NBA

"Ich danke Gott für meinen Körper"

Von Philipp Dornhegge
Kevin Durant (l.) führt die Thunder in der Offensive an, in der Defense ist Thabo Sefolosha gefragt
© Getty

Oklahoma City steht vor der ersten Playoff-Teilnahme nach dem Umzug aus Seattle. Sucht man nach den Gründen für den Aufschwung der Thunder, liefert Thabo Sefolosha klare Antworten.

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Wir schreiben den 22. März 2010, und die Thunder liegen gegen die San Antonio Spurs mit 90:96 zurück. 3:50 Minuten sind noch zu spielen im Ford Center zu Oklahoma City, das Spiel gegen den vor Erfahrung nur so strotzenden viermaligen Champion scheint verloren.

Aber die Gastgeber stecken nicht auf. Sie besinnen sich auf ihre Stärken, punkten vorne und machen hinten dicht, geben dem Gast kaum Luft zum Atmen.

Vier Sekunden vor Schluss hat Thabo Sefolosha plötzlich die Chance, den Sieg perfekt zu machen. Doch sein Dreier schaut nur in den Korb - und entschließt sich dann doch, nicht zu fallen.

Sefolosha: Die altbekannten Probleme mit dem Wurf

Ein Problem, das den Schweizer in diesem Jahr häufig begleitet: "Ach, ich weiß auch nicht, warum die Würfe nicht reingehen", so ein geknickter Sefolosha im Gespräch mit SPOX. "Aber ich bleibe am Ball. Manchmal fühle ich mich richtig gut, und die Würfe fallen, an anderen Tagen geht gar nichts. Im Sommer werde ich wieder schuften müssen, um endlich konstanter zu werden."

Die Unkonstanz beim Distanzwurf ist aber auch schon das einzige, was dem aufstrebenden Team derzeit gelegentlich einen Strich durch die Rechnung macht. Es läuft in Oklahoma City, und das nicht einmal ein Jahr, nachdem man die Vorsaison mit gerade einmal 23 Siegen bei 59 Niederlagen abschloss.

Die Thunder waren auch damals schon talentiert, interessierten aber niemanden. Warum auch sollte man sich für ein Team begeistern, das Drittletzter in der Western Conference wurde? Nun, die Antwort erhält jeder Zweifler mit mehrmonatiger Verspätung.

"Wir sind ein junges Team, das viel lernen musste und noch immer einen weiten Weg vor sich hat", erklärt Sefolosha die gewaltige Entwicklung der letzten Zeit. "Die Erfahrung und die immer besser werdende Teamchemie haben uns geholfen, dass wir einen Schritt nach vorn gemacht haben. Und wir wollen uns weiter entwickeln."

Durant: Zum Superstar gereift

Inzwischen liegt man auf Platz sechs im Westen, hat die Playoffteilnahme so gut wie in der Tasche - und auch dort ist dem Team alles zuzutrauen. Woher aber kommt der gewaltige Leistungssprung? Vor der Saison war schließlich noch davon die Rede, dass man erst in zwei, drei Jahren um die Playoffs mitspielen wolle.

Nun, die Gründe sind vielschichtig: Zum einen - und das ist der offensichtlichste Grund - hat sich Kevin Durant von einem Toptalent zu einem Superstar gemausert.

Einem, der schon jetzt auf Platz eins der Topscorerliste liegt. Der in jeder Defense mit seinem unwiderstehlichen Jumper und seiner Vielseitigkeit für Chaos sorgt. Die erste All-Star-Nominierung im Februar war daher reine Formsache.

"Dass Kevin dabei war, ist für uns alle eine Ehre", sagt Sefolosha. "Klar geht es dabei vor allem um eine individuelle Auszeichnung. Aber er repräsentiert schließlich unser Team, insofern zeigt seine Nominierung, dass Oklahoma City wahrgenommen wird."

"Es liegt nicht an einzelnen Spielern"

Russell Westbrook ist ein weiterer Mann, der im Schatten Durants gereift ist. In seinem zweiten Jahr ist der Spielmacher Abend für Abend ein Kandidat für ein Triple-Double und Durants wichtigster Sidekick.

