MLB

Cal Ripken von den Baltimore Orioles: Der Iron Man, der nur spielen wollte

Cal Ripken auf seiner Ehrenrunde. Zuvor hatte er den Rekord von Yankees-Legende Lou Gehrig gebrochen
© getty
Cookie-Einstellungen

Cal Ripkens Streak: Er spielte einfach

Niemand wusste am 30. Mai 1982, dass Ripken bei der 0:6-Niederlage seiner Orioles gegen die Toronto Blue Jays eine der eindrucksvollsten Serien der Baseball-Geschichte beginnen würde. Ohne einen Hit beendete der 21-Jährige seinen Arbeitstag, mit einem Walk und einem Strikeout. Eines dieser Spiele, an die sich Jahre später eigentlich niemand mehr erinnert. Eigentlich.

Ripken spielte einfach. Er spielte alle verbleibenden Partien der Orioles in der Saison und wurde Rookie of the Year in der American League. Er spielte, als die Orioles im Jahr darauf die dritte World Series der Franchise-Historie gewannen. Er spielte, als das Team im Jahr 1987 seinen Vater Cal Sr. als Manager verpflichtete - und er spielte, als der ein Jahr später wieder entlassen wurde. Er spielte durch starke Phasen, er spielte durch Durststrecken.

"1989 habe ich Steve Garvey überholt und stand mit 1208 Partien in Serie auf Platz drei. Da bekam meine Serie zum ersten Mal nationale Aufmerksamkeit", blickte Ripken im Players' Tribune zurück. Aber damit wollte er sich nicht beschäftigen. "The Streak" war nur Beiwerk seines Jobs: "Ich habe nie zu einem Manager gesagt: 'Ich jage Lou Gehrigs Rekord, also setz mich ein.'"

War Cal Ripken Jr. ein Egoist?

Und so spielte er weiter. Familie? Seine beiden Kinder wurden an spielfreien Tagen geboren - keine Auszeit nötig. Verletzungen? Ripken spielte trotz verstauchter Knöchel 1985 und 1992. Er spielte, als er sich 1993 in einer Massenschlägerei mit den Mariners das Knie verdrehte. Und auch, als White-Sox-Pitcher Roberto ihm bei einem Fotoshooting vor dem All-Star Game unabsichtlich die Nase brach. 5045 Ausflüge auf die Disabled List registrierte die MLB während Ripkens Serie. Er selbst spielte einfach weiter.

Er spielte, als er in den 90er Jahren näher und näher an das "Iron Horse" heranrückte - und beileibe nicht nur Lob auf ihn einprasselte. Gerade in Zeiten, wenn es mal nicht so lief: Egoistisch sei die Jagd auf das Yankee-Idol, er würde dem Team schaden. Ripken solle sich lieber den einen oder anderen freien Tag gönnen, das könne seiner Form nur gut tun.

Ein Gedanke, dem sich Ripken verweigerte: "Ich weiß noch, wie ich [vor einem Spiel gegen Roger Clemens] dachte: 'Mann, es wäre wirklich einfach zu sagen: Ich habe so viele Spiele gespielt, dieser Herausforderung soll sich jetzt jemand anders stellen.' Aber das ist nur eine Ausrede, und so bin ich nicht erzogen worden. So will ich weder den Sport noch das Leben angehen."

The Streak holt den Sport aus der Krise

Der Druck wurde noch größer, als sich die Öffentlichkeit irgendwann hinter Ripken stellte. Plötzlich fieberten alle dem Rekord entgegen, die Nummer 8 der Orioles wurde als Retter des Sports bejubelt. Ganz besonders nach dem Streik 1994, dem die World Series zum Opfer fiel, weil sich Liga und Spieler hoffnungslos zerstritten hatten. Die folgende Saison hätte um ein Haar mit Ersatzspielern begonnen, was das Ende der Serie bedeutet hätte. Dabei fehlten nur noch 122 Spiele.

Schließlich begann die Saison 1995 doch, auf 144 Spiele verkürzt, Ripkens Rekordspiel Nummer 2131 würde auf den 6. September fallen. ESPN hatte sich die Übertragungsrechte gesichert, natürlich würde es ein Heimspiel werden. Die ganze Nation wartete auf den magischen Tag.

