MLB

Die Suche nach dem letzten Strohhalm

Jake Arrieta könnte das Zünglein an der Waage sein, um die NLCS noch zu verlängern
© getty

Die Chicago Cubs, der World-Series-Champion von 2016, steht vor dem Playoff-Aus. Spiel 4 der National League Championship Series könnte schon das letzte der Serie sein. Mit dem Rücken zur Wand gilt es für die Cubbies, den letzten Strohhalm zu ergreifen und die NLCS zu verlängern. SPOX überträgt Spiel 4 der NLCS am Donnerstag ab 3 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ist die Magie von 2016 vollends verflogen? Es hat in jedem Fall den Anschein, denn die Chicago Cubs sind drauf und dran, von den Los Angeles Dodgers einen Sweep in der NLCS zu kassieren. Hatte es im letzten Oktober noch den Anschein, als könnte die Cubs nichts und niemand aufhalten, wirkt es dieser Tage so, als würden die knappen Entscheidungen alle gegen sie gehen.

Sinnbild dafür scheint das Bullpen-Management von Manager Joe Maddon zu sein. Zwar traf er auch im Vorjahr nicht unbedingt immer die richtige Entscheidung, es wurde ihm jedoch auch nie zum Verhängnis. Nicht mal bei seiner kontroversen Idee, Aroldis Chapman in Spiel 6 der World Series beim Stand von 7:2 für seine Cubs schon im siebten Inning einzuwechseln.

Das Resultat war ein völlig überarbeiteter Closer, der einen Abend später in Spiel 7 einen schockierenden Homerun zum zwischenzeitlichen Ausgleich abgegeben hat. Die Cubs behielten jedoch die Ruhe und brachten die Partie und damit die World Series doch noch erfolgreich zu Ende.

"Persönlich stimme ich nicht mit der Art und Weise überein, wie er mich eingesetzt hat", gab Chapman im vergangenen Winter über Maddon zum Besten. Der Linkshänder präzisierte seine Aussagen: "Ich glaube, es gab da ein paar Situationen, in denen ich nicht hätte eingesetzt werden sollen, doch er setzte mich trotzdem ein."

Chicago Cubs: Maddon wegen Bullpen-Management in der Kritik

Maddon wischte diese Kritik jedoch gewissermaßen mit einem Schulterzucken vom Tisch: "Die einzige Realität, die ich kenne, ist die, dass wir gewonnen haben." Maddon sprach ferner davon, dass sehr viele Diskussionen dieser Art vom Ausgang der Geschehnisse abhängig seien und Leute "erwarten, dass wenn du etwas anders gemacht hättest, es am Ende besser gelaufen wäre. Doch besser als zu gewinnen? Ich weiß nicht, was das ist."

Besser vielleicht nicht, aber möglicherweise schlechter! Denn in dieser Postseason tat Maddon durchaus Dinge, die im Gegensatz zu 2016 in diesem Oktober eben bestraft wurden. Das jüngste und wohl folgenschwerste Beispiel ist unzweifelhaft die Einwechslung von John Lackey in Spiel 2 der NLCS.

Das Spiel war ausgeglichen im neunten Inning, die Dodgers hatten den Winning Run auf Base und dann brachte Maddon Lackey, den Starter, der es in der Postseason nicht in die Rotation geschafft hatte. Die Partie endete dann wie es zu erwarten war: Lackey verteilte noch einen Walk und gab anschließend den Walk-Off-Three-Run-Homer von Justin Turner ab.

Die große Frage aber blieb bestehen: Warum setzte Maddon in dieser vielleicht schon vorentscheidenden Partie also auf seinen wohl inkonstantesten Starter, anstatt auf Closer Wade Davis zurückzugreifen? Maddons Erklärung, er hätte Davis nur mit einer Führung benötigt, ist dagegen ein Schlag ins Gesicht für den aktuellen Trend, seine besten Pitcher falls nötig auch schon früh einzusetzen - für diejenigen, die Maddon seit Jahren als Genie und Manager modernster Prägung gepriesen haben, ist es hingegen eine Art Reality Check. Der Visionär versucht es mit fast schon angestaubten Bordmitteln. Und verliert.

Chicago Cubs: Die Offensive ist kaltgestellt

Die Bullpen-Problematik, zu der auch die scheinbare Überbeanspruchung von Carl Edwards Jr. gehört - der Rechtshänder spielte in sieben der acht Playoff-Spiele der Cubs -, ist aber bei weitem nicht der einzige Grund für die sportliche Krise, die derzeit in der North Side Chicagos vorherrscht. Da wäre noch das weitaus größere Probleme der mangelnden Offensive!

