NBA

Onkel Luc und seine Erben

Von Bob Hemmen
Luc Longley (M.) gewann mit den Chicago Bulls insgesamt drei Meisterschaften
© getty

Vor 24 Jahren meldete sich ein Australier zur NBA-Draft an und ebnete mit seinen Leistungen den Weg für kommende Stars. Das Land am anderen Ende der Welt entwickelte sich in den letzten Jahren zur Basketball-Nation, dabei spielt das größte Talent noch an der High School.

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"Mit dem 7. Pick des NBA-Drafts 1991 wählen die Minnesota Timberwolves Luc Longley von der New Mexico University", verkündete Comissioner David Stern am 26. Juni 1991 in New York. Es folgte eine Live-Schalte ins Target Center, wo sich die Fans versammelten und den Draft auf den Arena-Bildschirmen verfolgten. Die Zuschauer bejubelten den Neuzugang allerdings nicht. Sie buhten.

Dabei überzeugte der 2,18-Meter-Hühne auf dem College und galt als großes Talent. Doch Longley ist kein Amerikaner, bis heute noch oft ein Kriterium der amerikanischen Fans bei der Bewertung der Rookies. Der Australier wurde 1969 in Melbourne geboren und von einem amerikanischen Scout entdeckt, als dieser nach Perth reiste, um sich einen Teamkollegen von Longley anzusehen.

Bereits vor seiner Profikarriere landete der Center mit der Nationalmannschaft auf dem vierten Rang bei den Olympischen Spielen in Seoul und feierte damit den größten Erfolg der australischen Basketballgeschichte. Vier Jahre lang spielte Longley für New Mexico, bevor er in die NBA wechselte.

Nach den Pfiffen beim Draft kam es jedoch zu einem weiteren Problem mit seinem neuen Arbeitgeber: Erstrundenpicks durften ihre Verträge damals noch aushandeln, es dauerte mehrere Monate, bis sich beide Parteien einigen konnten. Drei Jahre lang lief der Australier für die Timberwolves auf, bevor ihn das Team für Stacey King zu den Chicago Bulls tradete. Ein Glücksfall, wie sich bald zeigen sollte.

Three-Peat mit den Bulls

Zusammen mit Michael Jordan und Scottie Pippen feierte Longley drei Meisterschaften und steigerte die Popularität des Basketballs in Australien immens. "Ich habe stets aus Spaß und der Liebe zum Sport gespielt. Als ich in die NBA kam, traf ich auf Jungs, die um ihr Leben, ihre Familien, ihre Karrieren und ihren Ruf gespielt haben. Die Intensität war enorm hoch", blickte der heute 46-Jährige auf seine Zeit in der NBA zurück.

Während Longley noch gegen die Weltelite zockte, wuchs in seiner Heimatstadt das nächste Talent heran. Ein gewisser Andrew Bogut ging 2002 auf das australische Sportinstitut und entwickelte sich zur großen Hoffnung. Bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2003 wurde Bogut als wertvollster Spieler ausgezeichnet und führte Australien zum Titelgewinn. Scouts erkannten die Fähigkeiten des Big Man, sodass er noch im selben Jahr von der University of Utah in die Vereinigten Staaten gelockt wurde.

Bogut überzeugte auf dem College mit unglaublichen Leistungen und meldete sich 2005 zum Draft an, wo ihn die Milwaukee Bucks in einem Draft mit Deron Williams und Chris Paul an erster Stelle zogen. Longleys Erfolge ermöglichten Bogut die gute Ausbildung in Australien und das spätere Vertrauen der Scouts.

Dennoch wollte sich der Center ungerne mit dem ehemaligen Bulls-Star vergleichen lassen. "Ich hatte die beste College-Karriere aller Australier. Ich bin nicht so langsam wie Luc Longley, viel athletischer und ich kann besser werfen. Deswegen denke ich, dass es unfair ist, mich mit ihm zu vergleichen", äußerte Bogut selbstbewusst.

Rasante Entwicklung

Bei den Bucks lieferte der Seven-Footer stellenweise überragende Leistungen ab, im Jahr 2011 verzeichnete er beispielsweise ligaweit die meisten Blocks. Doch Verletzungen bremsten ihn Zeit seiner Karriere. Ein Jahr später erfolgte der Wechsel zu den Golden State Warriors. Seine Verletzungsprobleme setzten sich zwar auch in Oakland fort - doch ist er fit, zählt er heute zweifelsohne zu den besten Defensiv-Centern der NBA.

Die Nummer 12 löste in Australien den endgültigen Basketball-Boom aus, kurz nach Bogut meldete sich ein Point Guard namens Patty Mills beim australischen Sportinstitut an. Zu Beginn trauten ihm die Verantwortlichen keine Profikarriere zu, doch Mills entwickelte sich binnen kürzester Zeit zum Stammspieler in den Jugendnationalmannschaften des Landes und wurde zum renommierten Nike Hoop Summit nach Memphis eingeladen.

