NBA

"Niemand ist so NBA-ready wie Schröder"

Von Interview: Florian Regelmann
Dennis Schröder steht laut "ESPN"-Experte Fran Fraschilla vor einer großen Zukunft
© getty

Beim Draft in Brooklyn wurden in der ersten Runde 12 internationale Spieler gezogen - das bedeutete einen neuen Rekord! SPOX sprach mit Fran Fraschilla, dem "ESPN"-Experten für internationalen Basketball, über Dennis Schröder und die anderen deutschen Toptalente - und über den winkenden Dirk Nowitzki.

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SPOX: Herr Fraschilla, bevor Sie TV-Analyst bei "ESPN" wurden, waren Sie Head Coach am College (u.a. bei St. John's, d. Red.). Wie sind Sie in die Expertenschiene gerutscht?

Fran Fraschilla: Wenn du als Coach gefeuert wirst, musst du dir einen anderen Job suchen. (lacht) Ich liebe es einfach, über Basketball zu sprechen. Und das jeden Tag und das ganze Jahr lang. Ob High School, College, NBA oder internationaler Basketball ist ganz egal. Ich habe es geschafft, aus meiner Liebe für Basketball eine zweite Karriere zu machen. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, darüber bin ich sehr glücklich. Und dann habe ich auch noch das große Glück, bei "ESPN" arbeiten zu dürfen. Wie Sie wissen, gibt es in den USA im Sport nichts Größeres.

SPOX: Kommen wir gleich zum großen Thema: Draft. Dennis Schröder wurde mit dem 17. Pick von den Atlanta Hawks gedraftet. Was ist Ihre Meinung zu Schröder?

Fraschilla: Dennis hat alle physischen Attribute, die ein NBA-Point-Guard haben muss. Die Vergleiche mit Rajon Rondo mögen unfair sein, aber nur in der Hinsicht, was Rondo in seiner Karriere alles schon geleistet hat. Wenn wir uns nur den Stil anschauen, wie Rondo spielt, dann ist Dennis in der Tat sehr ähnlich. Er ist sehr athletisch, sehr schnell, explosiv und mit einem großartigen ersten Schritt ausgestattet. Beim Hoop Summit hat er außerdem bewiesen, was für ein guter Defender er ist. Dazu kommt, dass er sein Outside Shooting verbessert hat.

SPOX: Er hat den besseren Wurf als Rondo, sagt er.

Fraschilla: (lacht) Da hat Dennis Recht. Allerdings macht Rondo auch einige Sachen besser als er. Was die internationalen Spieler angeht, sage ich: Niemand ist so NBA-ready wie Dennis Schröder. Obwohl er noch so jung ist, kann er einem NBA-Team sofort weiterhelfen. Und Atlanta ist ein hervorragender Platz für ihn.

SPOX: Hawks-Coach Mike Budenholzer kennt aus seiner Spurs-Zeit einen jungen europäischen Point Guard sehr gut: Tony Parker.

Fraschilla: Das stimmt. Tony Parker war auch 19 Jahre alt, als er rübergekommen ist. Aber wir sollten Dennis nicht mit Tony vergleichen, das wäre nicht fair. Ich denke, dass es für Dennis die ideale Situation wäre, wenn er noch ein Jahr von einem Point-Guard-Veteranen lernen könnte. In Braunschweig hatte er ja Courtney Pigram an seiner Seite. Die Hawks werden nicht wollen, dass er gleich im ersten Jahr alleine das Flugzeug fliegt, Dennis braucht einen erfahrenen Co-Piloten. Aber wie gesagt: Ich glaube, dass er die Chance hat, sich im ersten Jahr sofort zu beweisen. Mit einigen Rookie-Fehlern, die von seiner Unerfahrenheit herrühren, werden die Hawks leben müssen.

SPOX: Was halten Sie von den anderen deutschen Talenten?

Fraschilla: Mein Sleeper ist eigentlich Danilo Barthel aus Frankfurt. Er ist sehr athletisch und fing gegen Ende der Saison an, besser zu spielen. Daniel Theis ist natürlich ein großes Talent, von ihm schaue ich mir ständig Bänder an. Philipp Neumann ist reifer geworden in diesem Jahr. Er ist physisch stark und macht Fortschritte, er scheint auch sein Temperament besser in den Griff zu bekommen, er scheint etwas cooler zu werden. Neumann muss im Sommer und in der nächsten Saison vor allem an seinem Low Post Game arbeiten. Robin Benzing habe ich mal beim Eurocamp gecoacht, er ist einer dieser Jungs, die so dazwischen liegen. Er ist zwar talentiert, aber er ist nicht athletisch genug für die NBA. Kevin Bright hat ein gutes Freshman-Jahr in Vanderbilt absolviert. Aber soll ich Ihnen sagen, wer unter den deutschen Talenten mein Lieblingsspieler ist?

SPOX: Na klar, bitte.

Fraschilla: Maxi Kleber. Der Junge hatte leider ein so großes Verletzungspech. Wenn Maxi hoffentlich gesund bleibt und in der nächsten Saison so spielt, wie ich es mir erwarte, dann hat er eine große Chance, gedraftet zu werden. Mindestens in der 2. Runde, womöglich sogar höher.