Und Ripken? Hielt der sich zurück, um seine Bestmarke bloß nicht zu gefährden? Natürlich nicht. "Ich kam ins Clubhouse und sah, wie er sich mit Teamkollegen raufte", erzählt der damalige PR-Direktor John Maroon. "Ich rief: Was machst du da bloß?" Aber Ripkens Mantra war ganz einfach: "Alles kann passieren. Und hätte schon all die Jahre passieren können."

Ripkens Homerun im Rekordspiel

Der Rekord rückte immer näher. Die Orioles hatten sich vorbereitet und auf der Backsteinfront des alten Lagergebäudes hinter der Right-Field-Tribüne große Banner angebracht, auf denen mitgezählt wurde. 2128. 2129. 2130. Als Ripken den Rekord von Gehrig einstellte, belohnte er sich selbst mit einem Homerun.

Und dann: Der 6. September 1995 war da, die Augen der Nation waren auf Camden Yards gerichtet. Das Wetter spielte mit, wie es schon das gesamte Jahr über mitgespielt hatte. Präsident Bill Clinton und Vize Al Gore hatten sich angekündigt - und holten sich vor dem Spiel noch schnell Autogramme vom Star des Abends. 35 Jahre alt war der mittlerweile, vom schwarzen Haarschopf war über die Jahre kaum mehr als ein Kranz verdächtig silbern schimmernder Stoppel geblieben.

Aber Shortstop spielen, das konnte er immer noch. Und Homeruns schlagen: Im vierten Inning prügelte er einen Ball zum 3:1 gegen die California Angels in die Zuschauer im Left Field - und während die Nummer 8 die Bases umrundete, fingen die Kameras einen klatschenden, ungläubig lachenden Präsidenten ein.

Wahnsinn, welche Geschichten der Sport manchmal schreibt.

The Streak: 22 Minuten für eine Ehrenrunde

Die glückseligen 46.272 Zuschauer hatten sich kaum beruhigt, da brachte Orioles-Pitcher Mike Mussina das fünfte Inning hinter sich. Jetzt würde auch ein vorzeitiger Spielabbruch nichts mehr ändern, die Partie würde auf jeden Fall gewertet. Und Cal Ripken Jr. war der neue "Iron Man". Jubel. Standing Ovations. "2131" entfaltete sich in übergroßen Lettern hinter der Tribüne. Luftballons. Feuerwerk. Die Angels und sogar die Umpires applaudierten.

Insgesamt 22 Minuten dauerten die Standing Ovations. Eigentlich viel zu lange für Ripken, ganz der Profi, der die Partie am liebsten direkt fortgesetzt hätte. "Es gab drei oder vier oder fünf Curtain Calls", sagte er Jahre später zu ESPN. "Ich weiß noch, wie Rafael Palmeiro und Bobby Bonilla sagten: 'Pass auf, das Spiel wird erst weitergehen, wenn du eine Runde durch das Stadion gedreht hast.' Ich sagte: 'Ich drehe keine Runde durch das ganze Stadion.'"

"We want Cal!" rief die Menge.

Mit vereinten Kräften drückten ihn die beiden Teamkollegen schließlich aus dem Dugout, und so rannte er los, schüttelte Hände mit Polizisten, bedankte sich bei den Fans - und fing an, den Moment zu genießen: "Zuerst war es mir etwas peinlich, dass das Spiel so lange unterbrochen wurde, aber als ich auf die Runde ging, war es mir vollkommen egal."

"One Moment in Time" von Whitney Houston erschallte aus den Lautsprechern im Camden Yards. Ein unvergesslicher Moment der Baseball-Geschichte. Der Iron Man hatte das Iron Horse überholt.

Ripkens Serie - ein Rekord für die Ewigkeit

Als Cal Ripken Jr. seine Karriere nach der Saison 2001 beendete, hatte er seine Bestmarke auf 2632 Spiele ausgebaut. 16 komplette Spielzeiten ohne Pause, und noch einmal 40 Spiele obendrauf. Ein für alle Zeiten unangreifbarer Rekord? Es scheint so. Doch dieser Rekord hätte ihn nie motiviert, betont er bis heute. Und ein Iron Man, das sei er ebenfalls nicht: "Wenn ich das schaffen kann, dann können es auch andere."

Die Serie hatte Ripken übrigens am 20. September 1998 auf eigenen Wunsch beendet. Unangekündigt, ohne großes Trara nahm er sich eines Tages selbst aus dem Lineup. Es war einfach an der Zeit.

Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: "Es ging nie wirklich um The Streak. Es ging darum, alles zu geben für das Team, das ich liebe."

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema