutun. Gordon spielte, als hätte er die Saison und das Team innerlich schon abgehakt, verteidigte katastrophal bis überhaupt nicht (Defensiv-Rating: 113 im Februar!) und traf aus dem Feld extrem bescheiden (36,8 Prozent im Februar).

Kurz gesagt spielte er wie Eric Gordon, seitdem er in New Orleans ist. Wie einer, der lieber woanders wäre, der mit der weltberühmten Gesamtsituation unzufrieden ist. Der von Bill Simmons nicht mehr als bester Shooting Guard unter 30, sondern als einer der überbezahltesten Spieler der Liga bezeichnet wurde. Doch seitdem hat sich einiges gewandelt.

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Zum einen wurde publik, dass Gordon sich gegen eine Operation an der Schulter entschied, weil er seinem Team im Kampf um die Playoffs helfen wollte. Zum anderen spielt er seit kurzem auch endlich mal wieder wie jemand, der einem Team mit Ambitionen tatsächlich helfen kann.

Williams: "Man sieht Ansätze"

In zehn seiner letzten zwölf Spiele scorte E-Money zweistellig und traf über diesen Zeitraum beinahe 45 Prozent von der Dreierlinie, ein großer Teil davon als Spot-Up-Shooter. Neben High-Usage-Spielern wie Anthony Davis und Tyreke Evans ist das eine enorm wichtige Qualität, da er den Ball eben nicht permanent in der Hand hat.

"Das sieht langsam aus wie der Spieler, den wir uns in ihm erhofft hatten", erkannte Coach Monty Williams an, "es war für ihn wegen all seiner Verletzungen schwierig, wieder auf die Höhe zu kommen. Aber man sieht mittlerweile Ansätze, wenn auch noch nicht alles."

Dabei nimmt sich Williams aber auch selbst in die Verantwortung: "Eric hat nicht so viele Chancen, weil A.D. und Tyreke den Ball sehr viel haben. Ich muss mehr Wege finden, ihm den Ball zu geben, denn Eric ist jemand, der immer das richtige Play machen will. Er kann so vieles, was die Leute noch gar nicht wirklich zu sehen gekriegt haben."

Abgesehen davon, dass er offensiv so langsam seine Rolle zu finden scheint, stimmt auch der Einsatz in der Defense wieder - nach dem katastrophalen Februar hat er sein Defensiv-Rating auf absolut akzeptable 99 im März gesteigert.

"Wir haben eine spezielle Truppe"

Es ist zwar ein schleppender Prozess und Gordon ist noch sehr weit weg von dem All-Star-Level, auf dem ihn viele vor Jahren gesehen hatten. Aber er findet sich schrittweise ein. "Die Leute dachten, ich will nicht hier sein, aber das stimmt nicht", sagte Gordon kürzlich, "ich will immer das tun, was am besten fürs Team ist. Es war kein einfacher Weg bis hierhin, aber ich erhalte dabei mittlerweile viel mehr Unterstützung."

Er spricht die Umstände an - waren die Pelicans in den letzten Jahren zumeist höchstens mittelmäßig, besteht in dieser Saison eine reelle Chance auf die Playoffs. Das spielte laut Gordon auch eine wichtige Rolle bei seiner Entscheidung, die OP aufzuschieben: "Ich wollte dieses Jahr und dieses Team nicht aufgeben. Ich denke, wir haben hier eine spezielle Truppe zusammen und es ist schön, unsere Entwicklung zu sehen."

Option auf ein weiteres Jahr

So gut das alles klingt, wird Gordon bei seiner Vorgeschichte mit Sicherheit nicht in nächster Zeit zum Publikumsliebling in New Orleans werden; böse Zungen könnten darauf hinweisen, dass es ihm nur um den nächsten Vertrag geht und er sich daher als Musterprofi präsentieren will.

Fakt ist: Sein Vertrag läuft nach der Saison zwar aus, er besitzt aber eine Player-Option für ein weiteres Jahr, die ihm 15 Millionen Dollar einbringen würde und die er selbstverständlich ziehen wird, wenn er seinen aktuellen Marktwert nicht um ein Hundertfaches überschätzt. Damit wäre er in der nächsten Saison die beliebteste Trade-Ware der gesamten NBA: ein auslaufender Vertrag.

Die Zukunft ist offen

Momentan ist völlig offen, was dann passieren wird. Es ist gut möglich, dass die Pelicans das Kapitel Gordon beenden, sei es während der Saison oder im Sommer 2016. Vielleicht verletzt er sich wieder, vielleicht bleibt er mal langfristig gesund und findet die perfekte Rolle.

Vielleicht erlebt er auch einen Basketball-Exorzismus und wird auf einmal wieder der explosive Athlet mit dem traumhaften Händchen, den man vor den Verletzungen und dem Missverständnis New Orleans gesehen hat. Vielleicht wird er wieder dieser kommende Superstar. Für den Moment ist das jedoch irrelevant.

Für den Moment zählt für die Pelicans nur, dass sie von ihrem bestbezahlten Spieler solide Leistungen bekommen. Im Playoff-Rennen zählt jeder Sieg - derzeit fehlen ihnen zwei Spiele auf die Thunder. Die Pels werden hoffen, dass Gordon seinen Aufwärtstrend bestätigen kann; selbst ein Übermensch wie Anthony Davis kann es im Westen nicht im Alleingang richten.

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