Das Elend des John Terry

Von Alexander Mey
John Terry trat als fünfter Schütze des FC Chelsea im Elfmeterschießen gegen ManUtd an
© Getty

Kein Jahresrückblick 2008 ohne Wahl zum Sportler des Jahres. Auch bei SPOX, aber ein bisschen anders. Hier geht es nicht nur um die nackte Leistung, sondern auch um bemerkenswerte oder kuriose Begleitumstände, die zu den Leistungen geführt haben. Und SPOX geht es nicht nur um die Helden 2008, auch um die Gurken des Jahres.

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In diesem Teil geht es um die Gurken des Jahres. Darunter fallen Pechvögel, Enttäuschungen oder schlicht Betrüger. Wie schon die Liste die Helden des Jahres erhebt auch diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist subjektiv.

Folgende acht potenziellen Gurken stehen zur Wahl (Voting in der rechten Spalte):

John Terry (Fußball):

Wieso können Engländer eigentlich keine Elfmeter schießen? Gibt es dafür irgendeine genetische Erklärung? Nicht Genetik war daran schuld, dass sich John Terry beim Champions-League-Finale in die ebenso lange wie traurige Liste der englischen Elfmeter-Versager eintrug, es war die Standfestigkeit. Ausgerechnet bei dem Elfmeter, mit dem er den FC Chelsea auf den Thron Europas hätte hieven können, rutschte er weg und setzte den Schuss an den Pfosten. Anstatt Jubel in Blau gab es eine Verlängerung des Dramas. Chelsea verlor gegen Manchester United, Terry weinte, sein Teamkollege Michael Ballack weinte, weil er wieder einmal Zweiter geworden war. Immerhin, den letzten Elfmeter verschoss kein Engländer, es war der Franzose Nicolas Anelka. Für Terry sicher nur ein schwacher Trost.

EM-Gastgeber Österreich und Schweiz (Fußball):

4 Punkte aus sechs Spielen, die Plätze drei und vier in ihren Vorrunden-Gruppen. Österreich und die Schweiz haben sich vor den eigenen Fans ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert. Österreich ging mit nur einem Punkt aus drei Partien als schlechtester Gastgeber einer EM in die Geschichte ein. Noch nie zuvor hatte ein Ausrichter kein einziges Spiel gewonnen. Der Schweiz blieb das gleiche Schicksal nur erspart, weil Portugal im letzten Gruppenspiel Gnade walten ließ und mit der zweiten Mannschaft auflief. Die Schweiz siegte 2:0 und vermied so eine Nullnummer.

Stefan Schumacher (Radsport):

Er hat nicht gedopt. Natürlich nicht. Wie auch? Und warum auch? Und überhaupt, wer das behauptet, dem werden Anwälte auf den Hals gehetzt! Skandal eigentlich, so etwas zu behaupten. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder Radsportler einem Generalverdacht unterliegt? Und dann auch noch ein integerer Deutscher in einem integeren deutschen Team wie Gerolsteiner. Und dann auch noch der Schumi, der doch so toll gefahren ist bei der Tour de France. Der das Gelbe Trikot trug und beide Zeitfahren gewonnen hat. Dieser Schumi dopt doch nicht! Doch er tut es, zumindest sagen das gleich zwei positive A-Proben. Ach ja, sein Teamkollege, der sympathische Österreicher Bernhard Kohl war ja auch so toll drauf bei der Tour. Auch gedopt. CERA hieß das neue Zeug, das man angeblich nicht nachweisen konnte. Konnte man offenbar doch - ätsch!