SPOX: Dario Saric wäre wahrscheinlich als erster Europäer vom Board gegangen, wenn er im Draft geblieben wäre. Ist er so gut, wie alle sagen?

Fraschilla: Meiner Meinung nach nein. Ich will nicht sagen, dass es alles nur Hype ist. Aber ich halte ihn nicht für so ein riesengroßes Talent, wie in Europa die meisten Leute denken. Er ist ein begabter Passer, aber seine fehlende Athletik wird ihm wehtun. Mich erinnert er an Hedo Turkoglu. Ich sehe nicht, dass er in der NBA einschlagen wird, wie es Dirk Nowitzki oder Pau Gasol getan haben. Die größte Perspektive hat bei den internationalen Spielern zweifellos Giannis Antetokounmpo, der Junge ist erst 18, das darf man nicht vergessen. Er ist unglaublich talentiert, nur physisch eben noch nicht bereit, um in der NBA zu spielen.

SPOX: Mit 12 internationalen Spielern in der ersten Runde wurde jetzt ein neuer Rekord aufgestellt. Was ist Ihre Erklärung?

Fraschilla: Zum einen ist es so, dass die NBA-Teams jetzt einen viel besseren Job beim Scouting der internationalen Spieler machen. Das war noch vor zehn Jahren anders. Und zum anderen kann man ihnen auch nicht mehr vorwerfen, dass sie soft sind. Niemand würde Dirk Nowitzki als soft bezeichnen. Oder Nikola Pekovic von den T-Wolves - niemand ist weiter weg davon, soft zu sein, als er. Der internationale Markt gibt auch alles her, Point Guards, Wings, Big Men, Jungs mit einem guten Inside-Game, Jungs mit einem guten Outside-Game. Die Basketball-Welt ist so klein wie nie. Ich denke, dass der Erfolg des Dream Teams 1992 in Barcelona diese Entwicklung entscheidend beeinflusst hat.

SPOX: Dienen die internationalen Talente in gewisser Hinsicht sogar als Vorbild?

Fraschilla: Auf jeden Fall. Ich habe acht Jahre in Folge beim Eurocamp in Treviso gecoacht. Wenn ich nach Hause gekommen bin, habe ich den jungen amerikanischen Spielern immer erzählt, wie gut die Arbeitseinstellung der internationalen Spieler ist und wie gut ihre Fundamentals sind, wie gut sie ausgebildet sind. Es gibt keinen Zweifel daran, dass unsere Talente in den USA einiges von ihnen lernen können. Sie können sich vor allem abschauen, was hartes Training bedeutet und wie teamorientiert man sein kann.

SPOX: Wer ist denn aktuell für Sie "The Next Big Thing" aus Europa?

Fraschilla: Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe so viele Jungs selbst gecoacht und gesehen, wie sie zu Stars wurden, Nic Batum, Danilo Gallinari, Goran Dragic oder Serge Ibaka zum Beispiel. Im Moment gilt Saric als die große Nummer, aber es kommen immer wieder neue Jungs nach oben. Auf Jacob Larsen, den jüngeren Bruder von Rasmus, müssen wir aufpassen. Ich liebe es, dass aus Dänemark und überall aus Europa inzwischen so große Talente herkommen.

SPOX: Wenn Sie den internationalen Talenten einen Rat geben müssten, was würden Sie sagen?

Fraschilla: Ich würde ihnen eines sagen: Wenn du die Athletik hast, die in der NBA gefragt ist, hast du einen großen Vorteil. Aber wenn du diese Athletik nicht hast, dann sind deine Skills umso wichtiger. Für jeden Batum gibt es einen Nowitzki. Dirk ist kein schlechter Athlet, aber seine größte Stärke ist sein unglaubliches Skill-Set. Da ich in Dallas lebe, habe ich Dirks gesamte Karriere verfolgt. Er ist nicht nur einer der beliebtesten Spieler, er ist auch einer der am meisten respektierten Spieler in der NBA, weil er in jedem Jahr noch besser geworden ist. Vielleicht sehen wir in den nächsten Jahren das Ende seiner großen Karriere, aber er ist ein First Ballot Hall of Famer, das ist völlig klar.

SPOX: Und der beste internationale Spieler aller Zeiten?

Fraschilla: Alles in allem ja. Drazen Petrovic war auch ein toller Spieler, aber Drazen hatte aufgrund seines tragischen Todes traurigerweise nicht die Karriere wie Dirk. Dirk hat eine Championship gewonnen und war unzählige Male All-Star. Deshalb ist Dirk der beste internationale Spieler der Geschichte.

SPOX: Sie haben Dirk sehr eng verfolgt. Was ist die Eigenschaft, die Sie am meisten an ihm schätzen?

Fraschilla: Seine Demut und Bescheidenheit. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Ich hatte das Glück, nur ein paar Straßen entfernt von Dirk zu wohnen in Dallas. Er kannte mich damals noch nicht, aber jedes Mal, wenn ich beim Joggen an seinem Haus vorbeikam, hat er gewunken und Hallo gesagt. Das ist typisch Dirk. Er ist ein Superstar, aber er benimmt sich immer noch wie ein Teenager. Er ist ein sehr bescheidener und toller Mensch - das ist das größte Kompliment, das ich ihm machen kann.

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