NFL

Phillips und seine Pferdchen

Von Roman Brandt
Die Broncos gehen mit einer veränderten Defense in die kommende Saison
© getty
Cookie-Einstellungen

Die Veränderung in der Abwehr der Broncos lässt sich wohl mit dem Begriff "Facelift" am besten beschreiben. Sowohl das Personal als auch die Aufstellung wird sich nicht gravierend verändern. Personell stellt der Verlust von Nose Tackle Terrance Knighton und Free Safety Rahim Moore den größten Umschwung dar.

Den nach Washington abgewanderten Pot Roast (für ein überraschend geringes Jahressalär von etwa 4,45 Mio. Dollar) soll Sylvester Williams auf der Nose Tacke-Position ersetzen. Der 26-Jährige geht in seine dritte Profisaison und konnte bisher nicht vollends überzeugen.

Williams im Fokus

Die Tatsache, dass Denver erst in der sechsten Runde einen Nose Tackle (Darius Kilgo) an Land gezogen und mit Marvin Austin nur einen legitimen Ersatz im Roster hat, weist jedoch darauf hin, dass die Verantwortlichen in Denver Sly Williams noch nicht abgeschrieben haben. In der letzten Spielzeit war er laut PFF der drittschlechteste Verteidiger im gesamten Roster. Er wird sich daher heuer immens steigern müssen - sonst ist seine Zukunft bei den Pferden in Gefahr.

Stand jetzt werden Derek Wolfe und Malik Jackson die Defensive-End-Positionen bekleiden. Wolfe sollte die Rolle als 5-technique Defensive End im neuen System entgegenkommen. Er pendelte letztes Jahr im 4-3 je nach Situation und Gegner immer wieder zwischen der Tackle- und End-Position. Als NFL Tackle ist er eigentlich etwas zu schwach auf der Brust, andererseits ist er auch kein flinker Edge Rusher. Dadurch gerät er immer wieder in für ihn nachteilige Duelle. Im neuen 3-4 System kann er seine Tweenerfähigkeiten hingegen besser einsetzen.

Leistungssprung bei Jackson

Sein Gegenüber Jackson hat letztes Jahr einen riesigen Leistungssprung gemacht. Beweise? Trotz lediglich 578 Snaps (zum Vergleich: Ware 753, Miller 927) bewertete ihn Pro Football Focus mit der dritthöchsten Saisonnote (23,7) in Denvers starbesetzter Truppe (hinter Miller und Harris).

Dabei agiert Jackson sowohl gegen den Lauf als auch im Pass Rush sehr effektiv. Sollte er - was zu vermuten ist - einen weiteren Leistungssprung machen, dann wird er in naher Zukunft endgültig in die Riege der besten D-Liner der NFL vorstoßen.

Jackson wird dabei genauso wie die anderen Linemen vom neuen Defensive Line Coach Bill Kollar profitieren. In seinen fast drei Dekaden als Trainer war Kollar unter anderem für die Entwicklung von Spielern wie J.J. Watt, Mario Williams oder Leonard Little mitverantwortlich.

Überragendes Linebacker-Corps

Auch das Linebacker-Corps, welches Phillips in Denver vorfindet, sieht auf dem Papier formidabel aus. Es gibt schlimmeres als den zukünftigen Hall of Famer DeMarcus Ware auf der einen und Denvers Rush-Monster Von Miller auf der anderen Seite aufbieten zu können.

Miller bewies in Jahr eins nach seinem Kreuzbandriss seine Ausnahmequalitäten. Trotz auf den ersten Blick etwas enttäuschenden 14 Sacks erreichte Von schon fast wieder seine prä-Kreuzbandriss-Form. Er war neben Chris Harris der konstanteste Verteidiger im Team.

Pro Football Focus honorierte seine Leistung mit dem zehnten Platz der Top 101 der Spielzeit 2014. Er dürfte von den weniger werdenden Coverage-Verantwortlichkeiten im neuen System profitieren. Miller ist jedoch auch gegen das Laufspiel eine Waffe. PFF bewertete Denvers Nummer 58 als stärksten Laufverteidiger unter allen 4-3 Outside Linebackern der Liga.

Ware spielte bereits vier Jahre unter Phillips in Dallas. Dabei gelangen ihm 14, 20, 11 und 15,5 Sacks. Beide Outside Linebacker werden sich voll und ganz auf die Jagd nach dem gegnerischen QB konzentrieren dürfen.

Unterstützung wird dieses Duo in erster Linie vom diesjährigen Erstrunden-Pick Shane Ray erhalten. Ray hat einen unfassbar schnellen ersten Schritt und dürfte mit diesem viele Offensive Tackles in Bredouille bringen. Laut PFF hatte er unter den College Edge Rushern in der abgelaufenen Spielzeit die dritthöchste Pass Rushing Grade.

