NBA

Wade: Comeback oder Strohfeuer?

Von Philipp Dornhegge
Dwyane Wade spielte in der Schlussphase von Spiel fünf gegen Chicago wieder wie der alte Wade
© getty

Beim entscheidenden vierten Sieg über die Chicago Bulls spielte Dwyane Wade lange schwach, kehrte aber nach einer Behandlung zurück und wurde letztlich zum Matchwinner. Das chronische lädierte rechte Knie gab für ein paar Minuten Ruhe und gab dem 31-Jährigen die Chance, sein ganzes Können aufzubieten. Die Frage ist nur: Wieviel kann Wade den Miami Heat noch helfen?

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LeBron James ist der viermalige MVP, er ist der beste Spieler auf dem Planeten, dominiert die NBA und seine Gegner phasenweise nach Belieben. Bei den Miami Heat ist er inzwischen der unumstrittene Chef auf dem Court.

Gerät der Meister mal unter Druck, kommt der King und rettet seine Mannschaft. So ist der normale Ablauf in einer Saison der Heat, die man bislang zu den dominantesten der NBA-Geschichte zählen muss und die, so die Prognose praktisch aller Experten, im Juni ihren Höhepunkt mit der zweiten Meisterschaft in Folge finden wird.

Ab und zu gibt es auf dem Weg zum nächsten Sieg aber Phasen, in denen James nicht der alles überschattende Dominator ist, in denen er abtaucht und andere übernehmen müssen.

Legler: "Er gibt alles, was er hat"

Üblicherweise war das in der Vergangenheit Dwyane Wade. Doch die Spiele, in denen der Finals MVP von 2006 groß auftrumpfte, kommen immer seltener vor, die chronisch schmerzenden Knie behindern Wade zunehmend.

In Spiel fünf hätte der 31-Jährige gar nicht auflaufen sollen, doch mit der Chance, die Bulls endgültig zu eliminieren, wollte er sein Team nicht im Stich lassen.

"Ich kenne Dwyane Wade ziemlich gut", sagte Ex-Profi und TV-Experte Tim Legler später. "Er ist keiner, der irgendwelche Zweifler Lügen strafen will, an solche Dinge denkt er nicht. Wenn er spielen kann, spielt er. Und dann gibt er alles, was er hat."

Wade scheinbar zur Randnotiz degradiert

In der Anfangsphase gegen den defensivschwachen Marco Belinelli gelangen ihm noch ein paar gute Aktionen, doch mit der Hereinnahme von Rip Hamilton standen die Bulls sicherer und degradierten Wade zur Randnotiz. Viel schien er nicht mehr geben zu können.

Wade fühlte sich sichtlich unwohl, gegen Ende des dritten Viertels waren die Schmerzen am rechten Knie so groß, dass er in die Kabine ging, um sich behandeln und sein Tape neu anlegen zu lassen.

Schon vorher waren Zweifel laut geworden, wie sehr Wade seiner Mannschaft in diesem Jahr noch wird helfen können. Und damit kamen auch erste Zweifel, ob Miami ohne Wade wirklich noch der alles überrollende Favorit auf den Titel sei.

"Einige Tage sind besser als andere", hat Wade das Vertrauen in sein Knie scheinbar selbst verloren. "Der Ablauf ist jetzt seit Beginn der gleiche. Manchmal fühlt es sich gut an, manchmal eben nicht. So ist die Lage."

Wade mit grandiosem Comeback

Was auch immer mit Wade in den Katakomben gemacht wurde: Diesmal wirkte es. Der alternde Star flog nach seiner Rückkehr im vierten Viertel über den Court, als wäre er wieder 26. Er erzielte drei wichtige Field Goals in der Crunchtime, von denen eins schöner und spektakulärer war als das andere, er stellte in der Defense Rip Hamilton mit hoher Intensität kalt und sammelte sogar einen Block.

45 Sekunden vor Schluss forderte er Boozer unter Chicagos Korb beim Rebound-Kampf heraus, sicherte seinem Team einen weiteren Ballbesitz und stellte damit die Weichen endgültig auf Sieg. Wade konnte in der Zone seinen berühmten Euro-Step zeigen, den in dieser Qualität nur noch Manu Ginobili drauf hat - ein Move, der die Knie enorm belastet.

Er konnte zu einem Putback durch die Zone fliegen und in der Defense seitliche Bewegungen machen, die ihm zuvor in diesem Tempo fast unmöglich waren.

James motiviert seinen Kumpel

"Als ich wieder kam, haben die Bulls nicht mehr mit mir gerechnet. LeBron hatte vorher Punkte gesammelt, Shane Battier und Norris Cole wichtige Würfe versenkt", analysierte Wade. "Ich wusste also, dass sich Lücken auftun würden. Und die wollte ich nutzen."

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Um sich mental auf dieses kritische Spiel vorzubereiten, spielte James offenbar eine wichtige Rolle für Wade, berichtet "ESPN". Demnach sagte der amtierende Regular Season und Finals MVP im Locker Room zu seinem Kumpel: "Ich brauche heute mehr von Dir."

Und Wade nahm die Herausforderung an, wie auch Chris Bosh beobachtete: "Am Ende hat er einen richtig guten Eindruck gemacht", so der Lefty. "Er hat sich lange bedeckt gehalten und auf seine Chance gewartet. Als die kam, hat er gnadenlos zugepackt."

Erinnerungen an 2012

Die Bulls hätten damit rechnen können, dass Wade noch mal wiederkommen könnte. Gegen die Indiana Pacers war die Situation im Vorjahr in der zweiten Runde ganz ähnlich. Wade hatte Knieprobleme, den Heat fehlte das Feuer und Indiana hatte das Momentum auf seiner Seite.

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Damals stand sogar die ganze Serie auf dem Spiel, die Pacers führten 2-1 und hatten auch Spiel vier zunächst im Griff. Doch nach der Halbzeit erzielte Wade 22 seiner 30 Punkte und bildete mit LeBron James (40 Punkte) ein Tandem, dem der Underdog nicht widerstehen konnte.

Die Zweitrundenserie kippte mit dieser zweiten Hälfte, in den Spielen fünf und sechs kam Wade auf 28 und 41 Zähler. Unter Umständen steht uns in den Conference Finals ein Rematch mit den Pacers bevor.

Wade: "Man muss es akzeptieren"

Ob Wades Auftritt auch diesmal die Initialzündung für einen Lauf war oder bloß ein Strohfeuer, muss man abwarten. Die Knie des einstigen MVP-Kandidats scheinen 2013 in schlimmerem Zustand zu sein als 2012.

"Ich wäre liebend gern einer von den Spielern, die nie eine Verletzung haben und auch nach zehn Jahren noch so spielen können wie am ersten Tag", sagt Wade. "Aber so ist es einfach nicht, und das muss man akzeptieren. Es ist nicht einfach, aber ich muss mich von solchen Gedanken freimachen."

Stattdessen kann er sich mit einem anderen Gedanken trösten: Ohne Wades Comeback in Spiel fünf gegen die Bulls wären die Heat jetzt schon wieder auf dem Weg nach Chicago, um sich auf Spiel sechs vorzubereiten. "Das wollten wir auf keinen Fall", gestand Bosh. "Deshalb bin ich jetzt einfach nur erleichtert."

Und Dwyane Wade zu Dank verpflichtet.

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