Der Spielmacher wollte allerdings zuerst aufs College und entschied sich für die Saint Mary's - die Partien der Universität wurden damals in der Folge sogar live im australischen Fernsehen übertragen. Die Scouts erkannten das Potenzial des Playmakers jedoch nicht - die Portland Trail Blazers drafteten ihn erst spät in der zweiten Runde.

Dort konnte sich der Spielmacher nicht durchsetzen und stand nur selten auf dem Feld. Während des Lockouts spielte Mills daher in Australien und China, bevor ihm 2012 die Spurs eine weitere Chance gaben. Unter Gregg Popovich wuchs Mills nach und nach in seine Rolle als Backup von Tony Parker herein - und hatte letztlich erheblichen Anteil am Gewinn der Meisterschaft in der vergangenen Saison.

Der nächste Schwarm

Er war dabei nicht der einzige Aussie bei den Spurs: Zusammen mit Landsmann Aron Baynes durfte Mills die Meisterschafts-Trophäe in der Heimat präsentieren. "Für mich war es unglaublich, diese Erfahrung mit einem Freund zu teilen und mit meinen Kumpels, meiner Familie und ganz Australien zu feiern", erklärte der 26-Jährige.

In Australien hatte der Basketball-Hype nach der Saison seinen Höhepunkt erreicht, auch weil sich das ganze Land auf den nächsten Draft freute. Mit Dante Exum stand ein 18-jähriger Nationalspieler bereit, der wie seine Vorgänger mit faszinierenden Leistungen am Sportinstitut für Furore sorgte und unter Scouts sogar Vergleiche mit dem jungen Kobe Bryant heraufbeschwor.

Der talentierte Guard fiel den Scouts bereits vor einigen Jahren auf und glänzte beim Nike Hoop Summit 2013. Im prominent besetzten Draft landete Exum vor US-Talenten wie Marcus Smart und Julius Randle auf Rang 5. "Seit ich 15 bin, war ich weg von zuhause und konnte Erfahrung sammeln. Auf dem Institut habe ich gelernt, wie ein Profi zu leben. Was man auf dem Feld zeigt, bringt einen in die NBA, doch was man daneben macht, entscheidet, ob du drin bleibst", erklärte das Talent.

In der laufenden Saison konnte Exum sein zweifellos riesiges Potenzial mittlerweile schon häufiger andeuten, seine Spielanteile bei den Utah Jazz wachsen, wenngleich seine Leistungen noch starken Schwankungen unterliegen.

Hoffnungsvolle Zukunft

Für die Jazz-Hoffnung war ein anderer Neuzugang dabei sehr wichtig. Sein Landsmann Joe Ingles debütierte Ende Oktober gegen die Houston Rockets und unterstützt Exum in seinem Rookie-Jahr. Der 27-Jährige war in Exums Kindheit dessen Lieblingsspieler - und dient dem Rookie heute als eine Art Mentor sowie als Zimmernachbar bei Auswärtsspielen.

Die Australier fühlen sich mittlerweile wohl in der NBA - in den letzten Jahren konnten sich verhältnismäßig viele von ihnen in der Spitzenklasse etablieren. Im Vergleich zu vielen Europäern etwa genossen die Down-Under-Stars eine robustere Ausbildung und benötigen daher weniger Zeit, um sich in der Liga zu etablieren. Am 18. Januar kam es folgerichtig zu einer Premiere: Beim Spiel zwischen den Spurs und den Jazz standen zum ersten Mal überhaupt vier Australier auf dem Feld.

Ein Juwel in der Hinterhand

"Es besteht die Möglichkeit, dass Australien in den nächsten Jahren der größte Konkurrent für die USA bei Olympischen Spielen wird", meint Ricky O'Donnell von "SB Nation". Ein Grund dafür ist, dass mit Ben Simmons das nächste Talent bereitsteht. Der Small Forward besucht derzeit noch die High School und wird demnächst die Louisiana State University besuchen - und genießt noch größere Vorschusslorbeeren als Exum. Der 18-Jährige wechselte 2008 vom Sportinstitut zur Montverde Academy nach Florida und gilt als potenzieller Top-Pick im Jahr 2016.

Der athletische Flügelspieler gilt als begnadeter Verteidiger und bringt auch offensiv alles mit. Simmons wurde 1996 in Melbourne geboren und geriet dank Longley & Co. recht früh mit dem Sport in Kontakt. "Für mich war das normal, ich bin mit Basketball aufgewachsen", sagte das Talent.

In den nächsten Jahren möchte der Australier oben angreifen, weiß allerdings auch um seine Schwächen. "Ich noch muss breiter und stärker werden", so Simmons. Doch der Hoffnungsträger arbeitet hart an seiner Entwicklung, denn die Australier warten darauf, dass der nächste Basketballer die Trophäe mit in die Heimat bringt.

Die Tabelle der NBA

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