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Eindimensional war gestern

Von Max Marbeiter
Blake Griffin (l.) hat seine Quoten aus der Mitteldistanz in dieser Saison deutlich gesteigert
© getty

Häufig wurde Blake Griffin als eindimensionaler Dunker verschrien. Sogar Chris Paul äußerte nach dem frühen Playoff-Aus der Los Angeles Clippers Kritik. Doch Griffin entwickelt sein Spiel immer weiter und hat sich mittlerweile sogar einen verlässlichen Jumper zugelegt.

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Wir lieben Stereotypen. Sie vereinfachen die Dinge so schön. Schublade auf, Person rein, Problem gelöst. Und was im Alltag funktioniert, lässt sich natürlich auch bestens auf den Sport anwenden. Da hätten wir zum Beispiel Derrick Rose, der grundsätzlich verletzt ist - ob er nun seine ersten dreieinhalb Saisons beinahe ohne größere Blessur hinter sich gebracht oder nicht. Auch der egoistische Kobe und Crunchtime-Versager LeBron sind schnell bei der Hand.

Und Blake Griffin? Blake Griffin ist einfach eine eindimensionaler Dunker, ein wandelndes Top-Ten-Tape, das einzig und allein dank seiner Athletik eine derart exponierte Stellung einnimmt. Öffnet man nun jedoch die Schublade und blickt ein wenig hinter die posterproduzierende Fassade, so offenbart sich schnell, dass Blake Austin Griffin mittlerweile wesentlich mehr zum Spiel der Los Angeles Clippers beiträgt als den beinahe alltäglichen Top-Ten-Auftritt.

Vielleicht liegt es am großen Hype, der den Überathleten seit seiner ersten Saison begleitet, jedenfalls wird häufig vergessen, dass Griffin gerade erst sein viertes NBA-Jahr absolviert. "Ja, aber..." ist quasi täglicher Begleiter des Vierers - womit er sich wiederum in bester Gesellschaft befände. Selbst ein LeBron James musste erst beweisen, dass er aus dem Post heraus effektiv scoren kann. Kevin Durant, dass er das Einsetzen der Mitspieler beherrscht.

Playoffs als Tiefpunkt

Und auch Griffins To-do-Liste ist seit der vergangenen Saison nicht gerade kürzer geworden. Nicht unschuldig daran ist das frühe Playoff-Aus - und Zach Randolph. Z-Bo bereitete seinem Pendant in der ersten Runde unter den Brettern nämlich derart große Probleme, dass die Clippers ihre Saison überraschend früh für beendet erklären mussten.

Griffin allein die Schuld am Erstrunden-K.o. zuzuschreiben würde der Sache sicherlich nicht gerecht. Dennoch musste sich der Power Forward im Sommer einige Vorwürfe gefallen lassen. Er sei zu weich, hieß es, habe sich von Randolph zu sehr rumschubsen lassen. Defense. Rebounding. Scoring. Im Grunde habe wenig gepasst.

Und tatsächlich geben die Statistiken keinen Anlass, Gegenteiliges zu behaupten. Mit 13,2 Punkten, 5,5 Rebounds und 2,5 Assists lag Griffin jeweils deutlich unter seinem Karriereschnitt. Dazu traf er lediglich 45,3 Prozent seiner Würfe aus dem Feld.

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Kritik von Chris Paul

Angesichts eines solchen Einbruches forderte selbst Chris Paul seinen Teamkollegen heraus, bis zur neuen Saison den nächsten Schritt zu tun: "Blake ist einer dieser Jungs, bei denen das Alter egal ist", so der Playmaker im Sommer. "Einige mögen sagen, dass er noch jung ist, aber er hat in dieser Liga schon Spezielles geleistet, war ein All Star. Sein Wort hat Gewicht. Und ich denke, dass unser Team so weit kommt, wie Blake es trägt. Er ist unser Mann und hat genug drauf."

Nun hätte Griffin ob der deutlichen Worte Pauls durchaus auf stur schalten, sich angegriffen fühlen können. Hätte. Denn zunächst einmal gab der Vierer seinem Point Guard Recht. "Chris Paul nimmt in unserem Team eine derart wichtige Rolle ein, hat bereits so viele Spiele für uns entschieden", erklärte Griffin. "Dieses Jahr ist es für mich jedoch an der Zeit, diese Rolle einzunehmen und ihm zu helfen, diese Last zu schultern. Ich werde in den letzten Minuten eines Spiels da sein und derjenige sein, auf den er sich verlassen kann."

Fünf Monate sind seit dem kleinen Verbal-Tete-a-Tete der beiden vergangen, fünf Monate, die beweisen, dass sich Blake Griffin nicht nur mit leeren Worthülsen aus der Affäre ziehen wollte. Mehr noch: Der Power Forward entwickelt sich tatsächlich immer mehr zu jenem verlässlichen Konterpart, den sich Chris Paul so sehr wünscht.

CP3-Verletzung als Herausforderung

Seine schwachen Playoff-Auftritte haben Griffin offenbar motiviert. Der Vierer nutzte den Sommer, um noch intensiver an seinem Spiel zu arbeiten - und erntet nun die Früchte. Dabei muss er sich derzeit der vielleicht größten Herausforderung seiner noch jungen NBA-Karriere stellen. Schließlich hatten nach Pauls Schulterverletzung, die ihn seit Anfang Januar außer Gefecht setzt, nicht wenige einen Einbruch der Clippers vermutet.

