NBA

John Wall: Zeit für den Durchbruch

Von Ole Frerks
John Wall steht in seiner vierten NBA-Saison in der Bringschuld
© getty

Bei den Wizards steht natürlich John Wall im Fokus. Als College-Star kam Wall mit einer Wagenladung Vorschusslorbeeren in die Liga. Allerdings gab es auch damals schon einige Kritikpunkte, die er bis heute nicht wirklich abstellen konnte. In dieser Saison soll alles anders werden - Wall ist gesund, hat vielversprechende Mitspieler und will endlich sein immenses Potenzial ausschöpfen.

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Wer genau hingeschaut hat, konnte schon in der Preseason John Walls Ziel für die Saison 2013/14 erkennen: "Playoffs" hatte er auf seinen Schuh gekritzelt. "Auf jedem Paar Schuhe, das ich in dieser Saison trage, wird 'Playoffs' zu lesen sein. Das ist mein Ziel", kommentierte Wall. Als ob es noch irgendeinen Zweifel gäbe.

Im Sommer unterschrieb der 23-Jährige in Washington eine Vertragsverlängerung, die ihm zwischen 2014 und 2019 etwa 80 Millionen Dollar garantiert. Ein klares Zeichen der Wizards: Wall ist spätestens jetzt der designierte Franchise Player, das Gesicht des Klubs.

Ganz schön viel Geld für einen, der sein Team in den Jahren seit seiner Ankunft zu Bilanzen von 23, 20 und 29 Siegen geführt hat, sollte man meinen. Trotzdem gab es verhältnismäßig wenig Kritik an Walls neuem Vertrag - dass er das Potenzial hat, in der Liga ein Superstar zu werden, ist unter Experten rund um die NBA nahezu unumstritten.

Superstar in der Warteschleife

Der Ruf als Superstar in Warteschleife haftet Wall seit seinem einzigen Jahr an der University of Kentucky an. Im Team von Coach John Calipari räumt er unzählige individuelle Auszeichnungen ab; unter anderem wird er All-American, Southeastern Conference Player of the Year sowie SEC Tournament MVP.

Zudem ist er nach Kevin Durant erst der zweite Freshman, der die elitäre Adolph Rupp Trophy für den besten Spieler der NCAA erhält. Nach einer Saison meldet sich Wall folgerichtig zum NBA-Draft an und gilt aufgrund seiner Meriten am College schon vorher als sicherer No.1-Pick.

Viele Experten sehen in Wall einen kommenden Superstar, weil er auf der Eins eine seltene Kombination aus Länge (1,93 m), Athletik, Schnelligkeit und Spielübersicht mitbringt. Allerdings gibt es damals bereits einige Kritikpunkte an seinem Spiel, die ihn bis heute nicht wirklich loslassen.

Chaos im Locker Room

Zum einen ist Wall ein unterdurchschnittlicher Sprungwerfer. Den Dreier hat er überhaupt nicht im Repertoire, auch aus der Mitteldistanz ist er kein sicherer Schütze. Zudem geht er häufig zu sorglos mit dem Ball um, leistet sich schlicht und einfach zu viele Turnover. Defensiv wird ihm bisweilen zu wenig Einsatz vorgeworfen.

Die Wizards lassen sich davon nicht einschüchtern und machen Wall 2010 zum ersten Pick des Drafts. Zu Anfang ist das allerdings mehr Fluch als Segen, da der Kader Washingtons zu dieser Zeit gelinde gesagt nicht gerade mit vorbildlichen Profis aufwarten kann.

Wenige Monate vor seiner Ankunft bringen Gilbert Arenas und Javaris Crittenton Schusswaffen mit in die Umkleide, Spieler wie Andray Blatche, Nick Young oder Javale McGee albern eher rum, als dass sie sich um das Wohl des Teams scheren. Kein ideales Klima für einen gerade 20-jährigen Rookie, der kurz vorher noch an einer erfolgsorientierten Elite-Uni eingeschrieben war.

"Es war schwer für mich, das Spiel zu verstehen, weil ich kaum Hilfe hatte. Ich will nichts Schlechtes über meine Teamkollegen sagen, ich mochte sie, es fehlte nur irgendwie an Professionalität", versucht Wall die Situation heute zu erklären.