Das Herzstück des Lineups, Kris Bryant und Anthony Rizzo, wurde bis jetzt komplett abgemeldet. Bryant hatte in den drei Spielen gegen Los Angeles ganze drei Hits - alles Singles. Rizzo wiederum ist 1-10 mit fünf Strikeouts. Überhaupt kommt nicht viel von den Cubbies, denn das Run-Verhältnis der Serie ist 15:4 zugunsten der Dodgers.

Die einzigen Homeruns der Cubs schlugen Addison Russell und Kyle Schwarber, ansonsten hatte das Pitching der Dodgers alles im Griff. Es gibt somit nicht eben viel, dass den Cubs noch Mut machen könnte.

Insofern ist es an der Zeit, zum Aberglauben zu greifen. Im letzten Jahr schlugen die Cubs die Dodgers in der NLCS nach sechs Spielen, dieses Mal müssten es freilich sieben sein, doch möglich ist auch dies. In der World Series kam man nach einem 1-3-Rückstand noch zurück. Und: Teampräsident Theo Epstein war damals für das Team der Boston Red Sox verantwortlich, das historisch ein 0-3 in der ALCS gegen die New York Yankees 2004 gedreht hat. Er wüsste also zumindest, wie es geht.

Chicago Cubs: Jake Arrieta in Spiel 4 der entscheidende Vorteil?

Wer eher auf harte Fakten steht, der könnte sich an der Perspektive aufrichten, dass Starter Jake Arrieta auf dem Mound stehen wird. Der verlor zwar seinen einzigen Auftritt in diesem Jahr, ließ aber gegen die Washington Nationals in vier Innings nur einen unearned Run zu. Zudem ist er erfahren genug, um mit der Situation zurechtzukommen.

Dass die Partie im Wrigley Field stattfindet, hilft, denn daheim ließ der Rechtshänder im Schnitt einen Run weniger pro Spiel zu als auswärts. Allerdings stellt sich die Frage, ob zwecks Leistungsmaximierung von Arrieta nicht vielleicht besser Backup-Catcher Alex Avila zum Einsatz kommen sollte, denn mit Starter Willson Contreras ließ Arrieta im Schnitt mehr als einen Run mehr zu als mit Avila. Am besten arbeitete er indes mit dem geschassten Catcher Miguel Montero zusammen - diese Zahlen gelten für seine gesamte Cubs-Zeit.

Auf der anderen Seite wartet mit Alex Wood ein gefährlicher Linkshänder, der seine mit Abstand beste Saison in der MLB hingelegt hat. Und dennoch könnte Wood zum Nachteil werden für die Dodgers: Immerhin steht er vor seinem ersten Playoff-Start überhaupt - er hatte bislang nur ein paar Relief-Einsätze, darunter sogar zwei noch für die Atlanta Braves und gegen die Dodgers 2013.

Unterm Strich weiß also niemand, wie Wood auf diese für ihn neue Situation reagieren wird. Zumal es psychologisch interessiert sein wird, wie er damit klar kommt, dass er zwar die Serie zumachen kann, ein Misserfolg aber kein Beinbruch wäre. Das gilt jedoch für das gesamte Team.

Los Angeles Dodgers: Alex Wood fehlt der Rhythmus

Ein noch größeres Problem könnte aber der fehlende Rhythmus sein, mit dem sich der Lefty auseinandersetzen muss. Da die Dodgers alle bisherigen sieben Playoff-Spiele in diesem Jahr gewonnen haben - für die Franchise eine neue Rekordserie in der Postseason - kam Wood schlicht noch gar nicht zum Einsatz. Sein letztes Spiel absolvierte er am 26. September gegen San Diego (6 IP, 8 H, 2 ER), also vor mehr als drei Wochen!

Pitcher sind mehr als jede andere Positionsgruppe Gewohnheitstiere, so eine lange Pause kann also nicht von Vorteil sein. Da helfen dann auch keine Simulated Games oder Bullpen Sessions, denn das Adrenalin und die Anspannung eines Playoff-Spiels lässt sich schwerlich im Training nachstellen.

All das wird jedoch nur zum Faktor, wenn die Cubs ihre Offensive in die Gänge bekommen, ansonsten ist alles weitere Makulatur. Zudem will die Offense der Dodgers, die so viel aus ihren Rollenspielern herausholt, erst einmal gestoppt werden. Vielleicht dieses Mal auch spät von einem Davis außerhalb einer Save-Situation?

Grundsätzlich aber ist das nun gegebene Szenario möglicherweise sogar ein Vorteil für Maddon und die Cubs. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, haben nichts mehr zu verlieren und können frei von der Leber weg agieren. Sie können - und sollten - spielen, als gäbe es kein Morgen mehr. Denn im Falle einer Niederlage ist dem schließlich so. Do or die!

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.

Artikel und Videos zum Thema