NBA

Jordan: Einer wie Bill Russell?

Von Philipp Dornhegge
DeAndre Jordan hat in dieser Saison mehr Dunks auf dem Konto als jeder andere NBA-Spieler
© getty

Coach Doc Rivers erinnert er an Bill Russell, für viele Kritiker ist er nur ein Dunker ohne Post Moves. Doch was steckt wirklich in DeAndre Jordan? Mit seinen L.A. Clippers will der Center gegen die L.A. Lakers (Sonntag, 21.30 Uhr im LIVE-STREAM) den nächsten Schritt machen, um Platz drei in der Western Conference klar zu machen.

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Die Storyline kennt mittlerweile jeder NBA-Fan: Blake Griffin, ehemals als reiner Dunker verschrien, hat sich so stark weiter entwickelt, dass er inzwischen Jumper und Freiwürfe trifft und ein veritabler MVP-Kandidat ist. Er ist neben Chris Paul der wichtigste Spieler der Clippers, vielleicht hat er seinen Spielmacher-Kollegen sogar überflogen.

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Übersehen in diesem Szenario wird aber immer wieder DeAndre Jordan. Der Spieler, der noch weniger werfen kann als Griffin und keinerlei Post Moves hat. Der Center, der unter Ex-Coach Vinny Del Negro zu viel foulte, zu wenig reboundete und blockte und in der Crunchtime regelmäßig auf die Bank musste, damit er mit seiner Freiwurfschwäche nichts kaputt macht.

Die aktuelle Spielzeit zeigt aber: Jordans mittelmäßige Leistungen, die so gar nicht seinem Talent entsprachen, hatten viel mit mangelndem Selbstvertrauen und einem nicht vorhandenen Verständnis zu tun, wann er wo auf dem Court zu finden sein sollte.

Rivers bringt Jordan auf den Weg

Unter Doc Rivers hat sich Jordan schlagartig verbessert. Bankwärmer Ryan Hollins schwärmt vom neuen Coach und bescheinigt ihm, dass er alle Teammitglieder mit Respekt behandle, klare Ansagen mache und es meisterhaft verstehe, dem Team seine Taktik einzubläuen.

Die Clippers spielen immer noch keine Defense im Stile der Celtics unter Rivers. Aber sie verteidigen sehr gut, und können richtig dicht machen, wenn das richtige Personal auf dem Court steht. Dazu gehört immer häufiger DeAndre Jordan.

Rivers hat dem Center im Training Camp genau erklärt, was er von ihm erwartet: dass er die Defense der Clippers führt wie Roy Hibbert bei den Pacers oder Joakim Noah bei den Bulls. Er hat ihm den Glauben an sich selbst geschenkt und erntet die Früchte. Der in Offense und Defense früher oft zaghafte und ratlose Jordan trifft schnellere Entscheidungen, grübelt weniger und ist so ein besserer Basketballspieler.

"Ich sehe Eigenschaften, die ich von Bill Russell kenne", haute Rivers kurz vor dem All-Star Weekend mit einem erstaunlichen Vergleich auf die Pauke. Der Vergleich mit dem größten Winner der NBA-Geschichte (elf Meisterschaften) ist zu diesem Zeitpunkt gewagt, grenzt geradezu an Blasphemie.

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Auf den Spuren von Chamberlain

Dennoch sagt Teamkollege Matt Barnes: "Er ist unglaublich. Er hat die Herausforderung des Coaches angenommen und alle Erwartungen übertroffen. Er ist unser Defensivanker, seine Zahlen sprechen für sich."

Apropos Zahlen: Jordan ist in praktisch jeder relevanten Kategorie auf Career-High-Kurs, sammelt mehr Punkte (10,4), Rebounds (13,8), Assists (0,9), Blocks (2,4) und Steals (1,0) als je zuvor. Freilich spielt er auch acht Minuten mehr als je zuvor (35,5).

Sollte er seinen aktuellen Kurs in den letzten Saisonspielen beibehalten, könnte er zum dritten Spieler der NBA-Geschichte (!) werden, der die Liga innerhalb einer Saison in Sachen Rebounds und Field Goal Percentage (67,2) anführt. In beiden Kategorien ist ihm Andre Drummond auf den Fersen, aber irgendwie auch keine echte Konkurrenz (12,8 Rebounds; 61,9 Prozent Field Goals).

Die anderen beiden Spieler, die das geschafft haben? Wilt Chamberlain (acht Mal) und Dwight Howard (2009/2010). Ohne Zweifel: Jordan bewegt sich in dieser Spielzeit in ganz außergewöhnlichen Sphären - und das obwohl die Clippers weiterhin keinen einzigen Spielzug für ihn laufen und seine Usage Rate (12,2 Prozent) im Vergleich zu den Stars der Liga lächerlich wirkt.

Jordan: Besser als Dwight Howard?

Jordan trifft im Grunde keinen Wurf, der kein Dunk ist, nimmt aber auch keinen. Er hat sich mit dem Gedanken angefreundet, die Defense zu orchestrieren und in der Offense das mitzunehmen, was ihm der herausragende Passgeber Paul, sein Frontcourt-Partner Griffin und die anderen Kollegen auf dem Silbertablett servieren.

Die Zahlen sind dabei über jeden Zweifel erhaben: Trotz der bekannten Freiwurfschwäche liegt die True Shooting Percentage etwa bei starken 63,3 Prozent.

Vergleicht man Jordan mit Dwight Howard, dem für viele Experten besten Center der NBA, dann stellt sich beim Blick auf die Advanced Stats Erstaunliches heraus: In fast allen Belangen ist der Clipper seinem hoch dekorierten Konkurrenten überlegen. Ob Rebounding Percentage, Turnover Percentage, Offensive Rating, Defensive Rating, Win Shares und Co.: Jordan ist besser als Howard und ligaweit ein Top-20-Spieler.

Rivers blockt Jordan-Trade

Im Herbst hatten die Clippers noch überlegt, Jordan für Kevin Garnett zu traden. Rivers interventierte - trotz der Verbundenheit mit KG - vehement: "Jordan ist einfach zu jung und zu begabt, als dass man ihn einfach zur Tür herausspazieren lässt. Er ist in der Defense ein Game-Changer. Es gibt in der ganzen Liga vielleicht fünf Spieler - und die Zahl ist noch hoch gegriffen -, die von sich behaupten können, dass sie ein Spiel allein mit ihrer Defense entscheiden können. Wenn man einen davon hat, behält man ihn."

Rivers' Lob wirkte zum damaligen Zeitpunkt noch optimistisch, hatte Jordan doch unter Del Negro die bescheinigten Qualitäten meist vermissen lassen. Inzwischen sieht das freilich anders aus.

Darüber hinaus ist der 25-Jährige weiterhin eine der imposantesten Erscheinungen der NBA: Mit seinen 2,11 Meter thront er über den meisten Gegnern, sprintet dennoch über den Court wie ein junges Reh und kann springen wie LeBron James.

Zieht ein Clippers-Spieler zum Korb, kann sich die Zone noch so schnell schließen: Ein Alley-Oop-Pass auf Jordan ist immer eine aussichtsreiche Option auf Erfolg.

Der Spaß kommt nicht zu kurz

Rivers glaubt sogar, dass er mit Paul, Griffin und Jordan eine veritable Big Three auf seiner Seite hat. Aus dieser Überzeugung heraus ließ er sich vor der Saison gemeinsam mit seinen drei Stars auf einem Foto ablichten. "Mit diesen Jungs sollten wir eine bessere Mannschaft haben als alle, die ich vorher gecoacht habe", erklärte er großspurig vor Saisonbeginn.

Auf dem Weg zu sportlicher Dominanz hat Jordan seinen Sinn für Humor nicht verloren: Kürzlich nahm er mit Griffin an einer Lese-Stunde teil, in der die beiden Clippers zusammen mit einer Gruppe von Schauspielern und Comedians aus dem Space-Jam-Drehbuch vorlasen.

Vor einiger Zeit ließ er sich bei einem Lacrosse-Training begleiten, bei Jimmy Kimmel sprachen die drei Clippers-Stars vor Saisonbeginn über Halloween-Kostüme. Und Jordans Interpretation von "Verstehen Sie Spaß?" ist ein ganz besonderes Schmankerl. Jordan liebt das Leben, ist ein umgänglicher Zeitgenosse und hat auf dem Court ein Niveau erreicht, dass ihn in Reichweite des Defensive Player of the Year Awards und der Auszeichnung als Most Improved Player of the Year bringt.

Nicht schlecht für einen Spieler, von dessen Verpflichtung Jerry West 2011 den Golden State Warriors noch abriet: "Ich bin mir bei ihm nicht sicher". Die Warriors warben dennoch um Jordan, bekam ihn aber nicht, weil L.A. das Angebot über vier Jahre und 43 Mio. Dollar mitging und so den damaligen Restricted Free Agent behalten konnte. Was damals als viel zu hoher Preis galt, ist heute mehr als gerechtfertigt. Das dürfte auch West klar sein.

Der Spielplan der L.A. Clippers

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