NFL

Wie Tag und Nacht

Marcus Mariota gelang zum Auftakt das perfekte Spiel - im Gegensatz zu seinem Gegenüber Winston
© getty

Das historische Duell zwischen Tampa Bays Jameis Winston und Marcus Mariota von den Tennessee Titans hätte für beide unterschiedlicher nicht verlaufen können. Im ersten Auftakt-Spiel der NFL-Geschichte, in dem die an Nummer eins und Nummer zwei gewählten Quarterbacks aufeinander trafen, enttäuschte Winston - während Mariota eine perfekte Partie lieferte. Die Gründe liegen bei genauem Hinschauen auf der Hand. Und doch will Titans-Coach Ken Whisenhunt mehr.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Wollte man die Debüts der beiden Top-Picks des vergangenen Drafts in zwei Spielzügen zusammenfassen, man müsste nicht lange suchen. Keine zwei Minuten waren gespielt, als Marcus Mariota zu seinem vierten NFL-Pass ansetzte. Ein kurzer Play-Action-Fake, ein Blick auf den aufgerückten Linebacker und folgerichtig eine Rakete von einem Wurf zu Kendall Wright - 52 Yards später spazierte Wright in die Endzone.

Im Gegenzug startete Winston seine NFL-Karriere nach zwei Running Plays mit seinem ersten Pass - und einem Pick. Unter Druck warf der Nummer-1-Pick zu einem komplett gedeckten Receiver und das noch viel zu kurz, so dass Cornerback Coty Sensabaugh den Pass ohne Probleme abfing und für sechs Punkte zurück trug.

50 LIVESTREAMS in der Regular Season: Das NFL-Programm bei SPOX

Es war vonseiten Winstons eine falsche Entscheidung, genauso wie schlicht und ergreifend ein schlechter Wurf. Doch die komplett unterschiedlichen Einstände beider Quarterbacks in ihr erstes NFL-Spiel sollten als Vorzeichen für die restliche Partie dienen. Und womöglich sogar schon für noch mehr.

"Das war ein tolles Gefühl"

Mariota führte seine Titans zu einem 42:14-Auftaktsieg über Winstons Bucs, verzeichnete dabei als erster Rookie überhaupt in seinem NFL-Debüt ein perfektes Quarterback-Rating von 158,3 und warf mehr TD-Pässe (4) als Incompletions (3). "Das war ein tolles Gefühl", gab Mariota zu, nur um dann schnell auf die Mitspieler zu verweisen: "Ich bin stolz auf die Jungs. Wir haben hart gearbeitet, um erfolgreich zu sein. Die ganze Offense hat wirklich gut gespielt und ich habe Glück, Teil dieser Gruppe zu sein."

Tatsächlich aber zeigt ein genauer Blick auf das Spiel genau das, was sich Titans-Fans von Mariota erhofft haben. Der Ex-Oregon-QB nutzte die Pocket, ging durch seine Reads und beeindruckte mit guter Fußarbeit. Mariota traf schnelle und richtige Entscheidungen und ließ sich auch vom, zugegebenermaßen seltenen, Druck des Bucs-Pass-Rushes nicht aus der Ruhe bringen. Bei Pässen zwischen 10 und 19 Yards warf er keine Incompletion, kurzum: Sein Spiel hatte wenig von dem eines Rookie-Quarterbacks.

Im Nachhinein wirkt es daher geradezu prophetisch, dass Tennessees QB-Coach John McNulty schon am Freitag gegenüber dem MMQB sagte: "Es ist schon fast unheimlich. Der Junge ist... ich weiß auch nicht. Wir werden nicht jedes Spiel gewinnen und er wird nicht jeden Pass an den Mitspieler bringen, das ist mir schon klar. Aber er ist der vielleicht intelligenteste Football-Spieler, den ich jemals persönlich erlebt habe."

Schon zuvor hatte Mariota sein neues Team immerhin beeindruckt: Im Juli absolvierte er in Nashville mit einigen Receivern und Tight Ends ein Players-only-Training - und konnte die Spielzüge bereits selbst fehlerfrei ansagen. Nur einer von vielen Aspekten, der seine schnelle Auffassungsgabe und den hohen (Football-)IQ bestätigt.

Effizienz durch Einfachheit

Zweifellos half es Mariota am Sonntag darüber hinaus, dass nicht nur er, sondern auch seine Coaches Gala-Form an den Tag legten: Viel Play-Action, viele sichere, kurze Pässe und schlicht ein simpler, aber auf Mariotas Stärken zugeschnitten und daher effizienter Game Plan. Häufig war der erste Read für Mariota bereits offen, auch bedingt dadurch, dass Coach Whisenhunt Elemente vom College-Spiel seines neuen Quarterbacks übernahm.

So kamen unter anderem einige Run-Pass-Option-Spielzüge vor, wie man sie aus Oregon nur zu gut kennt. Die Kurzform: Mariota muss dabei häufig nur einen oder zwei Verteidiger lesen und anhand derer Reaktion nach dem Snap weiß er nahezu sicher, wo der Ball hingehen muss. "Wir werden einige Dinge tun, die ihm liegen, und mit denen er Erfolg hatte. Viele seiner Konzepte aus dem College ähneln Aspekten unserer Offense", hatte Whisenhunt schon kurz nach dem Draft angekündigt.

