NBA

LeBron James im Cleveland-Modus

Von Cliff Schmit
Bosh und Wade im Leistungstief: Von der Dominanz der Big Three ist zurzeit nichts zu sehen
© getty

Vor Spiel 6 der Eastern Conference Finals gegen die Indiana Pacers sorgt LeBron James mit einer Aussage für Irritationen. Der Heat-Superstar fühlt sich in längst überwundene Zeiten zurückversetzt. Vor allem die schwächelnden Dwyane Wade und Chris Bosh dürften sich angesprochen fühlen. Die Pacers glauben derweil immer noch fest an ein Weiterkommen.

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Nachdem er Miami abermals fast im Alleingang mit einer Gala (30 Punkte, 8 Rebounds, 6 Assists) zum Sieg in Spiel 5 geführt hatte, ließ LeBron James sich vor versammelter Presse zu einer erstaunlichen Aussage hinreißen: "Ich habe einfach so gespielt, wie in meinen früheren Tagen in Cleveland. Ich habe mein Bestes gegeben, das Team angeführt und geguckt, ob die Jungs mir folgen würden."

Ruft man sich ins Gedächtnis, wieso "The Chosen One" vor drei Jahren seine Talente nach South Beach nahm, dürften einem diese Worte doch etwas befremdlich vorkommen.

Ermüdet davon eine One-Man-Show bei den Cavs zu sein, hatte LBJ vor drei Jahren Ohio eigentlich in der Hoffnung verlassen, in Miami mit Wade und Bosh endlich über den nötigen Supporting Cast mit Starpotenzial zu verfügen.

James auf sich alleine gestellt

Nach dem Titelgewinn im vergangenen Jahr ist in diesen Tagen allerdings nur noch wenig bis gar nichts von der gefürchteten Big Three zu sehen. Sowohl Chris Bosh (13 Punkte, 6,6 Rebounds) als auch Dwyane Wade (13,9 Punkte, 5,5 Assists) bleiben in den bisherigen Playoffs weit unter ihren Möglichkeiten.

Natürlich laborieren beide an Verletzungen (Wade: rechtes Knie, Bosh: rechtes Sprunggelenk), die sie vor allem in Sachen Athletik und Explosivität behindern, als alleinige Entschuldigung für die teilweise gezeigten Leistungen kann dies aber nicht herhalten.

Wird Miamis eklatante Abhängigkeit von James vor allem nun in der Serie gegen die Pacers deutlich sichtbar - der 28-Jährige ist in allen fünf Begegnungen Topscorer der Heat gewesen - so kann man nicht leugnen, dass der Forward auch in den vorigen Runden das Team quasi alleine auf seinen breiten Schultern getragen hat.

Die Statistiken des Ausnahmeathleten sind zwar in fast allen Kategorien minimal zurückgegangen, sein Einfluss auf das Spiel der Heat ist allerdings größer denn je. Als James in Spiel zwei gegen Ende eine kurze Schwächeperiode erlebte, ging es mit den Heat gleich dahin.

Wade seit Verletzung im Tal

In zwölf der bisherigen 14 Playoff-Partien hat James mehr als 20 Punkte gesammelt. Seine Teamkameraden haben die 20er-Grenze im Verbund nur 6 Mal durchbrochen (3x Allen, je einmal Bosh, Chalmers und Wade).

Vor allem von Dwyane Wade kommt offensiv viel zu wenig. Lediglich einmal - in Spiel 2 gegen Milwaukee - legte der 31-Jährige mehr als 20 Punkte auf (21).

Selbstkritik scheint für den 31-Jährigen dennoch ein Fremdwort zu sein: "Wenn ich auf dem Court stehe, gebe ich alles, was in mir steckt. Natürlich gucken alle nur auf meine Scoring, aber ich denke, dass diese eingeschränkte Sichtweise meiner Leistung nicht gerecht wird. Ich definiere Erfolg anders."

Natürlich sollte man nicht ausschließlich auf das Scoring eines Spielers schauen, doch auch Wades PER liefert nicht unbedingt Argumente für den Shooting Guard. Konnte er während der regulären Saison noch einen starken Wert von 24,0 aufweisen, ist sein PER in den Playoffs auf 17,7 abgerutscht. Lediglich Knicks-Versager J.R.Smith hat in der Post Season noch stärker abgebaut.

Wades Niedergang begann dabei vor etwas mehr als zwei Monaten, als er sich im Spiel gegen die Boston Celtics eine üble Knieprellung einfing und neun der letzten vierzehn Saisonspiele verpasste.

Freiwurfversuche auf Tiefstwert

Seitdem ist der Energizer nicht mehr der alte. Selbst zwei einwöchige Pausen während der ersten drei Playoff-Runden reichten nicht aus, um ihn wieder auf Trab zu bringen.

