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"Kritik an Manu war unfair"

Von Interview: Marcel Friederich
Tony Parker war in Spiel fünf der Finals gegen die Miami Heat Topscorer der San Antonio Spurs
© getty

"MVP"-Rufe hallten durch das AT&T Center, als Tony Parker kurz vor dem Ende von Spiel fünf der Finals (BOXSCORE) zwischen den San Antonio Spurs und den Miami Heat an der Freiwurflinie stand. Im Gespräch mit SPOX spricht er über seine Gesundheit, einen tapsigen Landsmann und die Auferstehung von Manu Ginobili.

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SPOX: Herr Parker, die wichtigste Frage vorneweg: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Tony Parker: Es geht. Direkt nach Spiel fünf habe ich mich ziemlich müde gefühlt, weil das eine enorm physische Partie gewesen ist. Ich habe auf dem Spielfeld alles aus mir herausgeholt, so dass man direkt danach eine gewisse Leere im Körper verspürt. Immerhin habe ich es diesmal geschafft, in der zweiten Halbzeit auf einem ähnlichen Level wie vor der Pause weiterzuspielen. Nicht so wie in Spiel vier, als ich nach der Pause überhaupt nichts mehr zustande gebracht hatte. Ich denke, dass das schon etwas mit meiner Oberschenkelverletzung zu tun hatte.

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SPOX: Wie fühlt sich Ihr Oberschenkel, den Sie sich im dritten Finalspiel verletzt haben, mittlerweile an?

Parker: Durchwachsen. Schon vor dem fünften Spiel habe ich gesagt, dass ich eigentlich zehn Tage lang aussetzen würde, sofern wir uns in der Hauptrunde befinden. Doch jetzt sind wir in den Playoffs und stehen in den Finals. Ich muss dieses Risiko definitiv eingehen. Wer weiß, wann es das nächste Mal eine Chance gibt, den Titel zu gewinnen? Klar: Wenn ich Pech habe, reißt ein Muskel im Oberschenkel. Dann wäre alles aus. Aber nachdem es im fünften Finalspiel gut geklappt hat, bin ich zuversichtlich. Zumal mich Manu Ginobili sehr gut entlastet hat.

SPOX: Stichwort Ginobili: Wie groß ist die Erleichterung, dass der Argentinier mit 24 Punkten und zehn Assists endlich wieder geglänzt hat?

Parker: Die Erleichterung ist riesengroß. Manu besitzt einen enormen Einfluss auf unser Spiel. Deshalb es ist unfassbar wichtig, dass er zurück auf dem Damm ist.

SPOX: Wann haben Sie im Laufe des fünften Spiels gemerkt, dass Ginobili zu alter Stärke zurückgefunden hat?

Parker: Gleich zu Beginn, als er nach 20 Sekunden den ersten Wurf versenkt hat. Dieser Treffer hatte ihm einen großen Schub Selbstvertrauen gegeben. Kurioserweise war das gar kein Spielzug für ihn, sondern für mich. Als der Spielzug aber nicht so recht geglückt war, nahm er sich einfach den Wurf - und traf! Das war ein Fingerzeig für den weiteren Spielverlauf.

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SPOX: In den vergangenen Tagen wurde Ginobili hart kritisiert. Wie haben Sie dies empfunden?

Parker: Natürlich hat Manu in den ersten vier Finalspielen nicht die Leistung abgerufen, die wir uns von ihm erhofft hatten. Trotzdem muss man sich immer wieder vor Augen führen, welchen Stellenwert er in der Erfolgshistorie dieses Clubs besitzt. Der Stellenwert ist enorm. Ohne ihn hätten wir wohl niemals drei Titel in fünf Jahren gewonnen. Deshalb empfand ich die überharte Kritik an ihm als unfair und nicht gerechtfertigt.

SPOX: Wie wichtig war es für Ginobili, dass Coach Popovich ihn diesmal in die Starting Five gestellt hatte?

Parker: Ich glaube, das hatte einen großen Einfluss. Es ist schließlich so, dass die Heat gegen Tim Duncan und mich sehr aggressiv verteidigen. Wenn Manu von Beginn an mit uns auf dem Feld steht, findet er viel mehr Freiräume vor. Wenn er jedoch von der Bank aus kommt, werden Tim und ich zur selben Zeit häufig ausgewechselt. Und die komplette Heat-Defense konzentriert sich auf Manu. Daher war es in den vergangenen Spielen schwierig für ihn, überhaupt seinen Rhythmus zu finden. Die Entscheidung, dass er mit uns in der Startformation stand, kann ich nur begrüßen. Er war viel aggressiver als zuletzt. Ebenso hat er die Bälle sehr gut verteilt und daher auch viele Assists aufgelegt.

SPOX: Danny Green überzeugte im fünften Finalspiel einmal mehr. Er erzielte 24 Punkte, darunter sechs Treffer von der Dreipunktlinie. Wie schätzen Sie seine Leistungen in den Finals ein?

Parker: Danny spielt eine großartige Finalserie. Er trifft fast jeden Distanzwurf, was ich äußerst beeindruckend finde. Ich kann es auch gar nicht verstehen, warum er von den Heat noch so häufig frei stehen gelassen wird. Die Heat-Defense kümmert sich vor allem um Tim und mich, phasenweise werden wir sogar gedoppelt. Und dafür ist Danny häufig mutterseelenallein. Wenn man ihn frei stehen lässt, versenkt er die Würfe eiskalt.

SPOX: Überraschenderweise spielt jetzt auch Ihr französischer Landsmann Boris Diaw eine durchaus wichtige Rolle. Nachdem er in den ersten Spielen fast gar nicht zum Zug gekommen war, stand er nun 27 Minuten lang auf dem Feld und verteidigte phasenweise sogar LeBron James. Wie passt das zusammen?

Parker: Boris ist ein sehr guter Verteidiger. Manchmal sieht er auf dem Spielfeld zwar ein bisschen tapsig und ungelenk aus - aber er erledigt seinen Job erfolgreich! Wenn wir mit der Nationalmannschaft antreten, muss Boris auch immer den besten Spieler des Gegners verteidigen, bei den Russen zum Beispiel Andrei Kirilenko. Deshalb kennt er sich mit solchen Sonderaufgaben sehr gut aus. Natürlich erledigt auch Kawhi Leonard einen großartigen Job gegen LeBron. Aber Boris ist für LeBron noch mal ein anderes Matchup, auf das er sich erst einstellen muss. Umso wichtiger ist es eben, Jungs wie Boris auf der Bank zu haben, um flexibel und unberechenbar zu bleiben.

SPOX: Nun führt Ihr Team in der "Best-of-Seven"-Serie mit 3-2. Doch es geht zurück nach Miami. Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein?

Parker: Das sechste Spiel wird enorm wichtig sein. Wir wissen, dass die Heat vor heimischem Publikum mit viel mehr Energie auftreten werden. Damit müssen wir irgendwie umgehen. Für uns wäre es auf jeden Fall sehr wichtig, die Serie so schnell wie möglich zu beenden und dem Gegner keine zweite Chance mehr zu geben. So haben wir das gegen die Lakers, die Warriors und die Grizzlies erfolgreich gemacht. Doch wenn der Gegner wieder Morgenluft wittert, kann es brandgefährlich werden.

Ergebnisse und Spielplan im Überblick