Die Coaches der Titans haben es, nimmt man das erste Spiel als Grundlage, scheinbar tatsächlich geschafft, die richtige Mischung aus College-Elementen mit ihrem eigenen Playbook zu verbinden. So kann sich Mariota weiter entwickeln und währenddessen schon Erfolg haben.

Wenig Hilfe für Winston

Die Bucs dagegen offenbarten hier vor allem eines: Nachholbedarf. Winston, dem im Vorfeld aufgrund seiner Pro-Style-Offense im College attestiert wurde, mehr von einem NFL-Quarterback mitzubringen als Mariota, machte den Eindruck, als wäre er ins kalte Wasser geworfen worden. Schematisch oder in Sachen Game Plan bekam er kaum Unterstützung, und gleiches lässt sich auch über andere Bereiche sagen.

Tampa Bays Offensive Line galt für viele Skeptiker als das große Sorgenkind der Bucs, die letztlich auch einer guten Rookie-Saison für Winston im Weg stehen und seine Interception-Zahl nach oben schnellen lassen könnte. Das Duell mit den Titans lieferte jenen Skeptikern eine Wagenladung voller neuer Argumente. Viel zu häufig waren Titans-Pass-Rusher im Backfield, ehe Winston überhaupt in Position war.

Das Roundup vom Sonntag: Mariota düpiert Winston - Seahawks stolpern

Der Druck machte ihm sichtlich zu schaffen, dennoch konnten die Bucs auch im Spiel kaum etwas verbessern. Vier Sacks und jede Menge QB-Pressures standen so am Ende zu Buche. Winston hatte kaum einmal, gerade wenn man den Vergleich mit Mariota zieht, schnelle, sichere Pässe, um ins Spiel finden zu können. Das machte sich dann auch auf dem Feld bemerkbar.

Denn noch alarmierender als der erste Pick war Winstons zweite Interception kurz vor Ende des zweiten Viertels. Bei einem Screen-Pass warf Winston, ohne die Defense auch nur im Ansatz zu lesen, zu seinem vorgesehenen Receiver (RB Charles Sims) - und in die Arme von OLB Deiontrez Mount, der einen halben Meter vor Sims stand. Wäre Winston ruhig geblieben und durch seine Reads gegangen, hätte er gesehen, das auf der anderen Seite Receiver Vincent Jackson komplett ungedeckt und mit Blockern vor sich stand.

Winston: "Werden zurückkommen"

So blieb Winston anschließend gar nicht viel anderes übrig, als seinem Gegenüber artig zu gratulieren. Mariota habe "ein herausragendes Spiel" abgeliefert und sei ein "großartiger Quarterback", gab der Nummer-1-Pick über seinen Angstgegner zu Protokoll. Nimmt man Winstons College- und bisherige (kurze) NFL-Karriere zusammen, hat er nur zwei Spiele verloren: Beide gegen Mariota - und das zusammengerechnet mit 34:101 Punkten.

Im Hinblick auf seine eigene Leistung gab er sich zudem offen selbstkritisch. "So kann ich mich in einem Home-Opener nicht präsentieren. Aber ich kann immer zurückkommen. Das ist nicht das Ende der Welt", betonte Winston, seit Brett Favre 1991 der erste Quarterback, dessen erster NFL-Pass ein Pick Six war, und legte nach: "Ich glaube, wir werden zurückkommen. Das werden wir."

Whisenhunt will mehr

Und Mariota? Wem der erste Touchdown nicht reichte, dem sei der TD-Pass zu Delanie Walker im zweiten Viertel ans Herz gelegt. Wieder wurden die Unterschiede zwischen Winston und Mariota an diesem Tag in kürzester Zeit offensichtlich: Wenige Plays nach Winstons Screen-Pass-Interception waren die Titans kurz vor der Endzone. Mariotas erster Blick galt nach dem Snap seinem Fullback, der eine kurze Route zur Seite lief - dabei allerdings gut gedeckt war.

Doch im Gegensatz zu Winston ging Mariota durch seine Pass-Optionen, blieb ruhig und erkannte, dass stattdessen Walker frei in der Endzone stand. Das Resultat war der nächste Touchdown, das 35:7. Ein für einen Rookie beeindruckendes Play. Vor dem Hintergrund dieses Statement-Auftrittes klang es daher fast wie eine Drohung, als Coach Whisenhunt anschließend dem Tennesseean erklärte, Mariota habe durchaus noch Luft nach oben: "Einige der Checks an der Line, die Kommunikation im Huddle und an der Line - da müssen wir uns noch steigern."

Whisenhunt war sichtlich bemüht, den Hype um seinen jungen Quarterback zu bremsen. Für beide Teams gilt es jetzt, nicht in Extreme zu verfallen. Die Bucs müssen ihre Taktiken Rookie-freundlicher gestalten, ein verbessertes Running Game würde auch der O-Line in Pass Protection helfen.

Mariota hat derweil die Chance, am Sonntag in Cleveland weitere Kritiker von sich zu überzeugen. Spätestens nach der Bye Week warten dann die harten Tests: Tennessee trifft in Week 5 auf Buffalo und in Week 6 auf Miami. Danach wird man sehen, ob die ersten Eindrücke von Winston und Mariota auch ein Vorzeichen auf ihre jeweilige Rookie-Saisons waren.

Die NFL im Überblick