NBA

Die Highlight-Maschine und der seltsame Fluch

Von Martin Gödderz / Maurice Kneisel
John Wall (l.) wurde nur einen Platz vor Evan Turner gezogen, spielt aber viel besser
© Getty
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Die Negativerscheinungen

Evan Turner (2. Pick, Philadelphia 76ers)

6,3 PPG, 4,3 RPG, 1,8 APG, 39,2 Prozent FG, 15,4 Prozent 3PT

Hat der Fluch des Nummer-zwei-Picks sein nächstes Opfer gefunden? Hasheem Thabeet, Marvin Williams, Stromile Swift und Darko Milicic können allesamt ein Lied davon singen. Jeder von ihnen wurde irgendwann in diesem Jahrtausend an zweiter Stelle gedraftet und konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Auch beim diesjährigen Kandidaten läuft bislang wenig zusammen.

"Es geht darum, meinen Platz im Team zu finden", erklärt Turner. "Ich versuche einfach nur, weiter hart an mir zu arbeiten, bis ich gebraucht werde." Das passierte zuletzt sehr unregelmäßig. Stand Turner im November durchschnittlich 28 Minuten pro Partie auf dem Parkett, so waren es im Dezember bislang nur noch halb so viele.

Der Tiefpunkt kam im Heimspiel gegen Boston am 9. Dezember: Gerade mal sechs Minuten durfte der Guard ran. Sein größtes Defizit ist das Spiel ohne Ball. Deswegen hat Coach Doug Collins inzwischen den ehemaligen Pacers-Star Reggie Miller an Bord geholt, damit er dem Rookie wertvolle Tipps gibt.

Als Turners Hauptproblem gilt Teamkollege Andre Iguodala. Die beiden ergänzen sich einfach zu wenig, weshalb der Rookie in der Regel von der Bank kommt, wenn Iggy fit ist. Insbesondere die Probleme beim Outside Shooting, seit Jahren eine der größten Schwächen der Sixers, werden überdeutlich, wenn die beiden gemeinsam auf den Court stehen. Gerade mal 24 ihrer 72 Versuche von außen konnten die Flügelspieler in dieser Saison versenken. Turner trifft dabei sogar nur 15,4 Prozent - schlecht. In Philly erwägt man, Iguodala zu traden, um Platz für Turner zu schaffen. Und setzt damit hoffentlich nicht auf den falschen Spieler.

Gordon Hayward (9. Pick, Utah Jazz)

2,0 PPG, 1,3 RPG, 0,2 APG, 39,1 Prozent FG, 33,3 Prozent 3PT

Draft Night 2010: NBA-Commissioner David Stern hat soeben verkündet, dass die Utah Jazz an neunter Stelle Gordon Hayward von der Butler University wählen, da ertönt auf der Draft Party in der Energy Solutions Arena in Salt Lake City ein ohrenbetäubender Lärm. Die komplette Halle buht den 20-Jährigen aus.

Manager Kevin O'Connor zeigt Verständnis: "Man kann nachvollziehen, was die Fans denken. Wir wünschen uns alle, wir hätten den dritten oder vierten Pick bekommen. Haben wir aber nicht. Wir denken, wir haben einen Spieler bekommen, der eine tolle NBA-Karriere haben wird. Ich hoffe nur, dass sie in zwei Jahren nicht mehr buhen."

Es ist noch früh, gerade mal zwei Monate sind in dieser Saison vergangen. Trotzdem muss man festhalten, dass Hayward bei Coach Jerry Sloan nur wenig Beachtung findet. Gerade mal neun Minuten spielt der Forward im Schnitt, außerdem sind seine Wurfquoten für einen Spieler, der laut Scouting-Report ein "außergewöhnlich guter Shooter" sein soll, nicht berauschend.

Selbst in den Tagen, als er für den verletzten Raja Bell starten durfte, bekam er nur wenige Minuten und machte nichts aus ihnen. Bleibt Hayward eigentlich nur, sich an einem ehemaligen Utah-Spieler zu orientieren, der ebenfalls am Tag seines Drafts von den Jazz-Fans ausgebuht wurde: Hall of Famer John Stockton.

Paul George (10. Pick, Indiana Pacers)

4,9 PPG, 2,5 RPG, 1,6 APG, 34,1 Prozent FG, 28,0 Prozent 3PT

"Ich mag diesen Jungen. Er wird von Anfang an Leistung bringen." So lautete der Kommentar von Pacers-Coach Jim O'Brien zu seinem Rookie Paul George kurz nach dem Draft. Gerade mal einen Monat hatte er den 20-Jährigen beobachtet und war schon von ihm überzeugt.

