NHL

"Ich habe nur auf Gretzky geschaut"

Von Interview: Florian Regelmann
Marco Sturm von den Boston Bruins will nach seiner langen Reha wieder voll durchstarten
© Getty
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SPOX: Marc Savard ist jemand, der meine Meinung nach immer noch nicht den Respekt bekommt, den er verdient. Was können Sie über Ihren Mitspieler sagen?

Sturm: Savvy ist ein begnadeter Eishockey-Spieler. Er hat unwahrscheinlich viel Talent, eine glänzende Übersicht und er macht in jedem Jahr viele Punkte. Es gab eine Zeit, in der jeder schlecht über ihn geredet hat und teilweise war das auch berechtigt, weil er faul war. Aber in den letzten Jahren hat er sein Spiel geändert. Er spielt jetzt defensiv viel besser, macht mehr für die Mannschaft und seine letzte Saison war überragend. Ich finde es schon komisch und schade, dass er bei Kanada für die Olympischen Spiele überhaupt keine Rolle gespielt hat.

SPOX: Boston ist eine ganz große Sportstadt. Es gibt nicht nur die Bruins. Es gibt die Patriots, die Celtics und die Red Sox. Was würde ein Stanley-Cup-Sieg der Bruins auslösen?

Sturm: Da wäre auf alle Fälle die Hölle los. Ich habe es in der letzten Saison schon gemerkt. Die Celtics waren weg, die Patriots waren weg, die Red Sox waren weg - es gab nur die Bruins. Die ganze Aufmerksamkeit lag auf uns und man hat das Feeling bekommen, dass Eishockey die Nummer eins in der Stadt ist. Wenn wir gewinnen, fährt Boston mehr auf Eishockey ab als auf jede andere Sportart. Besonders wenn wir gegen unseren Erzrivalen aus Montreal spielen, ist einiges los.

SPOX: Können Sie unbemerkt durch Boston laufen?

Sturm: Die Leute erkennen mich schon, aber das ist nicht schlimm. Die Amerikaner sind in dieser Beziehung sehr angenehm. Sie reden kurz mit dir, aber sie belästigen dich nicht. Das ist das Schöne an Amerika.

SPOX: Bevor Sie nach Boston getradet wurden, haben Sie lange in San Jose gespielt. Von Kalifornien an die Ostküste. Wie groß war der Schock?

Sturm (lacht): Einen krasseren Unterschied als von San Jose nach Boston zu gehen, kann man sich kaum vorstellen. Vorher lagen wir am Strand, jetzt schippen wir Schnee.

SPOX: Boston ist auch viel größer als San Jose.

Sturm: Es war für uns als Familie eine völlig neue Erfahrung. Ich habe noch nie in einer so großen Stadt gewohnt. Teilweise vermisse ich das lockere Leben in Kalifornien, weil das eigentlich mehr meinem Naturell entspricht. Aber auch die Großstadt hat seine Vorzüge. Es ist viel mehr los, man kann viel mehr unternehmen. Wir wohnen mitten in der Innenstadt und uns gefällt es super.

SPOX: Sie hätten ja auch an den Stadtrand ziehen können, oder?

Sturm (lacht): Nein, hätte ich nicht. Ich habe mich auch außerhalb umgeschaut, aber glauben Sie mir eins: Jeder, der die Stadt kennt, weiß, dass du in der Stadt wohnen willst. 90 oder 95 Prozent des Teams wohnen inzwischen in der Stadt.

SPOX: Sie sind jetzt schon sehr lange in den USA. Die Klassiker-Frage: Fühlen Sie sich schon als halber Ami?

Sturm: Nein, das würde ich nicht sagen. Für mich ist es optimal, dass ich im Sommer immer nach Hause nach Deutschland kommen kann. Ich vermisse sicher die Familie und die Freunde, die weit weg wohnen, aber ansonsten kann ich mich nicht beklagen. Meine Frau kocht gerne, deutsches Essen bekomme ich also auch immer serviert.

SPOX: Was wissen die Amis eigentlich über Deutschland?

Sturm: Die Leute in Kalifornien haben mal gar keine Ahnung, die wissen nicht mal, wo Deutschland liegt. In Boston merke ich dagegen, dass hier alles viel europäischer ist. An der East Coast weiß man mehr mit Germany anzufangen, aber die große Ahnung hat kein Mensch.

SPOX: Sie sind als Jungspund in die USA gekommen. Wenn Sie an die Zeit denken, als Sie das erste Mal in den Flieger in Richtung USA und NHL gestiegen sind, an was denken Sie?

Sturm: Puh, das war eine aufregende Zeit. Ich war sehr jung und ich habe gar nicht gewusst, was mich erwartet. In der ersten Saison war ich ganz auf mich allein gestellt. Es ist nicht so wie in Deutschland, dass du Auto, Wohnung und sonst alles gestellt bekommst. Du musst dich um alles selbst kümmern. Das war am Anfang hart, aber ich bin auch froh, dass es so gekommen ist. Die Sprache ist dadurch schnell besser geworden und ich habe sehr viel gelernt. Ich habe in ganz jungen Jahren schon meinen Traum gelebt - und ich lebe ihn immer noch.

SPOX: Gab es nie einen Moment, in dem Sie verzweifelt sind?

Sturm: Es gab sicher schwierige Momente. Gerade wenn es sportlich nicht läuft und du mit 18 Jahren alleine in den USA hockst, ist es nicht so einfach. Aber eins kann ich sagen: Ich bin seit zwölf Jahren in Amerika und es gab nicht eine Minute, in der ich Heimweh hatte und der Gedanke aufkam, dass ich zurück nach Deutschland will.