Der Pass-Rushing-Spezialist aus Missouri (14 Sacks bedeuten ebenfalls Rang 3 in der NCAA) wird vor allem Ware immer wieder Erholungspausen gönnen. Ray wird in seiner ersten Profispielzeit primär als situativer aber regelmäßiger Edge Rusher zu Einsatzzeiten kommen.

Eine Schwachstelle, die keine ist?

Dass sich die äußeren Linebacker in erster Linie um den Pass Rush kümmern dürfen, liegt an dem Personal im Inneren des Feldes. Sowohl Brandon Marshall als auch Danny Trevathan gelten als herausragende Coverage Linebacker, die aber auch gegen den Lauf als Tackle-Maschinen gefürchtet sind. Die beiden Spieler könnten somit auch eine der größten Schwachstellen der Phillip'schen Defensive ausmerzen.

Seine Abwehrreihen weisen oft Probleme gegen kurze schnelle Pässe in die Mitte des Feldes auf. Zwei gute Passverteidiger können hier Abhilfe schaffen. Aufgrund ihrer Polyvalenz können sowohl Danny als auch Brandon vielfältig eingesetzt werden. Sie können blitzen, den Quarterback ausspionieren, Receiver decken - eigentlich alles um die Gegner an einem erfolgreichen Spielzug zu hindern.

Irvings Abgang schmerzt

Hinter den beiden Inside Linebackern stehen jedoch aufgrund der jüngsten Verletzungshistorie noch Fragezeichen. Trevathan fiel mit Knieschmerzen nahezu die ganze Saison aus, auch Marshall verletzte sich zum Ende der Spielzeit am Fuß und musste im März operiert werden.

Der Abgang von Nate Irving gen Indianapolis tut daher doppelt weh. Irving ist aufgrund seiner kräftigen Statur ein guter Verteidiger gegen den Lauf - etwas das Denver in gleicher Qualität im aktuellen Kader vermissen lässt. Außerdem ist die Tiefe hinter den beiden projizierten Startern ausbaufähig. S. Johnson, C. Brewer, T. Davis, S. Barrett oder L. Barrow sind aktuell nicht mehr als ordentliche Rollenspieler.

Das Backfield als Trumpf

Neben dem guten Coverage-Personal im Linebacker-Corps gibt es jedoch einen weiteren Mannschaftsteil, der Phillips' aggressiven Stil zugute kommen dürfte: Denvers Secondary.

Mit Harris und Talib hat Denver eines der besten Cornerback-Tandems der Liga. Beide sind Man-to-Man-Coverage-Spezialisten, die gegnerischen Angreifer ohne fremde Hilfe in Schach halten können.

Harris erlaubte letztes Jahr gegnerischen Quarterbacks, wenn sie in seine Deckung werfen, etwa ein QB Rating von lediglich 47,8, ein Wert von 0,57 Yards per Coverage Snap sind ebenfalls beachtlich.

Auch Talib spielte eine sehr ordentliche Spielzeit. Sowohl gegen den Lauf als auch den Pass machte er seine Sache das Jahr über ordentlich. Die mit Abstand schlechteste Saisonleistung hob er sich leider für T.Y. Hilton und die Colts im Divisional Game auf, als er vom gegnerischen Colts-Receiver mehrmals düpiert wurde. Trotzdem hat auch Talib bewiesen, dass er mit seiner physischen Spielweise gegnerische Nummer 1-Receiver ausschalten kann.

Dadurch kann die Abwehr weiter vorne aggressiver vorgehen und mehr Leute gen QB schicken.

Sollte sich Bradley Roby nach der ordentlichen Rookie-Saison weiter steigern, dürften die Broncos wieder ein bären...ähm...pferdestarkes Defensive Backfield (dazu Ward und Stewart auf Safety) aufbieten können.

The Sky is the Limit

Bereits letztes Jahr gehörte die Abwehr der Denver Broncos zu den besten in der Liga. Das Spielermaterial gepaart mit dem System des neuen Defensive Coordinators Wade Phillips könnte diese Defensive noch furchteinflößender machen.

Ein sehr wahrscheinliches Szenario ist, dass Denver ligaweit wieder eine Top drei Abwehr stellen und gegnerische Spielmacher im Vergleich zum Vorjahr wesentlich öfter unter Druck setzen können wird. Von Miller dürfte wieder an der 20 Sack-Marke kratzen und endgültig an seine Form vor der Verletzung anknüpfen.

Dafür muss Sylvester Williams jedoch den nächsten Schritt in seiner sportlichen Entwicklung machen und die Inside Linebacker Brandon Marshall und Danny Trevathan gesund bleiben. Dann gilt für diese Abwehr aber: Sky is the Limit.

Seite 1: Das System des Wade Phillips

Seite 2: Wie wird Denvers Defense aussehen?

Die Broncos im Überblick