Dabei leidet sein Punkteschnitt in erster Linie unter seinen ausbleibenden Freiwurfversuchen. Stand er in der Regular Season noch über sechs Mal pro Partie an der Linie, hat sich sein Schnitt in den Playoffs nahezu halbiert (3,5 Versuche). Beim letztjährigen Titelrun sind es sogar mehr als sieben Versuche pro Spiel gewesen. Einen Wert, den Wade zum letzten Mal vor über einem Monat erreichte.

Die fehlende Unterstützung für James alleine am Versagen des Guards festzumachen, trifft die Problematik aber nur unzureichend. Auch Chris Bosh ist in den letzten Spielen nur noch ein Schatten seiner selbst.

Auch Bosh völlig von der Rolle

Seit er sich kurz nach der Pause in Spiel 4 beim Reboundkampf (!) gegen Roy Hibbert erneut den Fuß verstauchte, läuft beim Center rein gar nichts mehr zusammen. 14 Punkte (7+7) erzielte der 29-Jährige in den vergangenen beiden Partien. Zum ersten Mal seit seiner Rookie-Saison 2003, dass der ehemalige Raptor in zwei aufeinanderfolgenden Spielen weniger als zehn Punkte auflegt.

Gegen den physisch überragenden Front-Court der Pacers lässt Bosh fast alles vermissen, was einen Center ausmacht. Er zieht sich viel zu sehr hinter die Dreipunktlinie zurück, hat im Rebound überhaupt nichts zu bestellen und taucht auch nicht an der Freiwurflinie auf.

Würde er noch schlechter verteidigen und sein Wurf etwas wackeliger werden, die Metamorphose zu Antawn Jamison wäre perfekt. Jamison spielte 2010 in Cleveland an der Seite von James und legte nahezu identische Statistiken auf.

Dabei besitzt Bosh durchaus Waffen, um die Pacers vor ernsthafte Schwierigkeiten zu stellen. Vor allem sein schnelles Dribbling aus dem High-Post heraus wäre ein probates Mittel um West und Hibbert in Bedrängnis zu bringen.

Haslem und Andersen übernehmen

Die Heat können von Glück reden, dass mit Chris Andersen, Mario Chalmers und Udonis Haslem andere Akteure in die Bresche gesprungen sind. Vor allem Haslem lieferte bei den Siegen in Spiel drei und fünf ganz starke Partien ab.

In Abwesenheit des gesperrten Andersen wird es nun mehr denn je auf den Routinier ankommen. Der 32-Jährige weiß jedenfalls, was die Heat im Bankers Life Fieldhouse erwarten wird: "Wir können uns keine Anlaufzeit erlauben. Sobald der Ball beim Tip-Off freigegeben wird müssen wird bereit sein."

Angesichts der Schwächephasen von zwei Dritteln der "Big Three" gilt es für Indiana natürlich in erster Linie LeBron James besser in Schach zu halten. Allein im entscheidenden dritten Viertel von Game 4 erzielte James 16 Punkte und verteilte zudem 4 Assists.

Vogel appelliert an seine Verteidiger

Pacers-Coach Frank Vogel hat bereits genaue Vorstellungen wie der Aktionsradius von "King James" einzudämmen ist: "Unsere Verteidiger müssen es besser schaffen ihn vor sich zu halten. Das ist das Wichtigste. Außerdem müssen wir auch in der Luft näher an ihm dran sein. Es kann nicht sein, dass er einfach aus dem Dribbling hochsteigt und abdrückt. Da müssen wir wesentlich präsenter sein."

Neben der verbesserten Defensive gegen James müssen die Pacers vor heimischer Kulisse aber auch im Angriff einen gehörigen Zahn zulegen. Nach den katastrophalen Leistungen in Spiel fünf dürfen sich vor allem George Hill und Lance Stephenson angesprochen fühlen.

Pacers mit breiter Brust

Angesichts der bisher gezeigten Leistungen, gepaart mit der Anfälligkeit der Heat und dem Fehlen von X-Faktor Andersen, scheint ein Spiel 7, ja vielleicht sogar ein Finaleinzug der Pacers durchaus im Bereich des Möglichen.

Nicht überraschend, dass Frank Vogel die Situation ähnlich einschätzt: "Das ist nicht nur leeres Gerede. Es gibt viele Gründe, warum ich so selbstbewusst bin. Ich sage meinen Jungs immer wieder, dass ich kein Optimist, sondern ein Realist bin. Wenn ich sehe über wie viel Talent diese Mannschaft verfügt und wie gewissenhaft sie die Vorgaben meines Coaching-Teams umsetzt, bleibt mir nichts anderes übrig als an ein Weiterkommen zu glauben."

So weit ist es allerdings noch nicht. Zunächst gilt es für die Pacers in Spiel 6 ein vorzeitiges Saisonende zu vermeiden. Eine Aufgabe, die sich sicherlich als schwierig genug erweisen wird.

Ergebnisse und Spielplan im Überblick