NBA

Hummus, Hoffnung und Heimweh

Von Bärbel Mees
Omri Casspi (r.) spielt als Small Forward für die Sacramento Kings
© Getty

Auf Omri Casspi lastet eine schwere Bürde: Die Hoffnung einer ganzen Nation ruht auf seinen Schultern, denn er ist der erste Israeli, der es in die NBA geschafft hat. 2009 wurde er in der ersten Runde gedraftet und spielt seitdem für die Sacramento Kings. Doch den 21-Jährigen beschäftigt weniger die Verantwortung, als vielmehr die Sorge, den richtigen Hummus zu finden.

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Am Abend des 25. Juni 2009 waren die Straßen in Israel leergefegt. Eine ganze Nation saß vor dem Fernseher und wartete auf Nachrichten vom NBA-Draft im fernen Amerika. Als die Sacramento Kings in der ersten Runde an 23. Stelle Omri Casspi wählten, brach ein Jubelsturm los. Israel im Ausnahmezustand. Und mitten drin: Omri Casspi.

Der 21-Jährige wurde mit einem Schlag zum Hoffnungsträger einer ganzen Nation. Noch nie zuvor wurde ein Israeli in der ersten Runde gedraftet. Noch nie zuvor hatte es einer von ihnen in die NBA geschafft.

Eine Aufgabe, die aber auch viel Verantwortung mit sich bringt. Dennoch fühlt sich Omri Casspi nicht unter Druck gesetzt. Vielmehr ist er dankbar für die Chance, mit den besten NBA-Profis auf dem Feld zu stehen und seine Fähigkeiten verbessern zu können. "Ich fühle mich wirklich gesegnet, mich in dieser Situation zu befinden", sagt er.

Hummus und Ladegeräte

Als Omri Casspi nach Amerika zog, beschäftigte ihn nicht die Sorge, sein Land zu enttäuschen. Nein, er kämpfte mit ganz anderen Problemen: Hummus zu finden und ein lokales Handy zu besorgen.

Seine Ladegeräte passten nicht in die Steckdosen, seine erste Handyrechnung betrug nach dem ersten Monat aufgrund der israelischen Nummer runde 4500 US-Dollar und die Suche nach originalem Hummus gab er nach wenigen Wochen und Stippvisiten in zahlreichen Take-aways auf. "Es gibt hier keinen richtigen Hummus. Ich habe es probiert. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Ich werde vielleicht welches aus Israel mitbringen", erzählte er der "N.Y. Times".

Aber auch sonst blieb nichts wie es war. Sein Leben veränderte sich von Grund auf. Vor allem, als die Saison begann. Es wurde schneller. Stressiger. Zeit, nach einer Niederlage lange den Kopf hängen zu lassen, gibt es im Profigeschäft nicht.

"In der NBA muss man sich schnell anpassen, denn an einem Tag triffst du auf LeBron James und zwei Tage später auf Carmelo Anthony oder Kobe Bryant. Du hast nicht eine Woche Zeit, um dich auf das nächste Spiel vorbereiten zu können, aber so ist das hier und man muss sich daran gewöhnen", stellt Casspi fest.

Im privaten Teamjet quer durch die USA

Gewöhnen musste er sich vor allem an den engen Zeitplan und die Pflichten eines NBA-Spielers. "Diese Woche bin ich im privaten Teamjet geflogen. Es war das erste Mal, dass ich einen so vollen Terminkalender hatte. Es ist ganz anders als das, was ich gewohnt bin, aber es macht sehr viel Spaß, als Team unterwegs zu sein, die Fotografen in unseren Hotels zu treffen, mit den Fans für Fotos zu posieren und überhaupt die ganze Atmosphäre. Dadurch fühlst du dich wirklich wie ein NBA-Profi."

Doch trotz des Hypes um seine Person - er ist bescheiden geblieben. Und er ist sich bewusst, dass er noch viel lernen muss. "Selbst Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Und so denke ich auch über die Entwicklung meiner Fähigkeiten. Ich möchte einfach weiterhin Fortschritte machen und ein gutes Gefühl bezüglich mir selbst und meiner Leistung haben."