Von Einbruch kann derzeit allerdings keine Rede sein. 9 Spiele hat L.A.'s anderes Team ohne seinen Playmaker mittlerweile gewonnen, verloren wurden nur 3. Damit liegen die Clippers weiter sicher auf Playoff-Kurs, was sie wiederum auch und vor allem Blake Griffin zu verdanken haben. Der legt derzeit nämlich Zahlen auf, wie es ihm in seiner Karriere bislang selten gelang. 26,4 Punkte, bei 57 Prozent aus dem Feld, 7,5 Rebounds und 4,8 Assists packt der 24-Jährige während der vergangenen 10 Partien aufs Scoreboard.

Verbessertes Mid-Range Game

Speziell offensiv lässt sich so bereits seit Saisonbeginn eine Transformation, weg vom so oft beschrienen, eindimensionalen Highlight-Film, hin zum vielseitigen Scorer ausmachen. Inzwischen scheint Griffin sogar Gefallen am früher so ungern genommenen Mid-Rang Jumper gefunden zu haben. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt hat er häufiger aus der Mitteldistanz abgedrückt als in der gesamten Saison 2012/13.

Zwar hat die Basketball-Welt sicherlich bereits flüssigere Wurfbewegungen gesehen, allerdings wirkt Griffin beim Jumper inzwischen wesentlich weniger zögerlich, was einerseits wiederum an den ausgiebigen Sonderschichten mit Clippers-Shooting-Coach Bob Thate aus dem Sommer liegen dürfte. Andererseits fällt der Wurf in dieser Saison auch deutlich effektiver. In 38,33 Prozent der Fälle finden Griffins Jumper aus der Mitteldistanz ihren Weg durch den Ring, vom rechten Ellbow sind es 36,96 Prozent, von kurz hinter der Freiwurflinie sogar 44,4 Prozent.

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Damit liegt er innerhalb des Ligadurchschnitts - und nimmt gleichzeitig überdurchschnittlich viele Würfe aus der Mitteldistanz (33,2 Prozent)

All das stellt eine signifikante Verbesserung zu vergangenen Saison dar. "Die Arbeit aus dem Sommer, zahlt sich nun langsam aus", erklärt Griffin selbst. Und auch Chris Paul ist mittlerweile zufrieden: "Immer, wenn ich ihm den Ball gebe, sage ich ihm, dass er den Wurf nehmen soll. Wir haben größtes Vertrauen in Blake", so der Point Guard. "Er arbeitet so hart und es ist großartig, zu sehen, dass alles langsam zusammenkommt."

Der Ellbow als neue Spielwiese

Ganz uneigennützig dürfte Pauls Freude über die positive Entwicklung seiner primären Passoption jedoch nicht sein. Schließlich bedeutet ein am Ellbow effektiverer Griffin auch mehr Platz für den Playmaker selbst.

Derzeit hält dort einzig Marc Gasol den Spalding häufiger in der Hand als Griffin (15,7 Ellbow Touches gegenüber 12,3). Jener Gasol, der als herausragend passender Big Man gilt - und in dieser Saison bislang ebenso viele Assists verteilt wie BG (3,5).

Damit zählen die beiden zu den fünf passfreudigsten Bigs der Liga, was das Leben der Mitspieler wiederum deutlich erleichtert. Gerade ein mit Schützen gespicktes Team wie die Clippers profitiert ungemein von den guten Passfähigkeiten eines Blake Griffin.

Probleme für den Gegner

Entsprechend große Sorgen dürfte seine Entwicklung gegnerischen Teams bereiten. Schließlich fällt das, ob des einst so schwachen Wurfs, häufig angewandte Absinken als probates Defense-Mittel gegen Griffin zusehends weg. Rückt der Verteidiger nun aber näher heran, kann Griffin dank seines für Big Men ligaweit wohl einzigartigen Ballhandlings bestens Richtung Korb ziehen.

So ist er auch nicht mehr zwingend auf das schiere Überpowern der Gegner im Lowpost angewiesen - wenngleich es natürlich weiterhin zum Repertoire zählt. Selbiges wurde jedoch ebenfalls um einige Moves erweitert.

Noch lange nicht perfekt

So positiv sich Griffin entwickelt hat, natürlich hat ihn ein einziger Sommer nicht zum perfekten Spieler gemacht. Natürlich liegt BG beim Rebound immer noch unter seinem Karriereschnitt (9,9 gegenüber 10,3). Auch defensiv gibt es noch einigen Nachholbedarf, wenngleich sich Griffin mittlerweile Mitglied von vier der fünf effektivsten Defense-Lineups der Clippers nennen darf. Im Übrigen lässt auch der Jumper noch Raum für Verbesserungen. Und sicherlich muss sich erst zeigen, wie weit er tatsächlich ist, sobald die Duelle unter den Brettern in den Playoffs wieder intensiver werden.

Doch Blake Griffin hat offenbar die richtigen Schlüsse aus den Enttäuschungen der vergangenen Saison gezogen, sich zu einem kompletteren Spieler entwickelt. Oder wie es Coach Doc Rivers formuliert. "Er mixt alles. Es ist unglaublich, wenn man seine großen Scoring-Abende betrachtet. Eine Nacht lang scort er im Post, in der nächsten in Transition oder durch Jumper. Es ist nicht schlecht, wenn du beides drauf hast."

Nach eindimensionalem Dunker, da kann Griffin während der League-Pass-Übertragungen noch so oft "Big Dunks" anpreisen, klingt das nicht mehr. Zeit, dass wir ihn aus seiner Schublade befreien.

Blake Griffin im Steckbrief

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