NBA

Der Erbe von Ewing, Zo und Mutombo

Von Philipp Dornhegge
Center Roy Hibbert dominiert gegen die Miami Heat die Zone - in der Offense und der Defense
© getty

Nicht LeBron James, sondern Roy Hibbert dominiert die Eastern Conference Finals. Die Miami Heat finden keine Lösung für den Center der Indiana Pacers. Nach fünf Jahren ist Hibbert damit in der Elite der NBA angekommen. Dabei verlief der Start in seine Karriere alles andere als reibungslos. Erst 2010 platzte der Knoten.

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Der Sommer 2010 hat Roy Hibberts Leben komplett verändert. Damals hat er gerade seine zweite NBA-Saison hinter sich, die Indiana Pacers wundern sich über den schwachen Fitnesszustand ihres Big Man.

Hibbert kam in vielen NBA-Partien gut ins Spiel, baute aber regelmäßig ab und war am Ende kaum noch zu gebrauchen. Die Pacers wollen endlich wissen, was mit ihrem Center los ist. Und sie bekommen eine Antwort.

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"Fünf Stunden habe ich in einem Glaskasten gesessen und in kurzen Abständen in eine Röhre geblasen", erinnert sich Hibbert. Die Diagnose auf die Tests lässt nicht lange auf sich warten: Asthma.

Hibberts Hobby: MMA

Seither nutzt der heute 26-Jährige zwei Mal am Tag ein Inhaliergerät - und seine Kondition hat sich rapide verbessert. "Anfangs konnte ich nur fünf oder sechs Minuten am Stück spielen", so Hibbert. "Jetzt spiele ich ganze Viertel durch."

Der erfolgreiche Kampf gegen sein Asthma ist aber nur ein Aspekt, warum Roy Hibbert anno 2013 zu den besten Centern der Liga gehört. Der andere ist seine knallharte Arbeit in den Offseasons. Um für den zermürbenden Kampf unter den Brettern während der langen NBA-Saison gerüstet zu sein, ging Hibbert 2010 und 2012 bei Mixed-Martial-Arts-Trainer Sam O'Keefe in die Schule.

"Ultimate Fighter sind für mich die fittesten und am besten austrainierten Athleten der Welt", sagt Hibbert. "Nach dem Training war ich meist völlig fertig, trotzdem war es für meine Basketball-Karriere das Beste, was ich tun konnte."

Mit 2,18 Metern besitzt Hibbert wahrlich kein Gardemaß für einen Ultimate Fighter. Dennoch - oder gerade deswegen - war der Nutzen für ihn so groß. Denn als er noch am College von Georgetown - der Schule für Center schlechthin, durch die schon Patrick Ewing, Alonzo Mourning und Dikembe Mutombo gingen - seine Low-Post-Moves trainierte, konnte er in Spielen kaum zwei Mal den Court rauf und runter rennen ohne zu japsen wie ein alter Mann.

Hibbert nimmt ab und wird agiler

MMA-Training und sein Inhaliergerät ermöglichten es Hibbert, seine NBA-Minuten von anfangs 14 auf inzwischen rund 29 pro Partie zu steigern. In den diesjährigen Playoffs steht er 35,9 Minuten auf dem Court. Und er hat am Ende immer noch die Kraft, den Unterschied auszumachen. Sein Dreipunktspiel nach Offensivrebound in Spiel vier der Conference Finals gegen die Miami Heat sorgte für die Vorentscheidung.

Hibbert hat 30 Pfund abgenommen, seinen Körperfettanteil reduziert und seine Kondition verbessert. Er wird angesichts seiner Statur und Spielweise natürlich weiterhin nicht mit einem jungen Reh verwechselt werden.

Doch er ist jetzt agil genug, um als Verteidiger im Pick'n'Roll nicht regelmäßig entblößt zu werden. Er kann in der Zone helfen und ist doch schnell genug bei seinem eigentlichen Gegenspieler zurück, um dessen Wurf zumindest zu stören.

Rückzug vom NBA Draft 2007

Stark entwickelt hat sich nicht nur die Agilität, sondern auch die Körperstabilität. Also das, was die Amerikaner als Core Strength bezeichnen, womit die Balance gemeint ist und die Fähigkeit, auch bei Körperkontakt die Kontrolle über sich und den eigenen Wurf zu wahren. Und beim Kampf um Rebounds seine Position zu verteidigen.

Zu Beginn seiner Karriere ist es nämlich genau das, was Hibbert hemmt: Er ist bereits riesengroß, lässt sich aber doch herumschubsen wie ein Zwerg und hat selbst am College Probleme mit physischem Spiel.

2007, als er sich nach drei Georgetown-Jahren zunächst für den Draft meldet, ist ein gewisser Greg Oden körperlich viel weiter. Das merkt auch Hibbert selbst, der seine Meldung zurückzieht und den College-Abschluss macht.

Eltern legen Wert auf Ausbildung

Für seinen weiteren Werdegang die einzig richtige Entscheidung. Sportlich entwickelt er sich weiter, sich selbst und seinen Eltern beweist er mit seinem Abschluss in Politikwissenschaften, dass er etwas zu Ende bringen kann.