Er hebt nicht ab, denn er weiß, was für eine Chance er in seinen Händen hält. Er spielt nicht nur für sich, sondern will zugleich ein Vorbild für israelische Jugendliche sein, die - wie er einst auch - von einer Karriere im Basketball träumen.

Als Kind stand er regelmäßig mitten in der Nacht auf und schaute sich die NBA-Spiele an. Verfolgte sein Vorbild Michael Jordan auf dem Fernsehbildschirm und träumte davon, eines Tages für Maccabi Tel Aviv spielen zu dürfen. An die NBA dachte er gar nicht. "Es gab ja keinen Israeli in der NBA, zu dem ich hätte aufschauen können. Jetzt haben die Kinder jemanden, an dem sie sich orientieren können."

Verzichtet 2008 auf den Draft

Omri Casspis Basketballkarriere ging stetig bergauf. Seit frühester Kindheit spielte er Basketball und wurde mit 16 in die U-18-Nationalmannschaft aufgenommen. Bei der EM macht er auf Anhieb 14 Punkte im Schnitt und holt im selben Jahr mit Maccabi Tel Aviv den Landestitel und den Sieg in der Euroleague.

Rasant geht es weiter, denn ein Jahr später ist er bei der EM mit 21,4 Punkten bereits der Topscorer seines Teams. Und wartet auf seine Chance in der NBA. 2008 verzichtet er auf den Draft. Noch fühlt er sich nicht reif genug. Stattdessen spielt er sein viertes Jahr in der ersten Liga. Ein Erfahrungsschatz, auf den andere Rookies nicht zurückblicken können. Die meisten von ihnen kommen frisch vom College.

Gedraftet haben ihn die Sacramento Kings. Ein Team, das in der vergangenen Saison mit einer 17-65-Bilanz einen neuen Negativ-Rekord aufgestellt hat. Aber auch ein vielversprechendes, junges Team, das aus den Youngstern Kevin Martin, Spencer Hawes und Casspi eine angriffsstarke Truppe formen will. Sein Rookie-Kollege Tyreke Evans ist der Leistungsträger des Teams.

"Mit Casspi auf dem Feld läuft es besser"

Und Casspi macht einen guten Job bei den Kings. Im Schnitt steht er über 27 Minuten pro Spiel auf dem Feld und macht 12,2 Punkte. Auch wenn seine Form in letzter Zeit schwankte, gehört er doch zu den Korsettstangen des jungen Teams.

Er ist kein begnadeter Athlet, aber er ist zäh. Er ist ein guter Distanzschütze, aber kein Weichei. Geholt wurde er nicht vorrangig wegen seiner guten Statistiken, sondern wegen seiner Leidenschaft, seiner Zähigkeit und seiner Härte. Er geht auf dem Spielfeld dahin, wo es wehtut. Er scheut keine Zweikämpfe, sondern fordert sie heraus.

"Wenn er auf dem Spielfeld ist, läuft es für die Kings irgendwie besser", sagt Casspis Jugendtrainer Dan Shamir. Casspi kann seine Teammitglieder mitreißen, sie motivieren und das Letzte aus ihnen rausholen.

Sein Ziel: Immer besser werden

Aber das Leben als NBA-Profi ist anstrengend und fordernd. Bei bis zu vier Partien pro Woche, unzähligen Stunden im Flieger und in der Trainingshalle bleibt nicht viel Freizeit. Wenn er entspannen will, spielt er Playstation oder Tennis, oder geht mit Freunden aus. Niederlagen auf dem Feld versucht er, schnell abzuhaken. Nach vorne schauen ist sein Motto, und: Besser werden.

"Die Saison ist lang und wir haben noch einen langen Weg vor uns. Es wird viele Hochs und Tiefs geben, ich muss mich weiter verbessern und gleichzeitig auf dem Boden bleiben und bescheiden sein. Wenn ich hart arbeite, weiß ich, dass mich das voran bringen wird."

Casspi hat viel vor. Vor allem aber denkt er schon wieder an sein Land. "Ich erwarte, dass ich mich weiter entwickle und so gut wie möglich werde, damit ich nächsten Sommer dem israelischen Nationalteam helfen kann."

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