NBA

"Wie eine Frau mit neuer Frisur"

Von David Schmitt
Jeff Green ist bei den Boston Celtics zum Führungsspieler gereift
© getty

Jeff Green hat bereits eine bewegte Karriere hinter sich. Als Teil der Oklahoma City Thunder verdiente er sich seine Sporen, der Trade zu den Boston Celtics sorgte für Unmut, ehe ein Schicksalsschlag alles veränderte. Trotz fulminanten Comeback und Entwicklung zum Leistungsträger ist sein Verbleib in Boston längst nicht gesichert.

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"Was tut mehr weh: Die Schmerzen harter Arbeit oder der Schmerz des Bedauerns?" Diesen Spruch in der Trainingshalle der Boston Celtics kann wahrscheinlich kein Spieler besser beantworten, als Jeffrey Lynn Green - kurz Jeff Green. Denn vor der Saison 2011/12 traf den Forward ein schwerer Schicksalsschlag, kurz nachdem er seinen Vertrag um ein Jahr verlängert hatte.

"Ich lag da. Ein Doktor schaute auf einen der Monitore und sagte, dass ich diese Operation brauche, sonst würde ich höchstwahrscheinlich nie mehr spielen können", erklärte der heute 28-Jährige die Situation bei "ESPN". Bei einer Routineuntersuchung vor Saisonbeginn wurde ein Aortenaneurysma diagnostiziert. Darunter versteht man eine krankhafte Erweiterung der Hauptschlagader im Brustkorb des Körpers, die potentiell lebensbedrohlich sein kann. "Ich zog mein Shirt über den Kopf und fing an zu weinen."

"Unfaire Atmosphäre"

Green hatte sich für die Saison einiges vorgenommen, der Einstieg bei den Celtics verlief schließlich nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Auch die Fans im TD Garden betrachteten den Neuzugang zuerst äußerst kritisch, immerhin wurde im Gegenzug Publikumsliebling Kendrick Perkins zu den Thunder getradet. "Sie hatten mit Perk ein Championship-Team. Jeder liebte ihn. Ich musste direkt abliefern", fasste Green die Stimmung gegen ihn zusammen.

"Es war eine wirklich unfaire Atmosphäre gegen ihn", erinnerte sich der damalige Coach Doc Rivers zurück. In den ersten 26 Spielen erzielte er nur 9,8 Punkte pro Spiel, zuvor in Oklahoma City legte er durchschnittlich 15,1 Zähler aufs Parkett.

NBA-Karrierestart mit Kevin Durant

Dabei hätte es ihn schon früher nach Boston verschlagen können. Die Celtics drafteten Green 2007 an Position fünf, gaben ihn aber direkt an die Sonics im Trade für Ray Allen ab. Zusammen mit Kevin Durant bestritt er also seine Rookie-Saison bei den Seattle Supersonics. 10,5 Punkten und 4,7 Punkten und die Nominierung in das NBA-All First Rookie Team ließen sein Potenzial bereits erahnen.

Es folgte der Umzug der Franchise nach OKC und die Entwicklung zu einem potenten Rollenspieler. Allerdings wurden die Thunder mit Talenten geradezu überhäuft: Neben KD kamen auch noch Russell Westbrook und James Harden ins Team. General Manager Sam Presti fehlte dagegen ein erfahrener Center für einen möglichen Titelgewinn. Perkins sollte die Lösung sein. Der Celtics-Center wechselte in den Mittleren Westen und die Celtics-Fans mussten mit einem herzkranken Jungspund vorlieb nehmen.

Die Rückkehr auf den Court

Der Eingriff in der Herzgegend kostete Green schließlich die komplette Saison 2011/12. "Ich erinnere mich an das Aufwachen nach der OP: Ich konnte mich nicht bewegen. Das Atmen fiel mir schwer und tat weh", erinnerte sich der Forward. Nach einigen Monaten der Rehabilitation und Ruhe wagte er sich im Jahr 2012 wieder in die Halle.

Sein damaliger Teamkollege Kevin Garnett beschreibt die Situation aus Sicht der Teamkollegen auf sehr lustige Art und Weise: "Es war toll ihn zu sehen. Es war irgendwie so, als hätte eine Frau eine neue Frisur."

Schritt für Schritt arbeitete sich der Mann aus Cherverly, Maryland wieder an die Mannschaft heran. "Seine Teamkollegen um ihn herum zu haben, war unfassbar wichtig für seine Genesung. Die Mitspieler sahen ihn so hart arbeiten, um zurückzukommen - das war auch wichtig", erklärte Rivers.

Diesen unglaublichen Willen honorierte die Franchise in der Offseason 2012 mit einer weiteren Vertragsverlängerung. Insgesamt vier Jahre und 36 Millionen Dollar sollte ihm der neue Contract einbringen. "An dem Tag als ich unterzeichnete, musste ich weinen", sagte der Mann mit der Jersey-Nummer Acht rückblickend.