Dringend benötigte Veteranen

Und so verlaufen die ersten beiden Jahre eher enttäuschend. Zwar legt Wall individuell mehr als solide Statistiken auf, beispielsweise wird er zum ersten Rookie überhaupt, der über seine ersten sieben Spiele ein Double Double aus Punkten und Assists produziert. Auch seine Durchschnittswerte (je rund 16 Punkte und 8 Assists pro Spiel) lesen sich ansprechend.

Spiele gewinnt Washington trotzdem kaum, und Wall hat auch individuell Probleme mit der Umgewöhnung. So gehören seine durchschnittlich knapp vier Turnovers zu den "Top-Werten" der Liga - seine Quote aus dem Feld ist nur unmittelbar am Korb gut, der Jumper instabil wie ein Kartenhaus.

Gegen Ende seiner zweiten Saison erhält Wall dann endlich etwas mehr Hilfe. Im März kommt Nene in einem Trade, in dem die Hauptstädter unter anderem Young und McGee fortschicken. In der Offseason gesellen sich Emeka Okafor und Trevor Ariza dazu - die drei Veteranen sind vermeintlich überbezahlt, bringen aber dringend benötigte Erfahrung und Professionalität in den Locker Room.

Vielversprechendster Backcourt der Liga?

Der wohl wichtigste Neuzugang kommt dann abermals in der Draft - Shooting Guard Bradley Beal stößt zum Team und wird zum neuen Backcourt-Partner von Wall. Ebendieser Backcourt wurde vor kurzem von Frank Vogel, dem Coach der Indiana Pacers, als "vielversprechendster in der NBA" bezeichnet. Nicht wenige denken so.

Wall verpasst letzte Saison zwar die ersten 33 Partien, mit ihm und Beal in der Lineup gewinnen die Wizards allerdings 23 von 41 Spielen - die Bilanz eines Playoff-Teams. Nach seiner Zwangspause spielt Wall den mit Abstand besten Basketball seiner NBA-Karriere, in den letzten 21 Partien legt er All-Star-würdige Zahlen von 24 Punkten und 8 Assists auf, unter anderem scort er 47 gegen Memphis und 37 gegen die Pacers, zwei der besten Defensiven der Liga.

Beal, ein extrem talentierter Shooter, profitiert derweil sichtlich von den Räumen, die Wall mit seinem Tempo schafft. Es sind diese Ansätze, die die Wizards-Entscheider um Besitzer Ted Leonsis optimistisch in die Zukunft blicken lassen.

Hohe Erwartungen

In dieser Saison will sich Wall endgültig in der Elite der Point Guards etablieren und sein Team in die Playoffs hieven. Er selbst hält sich für einen der besten Einser der Liga, das hat er wieder und wieder klargemacht.

Verletzungen, miese Teamchemie und generelles Chaos haben bisher verhindert, dass Wall seinem eigenem Anspruch und dem der Experten gerecht werden konnte - jetzt hat er hingegen "das aufregendste Team, mit dem ich bisher gespielt habe" beisammen.

Im Draft kam mit Otto Porter Jr. abermals ein Lottery-Pick, der ohnehin verletzte Okafor wurde für Marcin Gortat abgegeben. Veteran Al Harrington kam als Free Agent. "Wir alle sind Profis. Wir sehen uns jetzt als ein Team, das gewinnen kann", sagt Wall.

"Teamplayer und Anführer"

Jetzt liegt es am Franchise Player, seinen Vertrag zu rechtfertigen. Wall nimmt die Verantwortung als Leader bereitwillig an: "Er arbeitet jeden Tag an sich, kommuniziert viel, unterstützt seine Teammates", sagt Al Harrington, "er ist ein Teamplayer und ein Anführer".

"Ihr könntet einfach die Artikel, die ihr vor der letzten Saison über uns geschrieben habt, nochmal auskramen. Ja, wir haben höhere Erwartungen. Es ist die vierte Saison des Neuaufbaus. Wir erwarten ein viel, viel besseres Team", macht auch Ted Leonsis nochmal deutlich.

Der Tisch ist gedeckt für den Durchbruch. An seinem Wurf hat er im Sommer viel gearbeitet und ist laut eigener Aussage "viel selbstbewusster" geworden. Jetzt heißt es: fit bleiben. Vielleicht finden wir in dieser Saison dann endlich heraus, wie gut John Wall wirklich ist.

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