NBA

Die Sehnsucht nach Playoff-Spielen

Von Jan Dafeld
Al Jefferson und Bobcats-Coach Steve Clifford scheinen sich bereits bestens zu verstehen
© getty

Ein ganzer Staat erwartet von Al Jefferson, dass er den Profi-Basketball in North Carolina wieder zu dem machen kann, was er einst war. Doch ist die Aufbruchstimmung rund um die Charlotte Bobcats überhaupt berechtigt, hat das Team die Voraussetzungen für eine bessere Zukunft? Und falls ja: Ist Jefferson dann überhaupt der richtige Mann für eine solche Aufgabe?

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"Ich kann gar nicht ausdrücken, wie froh ich bin, hier zu sein." Drei Männer kamen aus dem Strahlen fast gar nicht mehr heraus, als Al Jefferson am 8. Juli in der Time Warner Cable Arena der Presse vorgestellt wurde.

Zum einen General Manager Rich Cho und Präsident Rod Higgins, die es tatsächlich geschafft hatten, einen der begehrtesten Free Agents dieses Jahres zu ihrem Team zu locken.

Und zum anderen Al Jefferson, der bei seinem erklärten Wunschverein untergekommen war. Doch es waren nicht die Miami Heat, die New York Knicks oder die Los Angeles Lakers. Er hatte sich für Charlotte entschieden.

Für Charlotte, das zu den kleinsten Märkten der NBA gehört. Und vor allem: Für Charlotte, das die schlechteste Bilanz aller NBA-Teams über die letzten beiden Saisons vorweist.

Walker: "Hätte fast geweint"

"Meine gesamte Heimatstadt ist nicht größer als der Raum, in dem wir hier gerade stehen, aber wenn es dort ein NBA-Team gäbe, dann würde ich auch dahin gehen" scherzte Jefferson. "Mich interessiert die Stadt und der ganze andere Kram überhaupt überhaupt nicht. Ich finde, wenn ein Team wirklich will, dass du für es spielst, dann solltest du es tun. Und die Bobcats haben mir absolut das Gefühl gegeben, dass sie mein Spiel mögen und, dass ich ein Teil der Familie hier werden kann."

Schon zwei Monate, bevor Jefferson sich mit den Bobcats-Verantwortlichen traf, witzelte Point Guard Kemba Walker, dass Jefferson und er bestimmt bald für das selbe Team spielen würden. "Ob ich erfreut war, als ich hörte, dass Al tatsächlich zu uns kommt?" fragte Walker die Journalisten. "Fast hätte ich aus Vorfreude ein paar Tränen verdrückt."

Große Erwartungen

Wieso das Management und auch die Spieler der Bobcats ihren Neuzugang so ekstatisch loben, liegt auf der Hand. Ein Jahr, bevor die in North Carolina immer noch geliebten Hornets wieder nach Charlotte zurückkehren werden, hofft man, dass Big Al sich zur Führungs- und Identifikationsfigur entwickeln kann, die die neue Ära für Charlotte einleiten wird.

Inwieweit die wohl größte Verpflichtung in der Geschichte der Bobcats für so eine Rolle geeignet ist, ist allerdings fraglich. Der 28-jährige hat als einziger Spieler neben Dwight Howard in den letzten sechs Jahren immer mindestens 17 Punkte und neun Rebounds pro Partie auflegen können und zudem in acht seiner neun NBA-Saisons auf 36 Minuten gerechnet ein Double-Double im Schnitt erreicht.

Seine Freiwurfquote ist mit 77 Prozent für einen Center außerordentlich gut, darüber hinaus gilt er als einer der offensiv variabelsten Big Men der Liga, der dank seiner hervorragenden Fußarbeit effektiv aus dem Low-Post scoren, aber auch aus der Mitteldistanz treffen kann (2012/2013 fast drei Treffer pro Partie aus einer Entfernung von 10 Fuß oder mehr) - den Beweis, dass er ein Team zum Erfolg führen kann, ist er bislang allerdings schuldig geblieben.

Persönliche Erfolge bleiben aus

In Boston erreichte er erst in seinem vierten Jahr die Playoffs, wurde daraufhin als einer von fünf Spielern für Kevin Garnett nach Minnesota abgegeben. Von dort musste er zusehen, wie seine Ex-Kollegen um die Big Three den Meistertitel holten, während die Timberwolves in drei Jahren nicht einmal mehr als 24 Siege einfahren konnten.

Aus diesem Grund blieb Jefferson trotz herausragender Statistiken von zeitweise 23 Punkten und elf Rebounds pro Spiel bis heute die Teilnahme an einem All-Star-Game verwehrt.

Zu Beginn des Jahres 2009 zog Jefferson sich einen Kreuzbandriss zu und verpasste den Rest seiner bis zu diesem Zeitpunkt besten Saison.

