NBA

"Nein, es ist nicht wie bei den Jazz"

Von Philipp Dornhegge
In seiner zweiten vollen Saison für die Nets lässt Deron Williams eine Entwicklung vermissen
© Getty

Noch vor zwei Jahren war Deron Williams der beste Point Guard der NBA. Inzwischen ist er einer von vielen. Der Star der Brooklyn Nets nennt mögliche Gründe, scheint aber eher nach Ausreden für seine fehlende Entwicklung zu suchen.

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Deron Williams hat es schon wieder getan. Er hat schon wieder andere Menschen bzw. äußere Umstände dafür verantwortlich gemacht, dass es bei ihm nicht läuft.

Mit 16,9 Punkten, 8,1 Assists, 3,0 Rebounds und einer miserablen Quote von 38,9 Prozent aus dem Feld legt Williams in dieser Spielzeit die schlechtesten Zahlen seit seiner zweiten NBA-Saison auf.

Aber da kann er laut eigener Aussage wenig dafür. Vor dem Duell mit seinem alten Klub, den Utah Jazz, am Dienstag hatte der Point Guard der Brooklyn Nets erklärt: "Ich bin ein Systemspieler, ich bin viel Bewegung gewohnt. Jerry Sloans Flex Offense war perfekt für mich."

Auf die Frage eines Journalisten, ob die Offense in Brooklyn nicht genauso gut für ihn sei, sagte Williams ganz klar: "Nein. Hier gibt es einfach zu viel Eins-gegen-Eins und Isolation."

Williams schied im Unfrieden aus Utah

Der 28-Jährige versuchte gar nicht erst, den Eindruck zu widerlegen, dass er das System von Nets-Coach Avery Johnson öffentlich kritisiert. Immerhin hätte er damit eine Ausrede für seine mäßigen Leistungen gefunden.

Dass Williams ausgerechnet Utah und Sloan für besser hält, ist eigentlich der blanke Hohn. Schließlich war Williams damals im Unfrieden aus dem Mormonenstaat geschieden und per Trade an die Ostküste gekommen.

Zuvor war Sloan, der 23 Jahre lang die Utah Jazz trainiert hatte, zurückgetreten. Bis heute halten sich hartnäckig die Geschichten, dass der heute 70-Jährige wegen Williams' Marotten das Handtuch geworfen habe.

Je nach Lesart der über Monate schwelenden Seifenoper hatte Williams damals entweder ein Problem mit Sloan persönlich oder mit dessen Flex Offense, einem der komplexesten Systeme im Basketball.

Williams: "Nicht die Qualität"

Und jetzt soll das alles so viel besser gewesen sein als Brooklyn? "Ich war in meinem ersten Jahr hier verletzt", klagt Williams weiter. "Eigentlich habe ich Probleme, seit ich hier bin. Und ich hatte bisher nicht die Qualität an Mitspielern um mich herum wie damals in Utah."

Das traf bis zu dieser Spielzeit natürlich zu. Aber was erwartet denn ein Spieler, der einzig dem Ruf des Geldes gefolgt ist? Die Teams, die die meisten Dollars bieten können, sind für gewöhnlich die, die am wenigsten Salary-Cap-Belastung haben und damit auch die geringste Qualität im Kader.

Williams hätte im Sommer nach Dallas wechseln können. Dort hätte ihn Dirk Nowitzki mit offenen Armen empfangen - und er hätte mit Rick Carlisle einen der taktisch versiertesten Trainer der Liga angetroffen. Stattdessen entschied er sich aus zweifelhaften Gründen - angeblich war Williams sauer aufgestoßen, dass Mavs-Besitzer Mark Cuban nicht bei einem Meeting anwesend war - doch für die Nets.

Williams haut sein Team in die Pfanne

Scheinbar hatte er damit alles richtig gemacht: Das Team zog im Sommer von New Jersey nach Brooklyn um, spielt dort im brandneuen Barclays Center. Ein milliardenschwerer Russe schmeißt mit den Dollars um sich und gab ihm einen 100-Millionen-Dollar-Vertrag.

Zudem war der Kern des Teams komplett geblieben, der Kader wurde vor allem in der Breite verstärkt. Joe Johnson ist der einzige neue Starter im Team.

Und hier fängt ein Teil des Problems von Williams' Aussagen an: Was halten wohl Brook Lopez, Gerald Wallace und Kris Humphries davon, dass sie als minderwertige Ware bezeichnet werden?

Schließlich sind sie es, insbesondere die Arbeiter Wallace und Humphries, die Abend für Abend ihre Knochen für die Nets (und Williams) hinhalten.

Ursachenforschung: Hauptgrund mangelnde Fitness?