Fabian Hambüchen (Turnen):

"Eine Bronzemedaille ist klasse, ich bin glücklich damit." Das hat Fabian Hambüchen nach dem olympischen Reckfinale in Peking allen Ernstes gesagt. Keiner hat es ihm geglaubt, wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Adler mit ganzer Drehung hieß das Element seiner Übung, das ihn und eine ganze Nation zur Verzweiflung brachte. Fehlgriff im Mehrkampf-Finale, Platz vier, Medaille futsch. Fehlgriff im Mannschafts-Finale, Platz vier, Medaille futsch. Etwas kleinerer Fehlgriff im Einzelfinale, wieder Platz vier, wieder Medaille futsch? Diesmal nicht, weil es die Konkurrenz noch schlechter machte als Hambüchen. Immerhin Bronze also. Für einen Mann, der vor und nach Olympia einen Reck-Weltrekord nach dem anderen geturnt hat, aber wahrlich kein Grund zur Freude.

DFB-Querulanten (Fußball):

Michael Ballack, Torsten Frings, Kevin Kuranyi. Welchem Fan des deutschen Fußballs sind diese drei Spieler in diesem Herbst nicht auf die Nerven gegangen? Der eine, Kuranyi, fühlt sich vernachlässigt und verlässt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Nationalelf. Der zweite, Frings, fühlt sich nicht nur vernachlässigt sondern auch zu gering geschätzt und droht mit Rücktritt. Der dritte, Ballack, beschwert sich über die vermeintliche Geringschätzung seiner Kollegen durch Bundestrainer Joachim Löw lautstark. Löw ist daraufhin beleidigt, Ballack prescht aber fleißig weiter öffentlich nach vorne. Die Zerreißprobe zieht sich über Wochen hin, bis es irgendwann jeder leid ist. Vor allem wahrscheinlich der DFB. Klar, schließlich war solch ein Streit nach einem sportlich erfolgreichen Jahr überflüssig wie ein Kropf.

Michail Juschni (Tennis):

Wer? Das werden im Tennis nicht so bewanderte Leser jetzt fragen. Der Juschni, der momentan auf Platz 32 der Weltrangliste steht und 2008 das Turnier in Chennai gewonnen hat. Na und? Gute Frage, denn das allein macht aus ihm noch keinen Deppen des Jahres. Seine abenteuerliche Selbstverstümmelung beim Masters-Turnier in Key Biscayne dafür auf jeden Fall - und zwar zu einem der größten. Nach einem leichten Fehler rastete Juschni derart aus, dass er sich dreimal mit voller Wucht den eigenen Schläger auf den Kopf schmetterte. Okay, nur mit den Saiten und nicht mit dem Rahmen, geblutet hat es aber trotzdem wie blöd. Juschni nahm es gelassen, nahm sich ein Handtuch, wischte sich die Suppe von der Stirn und machte weiter.

Angel Matos (Taekwondo):

Und weiter geht die Freakshow. Während sich Juschni noch selbst geißelte, ließ der kubanische Taekwondo-Kämpfer Angel Matos seinen Zorn an anderen aus. Genau genommen an einem anderen - dem Kampfrichter. Matos war mit den Wertungen in seinem Olympia-Kampf so unzufrieden, dass er sich kurzfristig überlegte, dass es doch eine tolle Idee wäre, dem Kampfrichter einmal direkt zu zeigen, was er so drauf hat. Gedacht, getan - und schwupps hatte der Kampfrichter den Fuß von Matos im Gesicht. Ein sauberer Kick, technisch einwandfrei. Den Kampf hat er deshalb aber trotzdem nicht gewonnen. Im Gegenteil, er wurde disqualifiziert.

Ara Abrahamian (Ringen):

Und zum guten Schluss noch ein olympischer Komiker. Ara Abrahamian startete für Schweden in Peking und war eigentlich gar nicht so schlecht. Immerhin gewann er im Ringen die Bronzemedaille. Reichte ihm aber nicht, denn schließlich war er gekommen, um Gold zu holen. Und da er sich das Edelmetall nicht so schön reden wollte wie Fabian Hambüchen, nahm er noch während der Siegerehrung die Medaille ab, legte sie in die Mitte der Ringermatte und ging seines Weges. Nicht ganz fair, nicht ganz fein - aber zumindest ehrlich. Der Ringer-Weltverband suspendierte ihn und seinen Trainer, doch ihm wird es egal gewesen sein. Er hatte sowieso seinen Rücktritt erklärt.

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