Zudem wären da noch die Rookies James Harden und Eric Maynor. Maynor war erst während der Saison von den Utah Jazz per Trade gekommen, mimte aber sofort den idealen Backup-Point-Guard. Harden liefert nach einer Eingewöhnungsphase immer verlässlicher zusätzlichen Scoring Punch von der Bank.

"Es liegt aber nicht an einzelnen Spielern, dass es besser läuft", stellt Sefolosha klar. "Sondern schlicht und ergreifend daran, dass der Kader sehr gut zusammenpasst."

Presti: Mastermind hinter den Kulissen

Für die Zusammenstellung der Mannschaft war Sam Presti verantwortlich und gilt daher als Mastermind hinter den Kulissen. Der Manager gehört mit seinen 33 Jahren zwar zu den jüngsten seines Fachs, hat aber schon bewiesen, dass er ein Team langfristig aufbauen kann, als er vor dem Umzug aus Seattle für den alternden Ray Allen Jeff Green holte, der nahezu perfekt die dritte Geige hinter Durant und Westbrook spielt.

Unter Prestis Regentschaft wurden die Thunder in den letzten drei Jahren komplett umgekrempelt. Big Man Nick Collison ist der einzige Spieler im Kader, der schon vor Presti da war.

Um die bestmögliche Mischung zu finden, wertet Presti Unmengen an Daten und Statistiken aus und ist neben Houston Rockets-GM Daryl Morey einer der Pioniere des zahlenbasierten Scoutings.

Stimmen die Zahlen eines Spielers, dann wird sein Charakter beleuchtet. Passt auch der, hat er eine Chance, in Oklahoma City zu landen.

Der perfekte Körper, um vier Positionen zu verteidigen

So kam Sefolosha 2009 von den Chicago Bulls zu den Thunder, und der Schweizer hat sich dank seiner Defensivstärke in kurzer Zeit zu einem Schlüsselspieler gemausert.

Ob Chauncey Billups, Kobe Bryant, Paul Pierce oder Dirk Nowitzki: Sefolosha kann vom Point Guard bis zum Power Forward jede Position effektiv verteidigen. Für Experten ist er ein ernsthafter Anwärter auf den Award des Defensive Player of the Year.

"Ich danke Gott, dass er mir einen Körper gegeben hat, der es mir erlaubt, vier verschiedene Positionen zu verteidigen", sagt Sefolosha zwar in aller Bescheidenheit.

Aber natürlich steckt mehr dahinter: "Vor jedem Spiel arbeite ich mich sehr lange durch Videos, um die Stärken und Schwächen meiner Gegner kennenzulernen."

Die einstige Schießbude macht hinten dicht

Mit dieser Einstellung lebt er dem Rest des Teams vor, worauf es defensiv ankommt, um Spiele zu gewinnen. Und seine Kollegen haben in diesem Jahr entsprechend reagiert.

Aus einer der Schießbuden der Liga ist inzwischen ein echtes Bollwerk geworden: In punkto gegnerische Punkte, gegnerische Feldwurfquote, gegnerische Dreierquote und erzwungene Turnovers rangiert Oklahoma City ligaweit jeweils in den Top Ten.

Die jungen Spieler haben längst verinnerlicht, womit sich mancher Superstar auch nach Jahren noch schwertut: "Im Basketball kommt es sicher auch auf individuelles Talent an. Aber letztlich wird sich das Team durchsetzen, bei dem die einzelnen Rädchen des Systems am besten ineinandergreifen", sagt Sefolosha stellvertretend für seine Mannschaft. "Gutes Passspiel, Defense, Zusammenhalt: Das sind die Dinge, die den Erfolg eines Teams ausmachen."

Sefolosha: "Weiß nicht, was möglich ist"

Reicht das für Oklahoma City aus, um schon in diesem Jahr auch in der Postseason so manchem Zweifler die Augen zu öffnen?

Sefolosha weiß es selbst nicht: "Ich habe keine Ahnung, wie weit wir kommen können. Aber ehrlich gesagt: Ich weiß oft ja nicht einmal, was uns im nächsten Spiel erwartet! Der Westen ist so eng, da kann alles passieren. Aber eins ist klar: Wir werden alles tun, um so gut wie möglich abzuschneiden."

Wer die Jungs aus Oklahoma City kennt, der weiß, dass das mehr als leere Worte sind.

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