Mit Subway-Diät zu mehr Fitness

Um sowohl sein eigenes als auch das Spiel seines Teams variabler gestalten zu können, unterzog er sich einer ganz besonderen Diät: "Ich aß jeden Tag ein Schinken-Truthahn-Sandwich bei Subway. Manchmal auch zwei." erklärte er.

Ob nun von Ernährungsexperten empfohlen oder nicht, bei Jefferson wirkte die Kur. Er kam 15 Kilo leichter von seiner Verletzung zurück und erhoffte sich, sein Spiel so auf ein höheres Level zu heben.

Während die fehlenden Kilos ihm unter dem Korb allerdings einiges von seiner Durchsetzungsfähigkeit raubten, blieben seine vorherigen Defizite bestehen: Die fehlende Beweglichkeit sowie seine relativ geringe Mobilität machen Jefferson zu einem unterdurchschnittlichen Verteidiger.

Schon in der letzten Saison ließen die Utah Jazz mit Jefferson auf dem Feld auf 100 Angriffe gerechnet zehn Punkte mehr zu als mit Derrick Favors oder Enes Kanter. An seine alte Form, in der er auf 20 Punkte und zehn Rebounds pro Partie kam, konnte Al Ricardo Jefferson, wie er mit vollem Namen heißt, nach seiner Verletzung nie mehr vollends anknüpfen.

"Al macht es uns viel einfacher"

Der neue Bobcats-Coach Steve Clifford will von den Defensivschwächen seines neuen Stars allerdings nichts wissen. "Wenn man ihn sich anschaut, merkt man, dass er lange nicht so schlecht ist, wie die Leute es ihm oft nachsagen. Bei jedem Spieler gibt es Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Bei ihm ist es sicherlich nicht so, dass man ein Tape über ihn sieht und dann sagt: 'Er kann das nicht schaffen.'"

Clifford will vielmehr den Fokus auf die Stärken des neuen Centers legen: "Eine der schwersten Sachen, die es gibt, ist effektiv im Halbfeld zu agieren. Einen Spieler wie Al zu haben macht das viel einfacher."

Trotz all der Lobeshymnen stellt die Verpflichtung auch eine Herausforderung für Clifford dar. Die Zeiten, in denen Byron Mullens für die Bobcats starten musste, sind vorüber.

Wie passen die Big Men zusammen?

Nachdem die Bobcats im Draft den 20-jährigen Cody Zeller auswählten und Clifford auch noch auf Bismack Biyombo zurückgreifen kann, steht der 52-jährige vor der Aufgabe die Minuten und Rotationen im talentierten Bobcats-Frontcourt so sinnvoll und effektiv wie möglich zu gestalten.

Inwieweit Jefferson und Zeller oder Biyombo sich gegenseitig ergänzen können, ist ungewiss. Im Zusammenspiel mit Zeller dürfte Charlotte defensiv große Probleme bekommen.

Biyombo agiert offensiv zu nah am Ring, sodass Jefferson sich in seiner Komfortzone nicht wirklich entfalten können und sich häufiger gegen Double-Teams behaupten müssen wird, die der Scorer aufgrund seiner Unfähigkeit oder sogar Unwillens, seine besser postierten Mitspieler in Szene zu setzen, nicht effektiv bestrafen kann.

Wohin geht's als Hornets?

Trotz all der Zweifel gehört Al Jefferson zu der Kategorie Spieler, bei denen nur die Wenigsten Charlotte überhaupt eine wirkliche Chance auf eine Verpflichtung eingeräumt haben. Er kann den Bobcats-Frontcourt auf Anhieb auf eine neue Stufe heben und dürfte zumindest diese Saison fest als erste Angriffsoption eingeplant sein.

Dass er allerdings die immensen Erwartungen, die die gesamte Franchise an ihn hat komplett erfüllen und die Charlotte Hornets praktisch alleine wieder zu dem machen kann, was sie früher einmal waren, darf mehr als nur bezweifelt werden.

Ein hoher Pick im mit Talent gespickten Draft 2014 ist für die Bobcats daher unabdingbar. Inwieweit das Bobcats-Management durch Jefferson in diesem Jahr also wirklich mehr Siege sehen will darf Jeder für sich selbst entscheiden.

Hoffen auf einen Superstar

Trotzdem können sich die Fans über ein Team freuen, das mit Michael Kidd-Gilchrist, Cody Zeller, Kemba Walker, Bismack Biyombo und Gerald Henderson, der Ende Juli seinen Vertrag in Charlotte verlängerte, über einen talentierten Kern verfügt.

Davon, dass die Charlotte Hornets auf längere Sicht erfolgreicheren Basketball spielen werden als die Bobcats, ist auszugehen. Ob das Team jedoch wirklich zu mehr im Stande sein kann wird man erst in einem Jahr sehen.

Wer weiß, vielleicht können Higgins und Cho dann ja sogar einen Rookie wie Andrew Wiggins als neues Aushängeschild für ihre Franchise präsentieren.

Der Kader der Charlotte Bobcats