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Ein Desaster im Anmarsch?

Von Philipp Jakob
Russell Westbrook und die Thunder gingen in Spiel eins förmlich unter
© getty

Muss man sich Sorgen um die Oklahoma City Thunder machen? Dafür ist es wahrscheinlich noch ein wenig früh. Doch die deftige 105:122-Pleite (hier in der Analyse) gegen die Los Angeles Clippers war ein klarer Dämpfer für OKCs Titelhoffnungen. Was lief in Spiel eins schief?

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Mit weniger als einer Minute im dritten Viertel zu spielen bekommt Blake Griffin den Spalding auf Höhe der Freiwurflinie, dreht sich ganz einfach um Nick Collison und sichert sich mit einem krachenden Dunk seinen nächsten Auftritt in der Top 10.

Das sonst so euphorische Publikum in der Chesapeake Energy Arena ist damit nun komplett zum Schweigen gebracht worden. Es steht 102:76 für die Gäste aus der Stadt der Engel. Spiel eins ist entschieden, der Heimvorteil in den Western Conference Semifinals in den Händen der Clippers.

Mit so einer deftigen Klatsche hat im Vorfeld nun wirklich niemand gerechnet. Konnte man auch nicht, denn die beiden Teams befinden sich auf dem Papier eigentlich auf Augenhöhe, vielleicht sogar mit leichten Vorteilen für die Thunder.

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Kein Tony Allen - ein Segen?

Immerhin steht mit Kevin Durant der Most Valuable Player der regulären Saison im Kader von OKC. "Er hat es verdient. Er hatte eine starke MVP-Saison", muss auch der viermalige Award-Gewinner LeBron James anerkennen.

Der 25-Jährige war auch gegen Los Angeles der beste auf Seiten von OKC - zumindest was die Offensiv-Leistung betrifft. Seine 25 Punkte (9/19 FG), 4 Rebounds und 4 Assists sind allerdings auch nicht gerade auf dem MVP-Niveau, das man bei Durant in der Regular Season beobachten konnte.

Dabei hatten viele Experten eigentlich mit einer Breakout-Performance gegen die Clippers gerechnet, nachdem Durantula in der Serie gegen die Memphis Grizzlies noch mit den harten Umgangsformen eines Tony Allen zu kämpfen hatte.

Denn eigentlich haben die Clippers keinen geeigneten Verteidiger, den sie auf Durant losschicken können. Eigentlich sollte Kevin Durant in der Offensive dominieren, so wie er es auch in der Regular Season gegen LAC gezeigt hat (32,5 Punkte, 4,5 Rebounds und 8 Assists). Doch ohne wirkliche Hilfe ist das schwierig.

Keine Unterstützung

Zwar legte Russell Westbrook noch 29 Punkte, 4 Rebounds sowie 4 Assist bei starken Quoten (9/14 FG, 9/14 FT) auf, gab aber auch 6 Mal den Spalding aus der Hand. Und sonst? Außer Durant und Westbrook? Nichts. Eigentlich noch weniger als nichts.

Die Rollenspieler der Thunder enttäuschten auf ganzer Linie. Viele der 31 Bank-Punkte kamen erst in der Garbage-Time, als es ohnehin bereits zu spät war. Reggie Jackson traf nur 1 seiner 8 Würfe aus dem Feld, Caron Butler, gegen Memphis noch ein extrem wichtiger Faktor, verwandelte nur 1 seiner 7 Wurfversuche.

Besonders von Butler muss man in den kommenden Spielen mehr erwarten. Jetzt, da er wieder von der Bank kommt, wird die Offense des 34-Jährigen immens wichtig, um die Reservisten zu tragen. Davon war in Spiel eins aber nichts zu sehen. Genauso wenig wie von den Defensiv-Künsten Thabo Sefoloshas.

Keine Defense

Thunder-Coach Scott Brooks stellte den Schweizer nach seiner Verbannung ab Spiel 6 gegen die Grizzlies wieder in die Starting Five - allein aus dem Grund, um Los Angeles' Backcourt um Chris Paul einzuengen, wie es ihm in der regulären Saison auch durchaus gelang.