Karrierehighlight gegen LeBron

Der Wiedereinstieg in den Ligaalltag verlief reibungslos. Die Punkteausbeute von 12,8 in gedrosselten 28 Minuten über die gesamte Spielzeit ließ sich sehen. Am 18. März 2013 folgte gegen den amtierenden Meister der Miami Heat das Highlightspiel.

Die Statline, die Green gegen LeBron James auflegte, war einfach nur monströs: 43 Punkte zusammen mit sieben Rebounds, je zwei Assists und Steals, und vier Blocks ließen die letzten Zweifler an seinem Gesundheitszustand verstummen. Green machte alle Spiele in der Saison. Das Career High hat bis heute Bestand, was in diesem Spiel jedoch noch stärker herausstach, war die knallharte Defense gegen James - trotz dessen 37 Zählern. "Er kann hart zum Korb ziehen, er kann über Leute dunken, er kann seine Athletik nutzen", erklärte Ex-Teamkollege Garnett die weiteren Stärken Greens.

Zukunft in Boston?

Stärken, die in dieser Spielzeit zum Tragen kommen wie nie zuvor. Mit derzeit 18,1 Punkten, 4,8 Rebounds und 1,7 Dimes pro Partie ist er zu einem Führungsspieler gereift. Von fehlender Akzeptanz ist längst keine Rede mehr. In den Zeiten des Umbruchs sehnen sich die Fand vielmehr nach Identifikationsfiguren. Neben Rajon Rondo sind diese spärlich geworden. Die zahlreichen Highlight-Dunks spielen dabei sicher auch eine Rolle.

Die Frage, die sich Celtics-GM Danny Ainge nun stellen muss, ist: Kann und soll Green die nähere Zukunft in Boston prägen? Es ist die gleiche Diskussion, die sich auch immer wieder Rondo um rankt. Der Point Guard ist es gar nicht mehr anders gewohnt, dass er ständig mit Tradegerüchten konfrontiert wird.

Und auch Green kennt die Situation. Der ausbleibende sportliche Erfolg trägt seinen Teil dazu bei. "Meine Frustration ist zurzeit auf dem absoluten Höhepunkt angelangt", brach es nach der Pleite gegen die Grizzlies aus ihm heraus. Bostons Umbruch ist weiter in vollem Gange.

Das vorhandene Tradepotenzial des Forwards ist bekannt. "Green ist in der Lage jedem Team in der Liga zu helfen, solange man das Team nicht um ihn herum aufbaut. Er ist der Typ von Spieler, den du einem Franchise-Player an die Seite stellst, um den die Mannschaft aufgebaut wird", schätzt A. Sherrod Blakely von "CSNNE" ein.

Schwächen aus der Distanz

Dieser Eindruck wird bislang bestätigt. Green spielt einfach zu inkonstant, um die Verantwortung in wichtigen Phasen einer Partie komplett auf sich nehmen zu können. Attackiert er die Zone und den Ring aggressiv, ist er kaum zu bremsen. Nimmt er zu viele Longballs und schwierige Würfe aus der Mitteldistanz - was zu häufig der Fall ist - schwimmt er in einem talentierten Team nur mit.

Die allgemeine Wurfquote von 44,8 Prozent ist dabei zwar völlig im Rahmen, doch der Schnitt von 26,7 Prozent von der Dreierlinie ist in einem Team mit nur wenigen anständigen Schützen zu wenig. Auch die Defense der Celtics leidet in gewissen Phasen. Vor allem dann, wenn Green die Power Forwards verteidigen muss. Ist er als Small Forward auf dem Parkett, erlaubt er seinem Gegenspieler einen PER von 12,0. Im Gegensatz dazu erreichen die zu verteidigenden Kontrahenten auf der Vier einen PER von 33,6.

Die Liebe zum Leben

Trotz dieser Probleme stellt sich für Green die Frage nach einem Wechsel nicht. Nach den aufkommenden Gerüchten um seine Person stellte er klar: "Dass ich getradet werden will, ist falsch. Ich bin froh darüber, dass ich hier bin. Ich bin froh über den Coach, das Management, das Front Office und jeden. Ich war seit Jahren nicht so froh, wie ich es jetzt bin."

Dass Jeff Green überhaupt in der Lage ist, über solche Dinge sprechen zu müssen, grenzt an ein kleines Wunder. Er schätzt seine Umwelt zumindest sehr: "Ich liebe das Team. Ich liebe die Umgebung und die Fans. Ich liebe es, hier sein zu dürfen." Die Frage nach dem Schmerz des Bedauerns scheint sich bei Jeff Green nicht zu stellen.

Jeff Green im Steckbrief

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