Hibberts Eltern legten bei der Erziehung ihres Sohnes großen Wert auf eine ordentliche Ausbildung und waren zudem stets daran interessiert, ihn für Sport oder Musik zu begeistern. Experimente beim Fußball, Tennis, Golf und am Klavier scheiterten jedoch an Hibberts Lustlosigkeit.

Erst beim Basketball fand er seine Bestimmung, am College bereitete er sich perfekt auf die NBA-Karriere vor. "Ich war 2007 weder körperlich noch geistig bereit für die NBA", blickt Hibbert zurück. "Als ich nicht am Draft teilnahm, haben mich die Leute ausgelacht und mir gesagt, dass mir zig Millionen Dollar durch die Lappen gehen und ich 2008 tiefer gezogen würde."

Hibberts NBA-Start: Frust pur

Tatsächlich wurde Hibbert 2008 an Position 17 von den Pacers gedraftet, nachdem er ein Jahr zuvor noch als Top-Ten-Pick gehandelt worden war. Und Hibbert hatte trotz des zusätzlichen College-Jahres zunächst Probleme, seinen Platz bei den Pacers zu finden. Er war schwerfällig, langsam, anfällig für Fouls und ein Einzelgänger.

"Ich habe mich oft zurückgezogen, allen Frust in mich hereingefressen und mich gefragt, ob ich der Herausforderung gewachsen bin", so Hibbert. Der Youngster entschließt sich, einen Psychologen aufzusuchen. "Da, wo ich herkomme (Queens, d. Red.), redet man nicht über seine Schwächen", sagt Hibbert. "Aber ich war immer schon offen für alles, ich rede gern darüber."

Dr. Chris Carr bringt Hibbert mental wieder auf Kurs, Workouts mit NBA-Legende Bill Walton bedeuten den nächsten Schritt in der basketballerischen Entwicklung. Beides ebnet den Weg zu einer starken Entwicklung und der ersten All-Star-Nominierung 2012.

Hibbert stellt selbst LeBron vor Probleme

Frank Vogel, zuvor als Assistant und seit 2011 als Head Coach bei den Pacers im Amt, kennt Hibbert besser als jeder andere: "Niemand arbeitet härter als er. Mit seiner Einstellung ist er ein positives Beispiel für seine Mitspieler."

Dem Rest der Liga dient er inzwischen als Beispiel, wie wichtig ein klassischer Center auch in der Small-Ball-Ära noch sein kann. Und er dient als Abschreckung für die Miami Heat bei jedem Versuch, vom Perimeter aus die Zone zu stürmen.

Selbst ein LeBron James zieht oftmals zurück, wenn er Hibbert unter dem Korb sieht. In den bisherigen vier Spielen der Conference Finals zog der MVP 18 Mal gegen Hibbert zum Korb, spielte den Ball dabei aber elf Mal wieder ab und traf nur einen von drei Würfen.

Hibbert dominiert Bosh nach Belieben

Saß Hibbert auf der Bank, nahm James bei zehn Drives sechs Mal auch den Wurf und traf fünf Mal. Niemand in Miami gibt es zu, Dwyane Wade sagte nach Spiel vier gar: "Keine Frage, sie verteidigen gut. Aber wir hatten sehr gute Würfe, die wir einfach nicht genutzt haben."

Die Zahlen sagen etwas anderes: Hibbert macht dem Meister sichtlich zu schaffen. Seine Länge ist beeindruckend, seine neu gewonnen Fähigkeit, Fouls am Ring zu vermeiden, nervtötend für jeden Angreifer. Und seine Reboundarbeit ist so gut wie nie.

Zusammen mit David West holt der Center gegen Miami 20,5 Rebounds pro Spiel, Gegenspieler Chris Bosh kommt auf 3,3 - ein Wert, für den sich jeder Flügelspieler schämen müsste. Boshs Knöchelverletzung aus Spiel eins, die in Spiel vier erneut aufbrach, macht ihm vermutlich zu schaffen.

Wenig Respekt für Hibbert und Pacers

Und doch muss man konstatieren, dass das Duell zwischen dem vermeintlichen Superstar und dem Nobody aus Indiana eine klare Angelegenheit ist - zugunsten von Hibbert. "Als Mannschaft können wir es nicht zulassen, dass wir an den Brettern so fertig gemacht werden", sagt James und zollt Hibbert und Co. damit immerhin ein wenig Respekt.

Und doch scheinen die Heat noch immer nicht begriffen zu haben, dass es unter Umständen nicht reichen wird, die eigenen Stärken auszuspielen. Nicht so lange Hibbert die Zone patroulliert und wie ein MVP spielt.

In dieser Serie muss der große Favorit seinen Gameplan nicht nur an den eigenen Stärken, sondern auch denen der Pacers ausrichten, insbesondere denen des Centers. Roy Hibbert ist nach fünf Jahren in der NBA-Elite angekommen - und der Aufstieg dahin startete im Sommer 2010.

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