Klopps schwerste Aufgabe

Von David Theis
Jürgen Klopp wurde im Oktober 2015 als Nachfolger von Brendan Rodgers verpflichtet
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Mittelfeld

Hier findet sich zweifellos Liverpools größtes Problemfeld. Zum einen sind die Reds in der Mittelfeldzentrale quantitativ gut bestückt, müssten also Abnehmer für einige Spieler finden, bevor sie nachrüsten. Zum anderen gibt es mit Emre Can, Jordan Henderson und James Milner gleich drei etablierte Spieler, deren Profil Rätsel aufgibt.

Zwar sind alle Genannten enorm fleißig und zeichnen sich durch eine passable bis gute Zweikampfstärke aus, jedoch reicht das in Ermangelung eines sauberen Positionsspiels bislang nicht, um dem Team mehr defensive Stabilität zu verleihen. Besonders Can fällt durch extrem kopflose Risikozuspiele und Dribblings in der eigenen Hälfte sowie schwache Entscheidungen in Umschaltsituationen auf.

Zudem fehlt vor allem Can und Henderson die nötige Pressingresistenz sowie Can und Milner das nötige strategische Geschick, um Liverpools Umschalt- und Aufbauspiel auf das nächsthöhere Level zu heben. Auch sind die drei nicht die präzisesten Passspieler.

Klopps Unsicherheit in der Frage, wie das Trio am besten einzusetzen ist, spiegelte sich daher in zahlreichen Systemwechseln im zentralen Mittelfeld wider. Auf lange Sicht wird er mindestens einen der Drei auf die Bank verbannen müssen. Joe Allen scheint derweil auch beim Nachfolger seines ehemaligen Förderers Brendan Rodgers keine Rolle als Aufbaustratege zu spielen.

In der Offensive verfügt Klopp mit Firmino und Coutinho zwar über deutlich hochklassigere Spieler - plagt sich aber dennoch mit Problemen, denn beide spielen eigentlich wie Adam Lallana dieselbe Position: zentral, hinter der Sturmspitze. Das zeigt sich leider vor allem, wenn Klopp sein aus Dortmund bekanntes 4-2-3-1 System zum Einsatz bringt und mindestens einer der drei weiter außen sein Glück versuchen muss.

Die Lösung für dieses personelle Luxusproblem, beziehungsweise die fehlende Klasse auf den Flügeln, wo Jordan Ibe bislang ebensowenig überzeugte, scheint Klopp durch einen Systemwechsel gefunden zu haben: Liverpool agiert in diesem Jahr häufig mit zwei hängenden Spitzen hinter dem eigentlichen Stürmer.

Mögliche Verstärkungen: Ändert Can sein Spiel nicht grundlegend, ist er, wenn überhaupt, als robuster Achter deutlich besser aufgehoben, als auf der für Klopp strategisch wichtigen Rolle des defensiven Mittelfeldspielers. Möchte Liverpool wiederum dem technisch limitierten Lucas Leiva diese Position nicht allein überlassen, sollte hier deutlich nachgebessert werden.

Während die "Reds" über zahlreiche für aggressives (Gegen-)Pressing geeignete Spieler verfügen, fehlt es ihrer Mittelfeldzentrale deutlich an einem beweglichen Strategen mit sauberem Passspiel und einem Auge für sich öffnende Räume. Diese Fähigkeiten werden jedoch künftig wichtig werden, sollte Klopp bei einer Lösung mit Philippe Coutinho und Roberto Firmino/Adam Lallana als Halbstürmer bleiben.

Sturm

Im Angriff zeigt sich mit zunehmender Dauer der Saison immer deutlicher, dass Christian Bentekes Fähigkeiten weder eine Ablöse von knapp 47 Millionen Euro rechtfertigen, noch zu schnellem und laufintensivem Umschaltfußball passen. Dem kopfballstarken Zielstürmer beim Verlangsamen des Liverpooler Spiels zuzuschauen, ist häufig nicht gerade der Inbegriff einer Augenweide.

So verwundert es nicht, dass Klopp den Belgier trotz chronischen Personalmangels meist auf die Bank verbannt, während Mittelfeldspieler Firmino in Daniel Sturridges (dauerhafter) Abwesenheit eine Art falsche Neun mimen muss - und dabei deutlich bessere Leistungen zeigt als Benteke. Letzterer kommt meist erst zum Einsatz, wenn Klopps spielerischer Ansatz gescheitert ist und ein Punktgewinn über die berühmte Brechstange erzielt werden muss.

Mögliche Verstärkungen: Klopp benötigt einen Stürmer, der auch flach gespielte Bälle schnell verarbeiten und weiterleiten kann, geschickt auf die Flügel ausweicht, um Raum für seine Halbstürmer zu schaffen und nicht zuletzt mit schnellen Antritten zentrale Anspielstationen für gegnerische Innenverteidiger blockiert. All das ist Benteke nicht.

Welche Rolle Neuzugang Danny Ings für Liverpool spielen kann, wenn er im Frühsommer von seiner beinahe einjährigen Verletzungspause zurückkehrt, steht noch in den Sternen. Der reaktionsschnelle und technische versierte Daniel Sturridge hingegen scheint wie geschaffen für Klopps Anforderungsprofil, ist jedoch so verletzungsanfällig, dass er zwingend um einen gleichwertigen Spieler ergänzt werden sollte. Er fiel seit September 2014 insgesamt elf Monate aus.

Will Liverpool sich die Chance erhalten, über Sturridge länger als nur drei Monate pro Saison zu verfügen, wird er künftig ohnehin mehr Ruhephasen benötigen, um weiteren Muskelverletzungen vorzubeugen. Dass Ergänzungsspieler Divock Origi (derzeit verletzt) bis zum Sommer zu einem Stürmer seines Kalibers heranreift, darf indes bezweifelt werden. Die Zeichen stehen also auf "Stürmertransfer".

Der Haken an dieser Rechnung lautet jedoch wiederum "Christian Benteke". Denn 5 Stürmer wären wohl mindestens einer zu viel. Benteke ist unter Klopp das schwächste Glied im Kader - jedoch müsste Letzterer erst einmal einen zahlungskräftigen Abnehmer für den bislang kostspieligsten Fehleinkauf der Liverpooler Vereinsgeschichte finden.

Der Kader des FC Liverpool in der Übersicht

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