Warum fängt Williams mit der Ursachenforschung für seinen Abstieg vom ehemals besten Point Guard der Liga - dazu wurde er 2010 gewählt - zu einem von vielen Spielmachern, die der Elite (z.B. Chris Paul, Rajon Rondo, Derrick Rose, Tony Parker) nicht das Wasser reichen können, nicht an der nahe liegendsten Stelle an: bei sich selbst?

Da wäre zum Beispiel seine körperliche Verfassung: Seit geraumer Zeit wirkt Williams, als habe er einige Kilos zu viel auf den Rippen.

Das merkt man ihm offensiv auf den ersten Blick kaum an. Der liebe Gott hat den 1,91-Meter-Mann mit athletischen Geschenken gesegnet, aufgrund derer er zugleich flink auf den Beinen und enorm kräftig ist.

So spielend leicht, wie Williams früher zum Korb gezogen ist, gelingt es ihm mittlerweile aber nicht mehr. Die Statistik belegt, dass er 2009 noch 43 seiner Würfe direkt am Korb genommen hatte. Seit er bei den Nets spielt, ist diese Zahl auf 30 Prozent gesunken.

Williams: "Misere hat mentale Gründe"

Das erklärt einerseits zum Teil die miese Wurfquote, zum anderen können die Gründe vielfältig sein: Vielleicht ist er verunsichert, weil er sich im Offensivsystem nicht zu Hause fühlt. "Diese Misere hat inzwischen mentale Gründe, da bin ich sicher", sagt Williams selbst. "Ich habe schon alles versucht, aber ich weiß nicht, wie ich da raus kommen soll."

Vielleicht hängt es mit den Verletzungen am Knöchel zusammen, die Williams immer wieder ausbremsen. "Darauf will ich es nicht schieben." Aber vielleicht hängen die Verletzungen wiederum mit seiner mangelhaften Fitness zusammen?

Mehr Gewicht bedeutet mehr Belastung, weniger Körperpflege (in Form von gesunder Ernährung etc.) mehr Anfälligkeit. In der Defense erkennt man, dass Williams in diesem Jahr immer wieder Probleme hat.

Die Statistiken zeigen, dass die Nets ohne ihren Star viel effizienter verteidigen, zudem sowohl offensiv als auch defensiv besser rebounden.

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Williams: Schwächer als Beno Udrih?

Vom Talent her ist Williams ohne Frage weiter ein Elite-Point-Guard. Nicht umsonst stand er im Sommer mit dem US-Team in London auf dem Parkett und gewann nach 2008 bereits seine zweite Olympische Goldmedaille.

In Istanbul - Williams spielte während des Lockouts 2011 für rund anderthalb Monate bei Besiktas - wird er verehrt, seine Nummer 8 wird vom Klub nie mehr vergeben.

Im sportlichen Hier und Jetzt sieht es aber anders aus: In John Hollingers "Player Efficiency Rating" (PER) liegt Williams unter den Point Guards in dieser Spielzeit auf Platz 20 - hinter Beno Udrih und Jimmer Fredette.

Lopez immer mehr ein Fixpunkt

Und trotzdem dreht sich in Brooklyn natürlich alles um das Wohlergehen von Williams. Dabei hat das Team andere Helden: Humphries und Wallace sind die erwähnten Arbeiter im Team.

Brook Lopez wird zunehmend zum Fixpunkt der Offense, der die Nets gerade zu Beginn vieler Partien ins Rollen bringt. Zudem hat er seine Reboundarbeit stark verbessert.

Joe Johnson ist bei allen Eingewöhnungsschwierigkeiten immer mehr der Mann, der in der Crunchtime die wichtigen Würfe nimmt. Auch, weil Williams dazu derzeit der Mumm fehlt.

Williams gegen Jazz schwach

Und Coach Johnson hat laut "New York Times" sein Playbook erweitert, um Williams entgegen zu kommen. Es gibt jetzt mehr Spielzüge, die auf die Stärken des Spielmachers zugeschnitten sind.

"Etwa 30 Prozent unserer Systeme kennt Deron aus Utah", sagt Johnson. "Er hat die absolute Freiheit, die Spielzüge anzusagen, mit denen er sich am wohlsten fühlt."

Williams "dankt" es seinem Team mit zunehmend schwachen Leistungen. Gegen Utah war der 28-Jährige mit 14 Punkten und 5 Assists ein Schatten seiner selbst, in der Crunchtime tauchte er völlig ab.

Die Nets haben sich, nach vielen Jahren des Misserfolgs, völlig dem Erfolg verschrieben. Jetzt wäre es schön, wenn der vermeintliche Franchise Player mitziehen würde.

Der NBA-Spielplan im Überblick