Die Fans leider nicht: Nachdem Indiana George an zehnter Stelle gewählt hatte, lehrte sich der Saal der offiziellen Draft Party innerhalb weniger Minuten, obwohl noch zwei weitere Picks anstanden. Man machte sich, im Gegensatz zu den Utah-Anhängern bei Hayward, nicht mal die Mühe, den Neuzugang auszubuhen.

Bislang liegen die Fans richtig: der Swingman, vor der Saison als Starter auf der Zwei gehypt, spielt gerade mal 16,5 Minuten im Schnitt, seine Stats sind ebenso enttäuschend. "Er hat enormes Potential", betont O'Brien. Bleibt zu hoffen, dass er richtig liegt.

Georges Rookie-Kollege Lance Stephenson macht sich auch nicht besser: Der 40. Pick hatte in der Summer League für Aufsehen gesorgt, stand in der Saison bislang aber noch keine Sekunde auf dem Court. Er soll erst mal das Spielkonzept lernen. Die einzige Schlagzeile, die Stephenson seit seinem Wechsel in die NBA gemacht hat, befasste sich damit, dass er seine Freundin bei einem Streit die Treppe runter geschubst hatte. Traurig genug.

Luke Babbitt (16. Pick, Portland Trailblazers)

1,5 PPG, 0,7 RPG, 0,2 APG, 28,6 Prozent FG, 12,5 Prozent 3PT

Während seiner zweiten Saison 2009/10 für das College von Nevada streute Luke Babbitt Würfe ein, wie es ihm gefiel: Der Forward versenkte 50 Prozent seiner Feld- und starke 42 Prozent der Dreierversuche, sammelte dabei durchschnittlich 21,9 Punkte. Qualitäten, die er bislang in Portland nicht nachweisen konnte.

"Wir wollen, dass er Würfe nimmt. Ich habe ihm gesagt: 'Wenn du nicht schießt, wirst du definitiv neben mir sitzen'", sagte Coach Nate McMillan zu Saisonbeginn über seinen Rookie. Daraus muss man schließen, dass Babbitt zu selten wirft, denn er spielt gerade mal 5,9 Minuten im Schnitt.

Angesichts seiner katastrophalen Quoten von 28,6 Prozent aus dem Feld und 12,5 Prozent von außen ist allerdings auch fraglich, ob ein wurffreudigerer Babbitt tatsächlich förderlich für sein Team wäre. Aus der Blazers-Rotation flog er zwischenzeitlich komplett raus, um im D-League-Team Idaho Stampede Spielpraxis zu sammeln.

Avery Bradley (19. Pick, Boston Celtics)

1,1 PPG, 0,4 RPG, 0,6 APG, 23,1 Prozent FG, 0,9 TO

Als Rookie hat man es bei einem Team vom Kaliber der Boston Celtics schon nicht leicht. Das muss auch Avery Bradley derzeit feststellen. Der 20-jährige Guard kam beim 17-maligen NBA-Champion bislang erst in sieben Spielen zum Zug und stand dabei im Schnitt 5,4 Minuten auf dem Court. Kaum der Rede wert.

Die NBA-Karriere des 19. Picks begann denkbar ungünstig: Am 2. Juli unterzog sich Bradley einer Knöcheloperation und verpasste die Summer League. Über vier Monate lang laborierte er an den Folgen des Eingriffs und hat dadurch Trainingsrückstand.

Ärgerlich, denn nach dem Ausfall von Delonte West hätte er aktuell die Chance, sich für mehr Spielminuten zu empfehlen. Aber Coach Doc Rivers will den Youngster schützen: "Er hat erst drei volle Trainingseinheiten absolviert, inklusive des Trainingscamps. Wir werden Avery von Zeit zu Zeit einsetzen, aber wir müssen ihn schützen. Wir möchten ihn nicht ruinieren." Irgendwann muss die Schonzeit für Bradley allerdings auch enden.

Nicht besser läuft's für Luke Harangody, der die Qualitäten eines Big Men, aber die Größe eines Small Forwards mitbringt. Der Mann von der University of Notre Dame hat noch kein Mal die Zehn-Minuten-Marke geknackt und macht mickrige 1,5 Punkte im Schnitt. Wie gesagt: Es ist nicht leicht, bei den Celtics ein Rookie zu sein.

Hier geht's zu Teil I: Highlight-Maschine und Draft-Steal - Die fünf Positiverscheinungen