Doch zum Serienauftakt ging dieses Konzept, speziell im Fall CP3, völlig daneben. Der Point Guard erzielte 32 Punkte, verteilte 10 Assists und traf grandiose 8 seiner 9 Versuche von Downtown (insgesamt 12/14 FG). Weder Sefolosha, noch Westbrook, noch Butler und noch nicht einmal Durant konnten den 28-Jährigen mit ihrer Defense beeindrucken.

"Wir müssen definitiv besser in der Verteidigung spielen", bringt Brooks das Offensichtliche auf den Punkt, während Durant etwas mehr ins Detail geht. "Wir müssen einfach physischer spielen. Ich rede nicht von harten Fouls, sondern davon, die Wege dichtzumachen, sich durch Blöcke zu kämpfen und die Leute nicht einfach laufen zu lassen."

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Hohes Tempo machte Probleme

Laufen lassen ist dabei ein gutes Stichwort. Es war offensichtlich, dass die Thunder noch arge Probleme mit dem Uptempo-Basketball der Clippers hatten. Das von den Big Men dominierte Spiel der Grizzlies sorgte in der ersten Runde noch für ein sehr langsames Tempo, während die Clippers für ihr schnelles Spiel bekannt sind.

Diese Umstellung gelang überhaupt nicht, was auch Nick Collison zugeben musste: "Ich denke, nach der letzten Serie, die sehr langsam war, hatten wir Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Geschwindigkeit der Clippers. Ich weiß nicht, ob uns das ein wenig überrascht hat, aber wir müssen damit viel besser umgehen. Wir müssen in Spiel zwei ein ganz anderes Team sein."

Dass sie dazu in der Lage sind, bezweifeln wahrscheinlich die wenigsten und wenn man noch etwas Positives aus Spiel eins mitnehmen möchte: Immerhin konnten sich Durant und Westbrook im vierten Viertel ein wenig ausruhen.

Kein zweiter Dreierregen von Paul

Denn die gesamte Partie über wirkte das Thunder-Team irgendwie müde und schlapp. Die intensiven sieben Spiele gegen Memphis scheinen gewaltig an den Kräften gezerrt zu haben, eine Entschuldigung für die schlechte Leistung gegen Los Angeles ist das aber noch lange nicht. Die Clippers mussten bekanntermaßen auch über sieben Spiele gehen.

Ein weiterer Lichtblick für die Fans der Thunder: Chris Paul wird wohl nicht noch einmal eine solche Partie hinlegen. Seine 8 Dreier sind für den Point Guard eine absolute Ausnahme, das weiß auch er selbst: "Das war einfach eine dieser Nächte, in der alles klappt. Dieses Spiel wird definitiv in die Geschichtsbücher für mich eingehen."

"Aber zählt nicht auf meinen Dreier in Spiel 2, das sage ich euch", witzelte Paul, der gleichzeitig auch zur Vorsicht mahnt. "Wir müssen verstehen, dass wir nicht mit einer 17-Punkte-Führung in Spiel zwei gehen. Wir dürfen jetzt nicht zufrieden sein, sondern müssen genauso hungrig zurückkommen."

Zu früh für Sorgenfalten

In Spiel zwei wartet mit ziemlicher Sicherheit ein anderes OKC-Team auf die Clippers. Mit mehr Einsatz, Kampf und Leidenschaft in der Defense und aus Sicht von Durant und Westbrook hoffentlich ein wenig mehr Unterstützung der Rollenspieler.

Aber insgesamt ist es noch viel zu früh, sich Sorgen um die Thunder zu machen. Die vier Duelle in der Regular Season haben gezeigt, dass OKC in der Lage ist, Chris Paul wenigstens einzuschränken und auch in Los Angeles ein Spiel zu gewinnen. Trotz der Probleme in Spiel eins ist diese Serie noch lange nicht entschieden. Man darf gespannt sein, wie das Team von Scott Brooks nach dieser Klatsche antwortet.

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